Freitag, 29. März 2024
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Angela Merkels Pokerspiel ist zu Ende

Angela Merkel © CC BY-SA 3.0 Tobias Koch/Wikimedia (Ausschnitt)

 

Die deutsche Kanzlerin ist ihren Partnern weit entgegengekommen, um ihren Posten nochmals zu retten.

Die drei Wahlverlierer vom 24. September machen doch wieder gemeinsame Sache: In Deutschland wird die schwarz/rote Koalitionsregierung mangels Alternativen prolongiert. Kanzlerin Angela Merkel konnte mittels mehrerer Zugeständnisse an die SPD im letzten Moment eine gröbere Blamage verhindern, deren Chef Martin Schulz bekommt zwar den begehrten Job des Außenministers, muss allerdings die Parteiführung an die bisherige Bundestags-Fraktionschefin Andrea Nahles abgeben.

Die Verteilung der Ressorts – die CDU erhält fünf, ihre bayerische Schwesterpartei CSU gleich drei und die SPD sechs – lässt auf die Schnelle einen klaren Punktesieg für die Sozialdemokraten und eine harte Verhandlungslinie der Bayern vermuten: Die Roten behalten fünf schon bis dato von ihnen geführten Ministerien – das Außenamt, den Bereich Arbeit & Soziales sowie das Familien-, das Justiz- und das Umweltministerium – noch dazu erhalten sie das wichtige Finanzministerium. Die CSU wiederum, die am Wahltag nur 6,2 Prozent der Stimmen einfahren konnte, erkämpfte gleich drei Ressorts: Sie wird wie bisher für Verkehr/Digitales sowie Entwicklung verantwortlich sein und bekam als Zuckerl das Innenressort. Das Ressort Landwirtschaft muss sie dafür an die Merkel-Partei abtreten.

Diese wird zwar auch das bisher von der SPD geführte Wirtschaftsressort übernehmen, steht allerdings als klare Verliererin im Machtpoker da: Denn die zwei neuen Ressorts sind durchaus ein schwacher Trost für den Verlust von Finanz- und Innenministerium. Unverändert wird die CDU für Gesundheit, Bildung/Forschung sowie Verteidigung zuständig sein.

Die beiden Parteien, die zuletzt nur noch 53,5 Prozent der deutschen Wählerinnen und Wähler überzeugen konnten, verfügen damit bloß über eine relativ knappe Mehrheit im Bundestag – nämlich über 399 der insgesamt 709 Mandate, was 56 Prozent entspricht. Vor der September-Wahl konnte sich Merkels GroKo im Bundestag immerhin noch um 105 Sitze mehr verlassen. Diese Schwächung müsste Schwarz/Blau NEU im Grunde genommen mit einem tollen Koalitionsvertrag kompensieren. Es wird sich weisen, wie gut das vorliegende 177-seitige, nach 136 Tagen Verhandlungspoker vorgelegte Dokument wirklich ist – und ob die neue Koalitionsregierung tatsächlich mehr zu Stande bringt, als man der Mitte November gescheiterten „Jamaika“-Koalition aus Union, FDP und Grünen zugetraut hätte.

Das Postenkarussell

Einen riesigen Härtetest muss das aus zahlreichen Gemeinplätzen wie „Eine neue Dynamik für Deutschland“ bestehende Schriftstück schon in den kommenden drei Wochen bestehen müssen. In diesem Zeitraum sollen nämlich die mehr als 450.000 SPD-Mitglieder in ganz Deutschland den Pakt ihrer Partei mit der Union absegnen. Ob sie das auch tun, steht bis auf Weiteres in den Sternen. Das tut aber den vielen Spekulationen, die naturgemäß Personalfragen betreffen nicht den geringsten Abbruch. Im Moment sieht es ganz danach aus, dass ungefähr nur jedes zweite Regierungsmitglied schon bisher im Amt war – wenn auch in anderer Position. Es wird obendrein die Stunde für etliche Newcomer schlagen, allen voran für SPD-Noch-Chef Martin Schulz und den daheim bereits abgelösten CSU-Boss Horst Seehofer, der auf seine alten Tag’ noch nach Berlin übersiedeln muss.

Im Moment sieht es diesbezüglich so aus:

DIE FIXSTARTER

Angela Merkel (CDU) bleibt, was sie bereits seit 2005 ist: Bundeskanzlerin, wobei es an der Spitze ihres vierten Kabinetts komplizierter sein wird als jemals zuvor.

Ursula von der Leyen (CDU) wird auch künftig Verteidigungsministerin sein.

Katarina Barley (SPD) wird vermutlich wie gehabt das für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständige Ressort führen.

Barbara Hendricks (SPD) wird wohl weiterhin für Umwelt- und Naturschutzbelange zuständig sein.

DIE AUF- UND UMSTEIGER

Martin Schulz (SPD) verdrängt wider Erwarten Sigmar Gabriel aus dem Außenamt.

Horst Seehofer (CSU) zieht ins Innenamt ein, das um die Agenden Bauen und Heimat aufgemotzt wird.

Olaf Scholz (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister, ist für das Finanzministerium gesetzt und soll obendrein roter Vizekanzler werden.

Peter Altmaier (CDU), bisher Kanzleramtschef und kurzfristig kommissarischer Finanzminister, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von der SPD-Politikerin Brigitte Zypries das Wirtschafts- und Energieministerium übernehmen.
Annette Widman-Mauz (CDU) ist als Gesundheitsministerium im Gespräch – womit sie auf Hermann Gröhe, dessen Staatssekretärin sie war, folgen.

Heiko Maas (SPD), bislang Justizminister, könnte neuer Arbeits- und Sozialminister werden – sofern er nicht seinen jetzigen Job behält.

Julia Klöckner (CDU), Vorsitzende in Rheinland-Pfalz, könnte den CSU-Mann Christian Schmidt im Landwirtschaftsministerium ablösen.

Dorothee Bär (CSU), Jungstar ihrer Parte, ist für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgesehen – falls es Gerd Müller nicht doch schafft, im Amt zu bleiben

DIE JOLLY JOKERS

Andreas Scheuer (CSU), der bisherige Generalsekretär, kommt für das Ministerium Verkehr/Digitalisierung in Frage – so wie übrigens auch der bisherige Entwicklungsminister Gerd Müller oder die erst 39-jährige Dorothee Bär (sie wird – siehe oben – auch für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung genannt).

Hermann Gröhe (CDU), bisher Gesundheitsminister, könnte Bildungs- und Forschungsminister, aber auch Kanzleramtschef werden.

Helge Braun (CDU), zuletzt Staatssekretär für Bürokratieabbau, steht für die zentrale Position im Kanzleramt ebenfalls Gewehr bei Fuß.

Eva Högl (SPD), stellvertretende rote Fraktionschefin, könnte Heiko Maas im Justizministerium nachfolgen oder aber ins       Ministerium für Arbeit und Soziales einziehen.

 

 

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