Dienstag, 23. April 2024
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Bitcoin: Warum das libertäre Projekt scheitern musste

Bild © CC Pixabay MichaelWuensch (Ausschnitt)

Die ersten Krypto-Währungen waren angetreten, um Zentralbanken und Sozialpolitikern nicht-manipulierbares Geld entgegenzustellen. Heute ist es Opfer genau jener Kräfte, die man einst besiegen wollte. Die Chronik einer wohlgemeinten Fehlkonstruktion.

Es war das raketenhafte Abheben von Bitcoin (auf Deutsch: digitale Münze) 2017, das die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf Kryptowährungen zog. Heute gibt es 1400 „private“ Zahlungsmittel. Tendenz: Steigend. Wert: 500 Milliarden Dollar [1] – mehr als das Bruttoinlandsprodukt Belgiens.

Wer hat`s erfunden?

Die Erfinder von Bitcoin verlieren sich im digitalen Nebel. Fest stehen zwei Namen: Satoshi Nakamoto, das Synonym des/der vermeintlichen Bitcoin-Programmierer. Ihm wird jenes libertäre Thesenpapier zugeschrieben, das Bitcoin als Waffe gegen Zentralbanken-Geld („Fiat-Money“ [2]) preist. Und Hal Finney: Dem glücklichen  US-Programmierer gehörte jenes Konto, auf dem die erste Bitcoin-Überweisung landete.

Die junge Währung stieß bei jungen, gutgebildeten Städtern auf so große Sympathien, dass man in Städten wie Zürich das Parkticket schon bald mit Bitcoins zahlen konnte. Das erste libertäre Projekt der Welt schien an Fahrt zu gewinnen.

Libertäre Wurzeln

Der Libertarismus kürt das Marktprinzip zum obersten Lebensmotto. Folglich hätten sich auch Geld (und Währungen) alleinig an Angebot und Nachfragen von Bürgern auszurichten. Staatliche Eingriffe durch Zentralbanker und „Schulden-Politiker“ sind verpönt. Diese wollten die Geldmenge nur künstlich vergrößern, um damit – als Ausbau des Sozialstaates getarnt – Wählerstimmen zu kaufen. Nur kleine Teile der Papiergeld-Berge würden ihren Weg in die Realwirtschaft finden, das meiste würde als Spekulationskapital auf Immobilien-, Aktien- und Goldmärkten landen (und leider auch bei Kryptowährungen) und diese destabilisieren.

Die Folge: Börsenstürze. Und Inflationsraten, die staatlich kleingeredet würden. Die Medizin: Währungen, die von Menschen für Menschen geschaffen werden – ohne Eingriff durch den Staat.

Fehlkonstruktion wie Bretton Woods

Man kann der Zürcher Parkraumbewirtschaftung nur wünschen, die vereinnahmten Bitcoins noch zu besitzen. Denn der Wert einer Einheit, welcher lange Zeit um den einer Pizza kreiste, war  2017 bis auf 20.000 Dollar explodiert.

Die Bitcoin-Schöpfer waren den gleichen Fehlannahmen erlegen, wie es die Sozialisten um John Maynard Keynes anno 1944 in Bretton Woods waren. Damals fixierte man alle Weltwährungen am Dollar, und garantierte jedem Besitzer von 36 „Greenbacks“ den Umtausch in eine Unze reinen Goldes (heute 1200 Dollar wert) [3]. Weil die Weltwirtschaft viel stärker gewachsen war, als die „Marktwirtschaft-Pessimisten“ um Keynes sich das 1944 erträumen ließen, reichte irgendwann alles Gold der Erde nicht mehr, um allen Dollarnoten-Besitzern den Umtausch in die Edelwährung zu garantieren. Das System zerbrach (1973), der Goldpreis explodierte.

Auch Bitcoin ist mit 21 Millionen Stück streng begrenzt. Viel zu wenig, um als weltweites Zahlungsmittel zu fungieren. Denn der „Block Chain“-Technologie fehlt es an Möglichkeiten, sich dynamisch an veränderte Nachfragemuster anzupassen. Wenn sich ein Versicherungskonzern mit zwei Millionen Bitcoins absichern wollte, müsste die Geldmenge über Nacht um 10% ausgeweitet werden. Doch das Schöpfen neuer Bitcoins („Mining“) ist zeitlich, technisch (und energiemäßig) sehr aufwendig – und stückmäßig eben gedeckelt (zurzeit hält man bei 17 Millionen Stück).

