Freitag, 29. März 2024
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UKIP triumphiert auf ganzer Linie

Bei den Europawahlen hat die euroskeptische UKIP-Partei in Großbritannien ein sensationelles Ergebnis eingefahren. Das hat Konsequenzen für die Innen- und die Europapolitik.

[[image1]]“UKIPs Armee des Volkes hat gesprochen … das ist nicht das Letzte was ihr von uns gehört habt“ freute sich UKIP-Chef Nigel Farage, als sich der größte Erfolg seiner politischen Karriere am Sonntagabend abzeichnete. Die euroskeptische Splitterpartei hat alle Erwartungen übertroffen. Sie trug mit 27,5 Prozent der Stimmen in Großbritannien den Sieg davon und verwies die übrigen Parteien auf die hinteren Ränge.

Es war ein historischer Sieg, denn noch nie zuvor hatte eine Rebellenpartei im Vereinigten Königreich bei einer landesweiten Wahl gewonnen. Das UKIP-Ergebnis stellte sogar die Erfolge des rechtsextremen Front National (FN) in den Schatten, denn der hatte bei der Wahl in Frankreich 25 Prozent der Stimmen erhalten. Von den 73 britischen Mandaten im Europaparlament entfallen künftig 23 auf UKIP, das sind zehn mehr als bisher. Bei den letzten europäischen Wahlen im Jahr 2009 hatte die Partei, die sich für den Austritt Großbritanniens aus der EU stark macht, 16,5 Prozent der Stimmen erhalten.

Erfolge querbeet

Lange Zeit hatten die Kritiker UKIP als Partei der „Spinner und verkappten Rassisten“ abgetan und ihr vorgeworfen sie sei nur für frustrierte und rückwärtsgewandte Ex-Wähler der konservativen Partei interessant. Weit gefehlt: denn auch in einigen traditionellen Hochburgen der Labour-Partei im Nordosten Englands konnte UKIP Erfolge verzeichnen. Durch die Europa- und die Kommunalwahlen, die am selben Tag stattfanden, wurden die Euroskeptiker um Farage plötzlich zur viertwichtigen Partei im Vereinigten Königreich. Die anderen Großparteien fuhren im Vergleich dazu blamable Ergebnisse ein: Labour lag mit 25,4 Prozent an zweiter, die Tories mit 23,9 Prozent an dritter Stelle, beide werden nun 18 Abgeordnete nach Brüssel schicken. Am schlimmsten aber erging es den Liberaldemokraten. Sie werden künftig nur noch mit einem Politiker im Europaparlament vertreten sein und büßten alle übrigen neun Mandate ein. Sogar der britische Vorsitzende der Liberaldemokraten im Europaparlament, Sir Graham Watson, verlor seinen Sitz.

Der 58jährige hatte seit zwanzig Jahren im Europaparlament gesessen. Doch die Liberaldemokraten, die seit 2010 in London mit den Konservativen eine Koalitionsregierung  bilden, wurden von den Wählern abgestraft: Einerseits weil sie Wahlversprechen gebrochen und gegenüber den Tories zu wenig Rückgrat bewiesen hatten, andererseits, weil sie viel europafreundlicher sind als alle anderen Parteien im Königreich. So hatte LibDem-Chef Nick Clegg Farage als einziger Spitzenpolitiker zu einem TV-Duell herausgefordert. Er wird es bitter bereut haben, da der kämpferische UKIP-Chef ihn dabei gnadenlos an die Wand spielte.

Bittere Lehren für die anderen

Nun streifen sich die etablierten Parteien das Büßerhemd über: Er müsse anerkennen, dass die Briten „mit der EU desillusioniert“ seien, erklärte Premierminister David Cameron. „Ich verstehe die Botschaft absolut“, fügte er hinzu. Auch die stellvertretende Parteivorsitzende der Labour-Partei, Harriet Harman, gab sich zerknirscht: „Wir werden wieder mehr zuhören müssen, was die Bürger uns zu sagen haben“. Farage selbst freute sich wie ein Schneekönig und meinte, nun würden die Liberaldemokraten wohl über einen Sturz ihres Chefs nachdenken. Obwohl es in der Partei gewaltig grummelt ist das aber wohl nicht zu erwarten: denn die LibDems sind eigentlich wild entschlossen, ihre Koalition mit den Tories noch bis zu den Wahlen im Mai 2015 aufrechtzuerhalten.

Fest steht jedoch: mit dem Wahlerfolg von UKIP, die ja vehement den Austritt Großbritanniens aus der EU und eine Beschränkung der Zuwanderung aus Europa fordert, hat die Debatte über die Rolle des Vereinigten Königreichs in Europa neuen Zündstoff erhalten. Der rechte Flügel der Tories drängt nun sogar darauf, das von Cameron angekündigte Referendum vorzuziehen. Der Premier hatte bekanntlich im Januar letzten Jahres erklärt, er wolle seine Landsleute spätestens 2017 über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. Voraussetzung für das Referendum sei allerdings, dass die Tories bei den Parlamentswahlen eine absolute Mehrheit erhalten.

Druck in Brüssel

Auch diesbezüglich lieferte die Europawahl interessante Erkenntnisse: Labour hat zwar immer noch einen Vorsprung vor den Tories – doch überzeugend ist er nicht. Damit wächst der Druck auf den Chef der Labour-Partei, Ed Miliband, seinerseits ein Referendum zu versprechen. Bisher hatte Miliband das abgelehnt. Doch der Labour-Politiker, der es trotz der zurückliegenden Rezession in Großbritannien bisher nicht schaffte, die Tories abzuhängen, wird nun von innerparteilichen Rivalen gedrängt beim Thema Einwanderung, das so vielen Labour-Wählern Kummer macht, endlich Flagge zu zeigen. Sollte er seinerseits ein Referendum ankündigen so könnte er das als Befreiungsschlag verkaufen und behaupten, er habe der Basis zugehört.

Die Tories wiederum werden nun in Brüssel Druck machen um zu verhindern, dass Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz zum EU-Kommissionspräsidenten gekürt werden. Denn die beiden gelten in Großbritannien als Inbegriff dessen, was an Europa verkehrt ist: sie werden als blasse, konventionelle Insider abgetan, die das bürokratische Monster Europa repräsentieren und im Hinblick auf die nötigen Reformen der EU keine Aufbruchsstimmung erzeugen können. Selbst die Labour-Partei lehnt Schulz ab. Cameron sowieso, aber bei ihm kommt noch hinzu, dass er fürchtet keiner der beiden werde bereit sein, den Briten im Hinblick auf die gewünschte Neuverhandlung des Verhältnisses zwischen EU und Großbritannien entgegenzukommen.

Nun sind die Briten in Europa nicht gerade in einer starken Position, ihren Forderungen werden die Regierungen der übrigen Partnerländer also nicht unbedingt Folge leisten. Anderseits aber wollen vor allem die Deutschen die Briten unbedingt in Europa halten, auch einige andere Länder wollen sie nicht ziehen lassen. So hat Cameron möglicherweise doch bessere Karten als gedacht.

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