Staatliche Spekulationsopfer: Litecoin, Digibyte

Obwohl sich Kryptowährungen dem Zugriff von Steuereintreibern und Zentralbankern (noch) entziehen, werden sie als unabhängiges Zahlungsmittel wohl niemals taugen. Zu verlockend wirken sie auf staatliches Zentralbankengeld, das verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten sucht.

Beispiel Litecoin. Der stellte sich 2011 als verbesserte Alternative zum Bitcoin vor, bei vierfach höherer Auflage. Wird er sich also bei einem Viertel des Bitcoin-Kurses einpendeln, bei etwa 4000 Dollar (zurzeit ca. 400 Dollar)? Kann sein – muss aber nicht. Genauso wenig der Digibyte. Heute noch 5 Euro-Cent wert – und morgen? Ein Euro? Oder 100. Eine Million? Oder Null?

„Greater Fool“-Prinzip

Denn das ist das Teuflische an Kryptowährungen. Erstmals in der Finanzgeschichte stehen „Wert“-Papiere nicht mehr in Zusammenhang mit real verfügbaren Werten (wie Weizen, Metallen oder Fabriken). Ihr Wert besteht einzig und alleine in der Tatsache, dass der Krypto-Käufer hofft, einen „noch größeren Deppen“ („greater Fool“) zu finden, der bereit ist, ihm – das an und für sich wertlose – Papier (das es ja nicht einmal ist) abzukaufen.

Am Ende solcher Märchen [4] steht der kleine Bub, dem vor staunender Menge herausrutscht: „Der Kaiser ist ja nackt!“. Womit er binnen Minuten Milliardenwerte in digitalen Staub zerfallen ließe.

Gesund durch Crash?

Wohin Pyramidensysteme führen können, zeigt der Lotterieaufstand im Albanien der 1990er. Verbrecherbanden hatten unbedarften Bürgern die Sparguthaben mit Gewinn-Versprechungen abgeluchst, die (1997) 50% des BIPs ausmachten. Das Platzen der Blase vernichtete die Sparguthaben einer Nation und führte zu tumultartigen Aufständen.

Das Platzen der Kryptoblase hingegen könnte das Finanzsystem mittelfristig sogar stabilisieren. Im Gegensatz zum postkommunistischen Albanien stellt es für die meisten Spekulanten nur überschüssige, niedrigverzinste Liquidität dar. Solche, die der Volkswirtschaft nach dem Verpuffen im Krypto-Universum nicht sonderlich abginge, weil sie ohnedies nie zum Kauf von Gütern gedacht war.

Am Ende stirbt die „anarcho-liberale“ Utopie von einem Geld, das sich dem Zugriff des Staates entzieht, an genau jenem Staat, dessen Billionenfach gedrucktes Geld verzweifelt nach Investitionsmöglichkeiten sucht, weil es in der Realwirtschaft nicht gebraucht wird [5].

 


[1] „Liste von Kryptowährungen“, Wikipedia, abgerufen am 22.12.2017

[2] Fiat-Geld. „Fiat“, lateinisch für „es sei“. Bezeichnet das am Computertisch von Zentralbanken gedruckte Geld, dessen Wert nicht mit Gold und Silber garantiert wird, sondern auf jenem Vertrauen in Staat und Wirtschaft basiert, dass immer weiter solch Geldes drucken würde. Es dominiert heute 90% bestehender Zahlungsmittel.

[3] Wie verrückt das war, entnimmt man den heutigen Marktwerten von Dollar und Gold. Man könnte mit 36 Dollar vom US-Staat eine Unze Gold erwerben, die man sofort am Goldmarkt für 1200 Dollar verkaufen könnte. Binnen eines Tages wäre Fort Knox leer.

[4] Des Kaisers neue Kleider.

[5] An dieser „monetaristischen Übertreibung“ kranken nicht nur die westlichen Ökonomien, sondern alle Länder, die (durch Schulden bzw. die Geldpresse) mehr Geld in Umlauf bringen, als Güter („BIP“) hergestellt wurden.

 

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