Freitag, 19. April 2024
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Syrien-Konflikt: Deutschland und die CDU wollen nicht länger Zuseher spielen

Ursula von der Leyen, Bild © European Union, 2019, EC – Audiovisual Service / Annegret Kramp-Karrenbauer, Bild © Patrick Büttgen, phoenix, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Ausschnitt)

Der Vorstoß der deutschen Verteidigungsministerin in Bezug eines europäischen Engagements könnte Teil einer neuen außenpolitischen Strategie der EU werden

Der Vorstoß von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), im Nordsyrien an der Grenze zur Türkei, also im bisher von den Kurden kontrollierten Gebiet nach dem Abzug der US-Truppen eine so genannte Sicherheitszone einzurichten, hat für gehörige Aufregung gesorgt. Gleich der erste Vorwurf lautete, es würde sich dabei um eine Profilierungsaktion der Politikerin handeln, um aus dem Umfragetief herauszukommen. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um eine innerhalb der CDU schon seit längerem geplante Neuorientierung der deutschen Außenpolitik. Und das vor dem Hintergrund, dass nun an der Spitze der EU mit Ursula von der Leyen eine Ansprechpartnerin vertreten ist, die für solche Aktionen zugängig ist.

Trump als Auslöser

Schon seit längerem führte die sprunghafte Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump gerade bei Deutschland, einem der verlässlichsten Partner Washingtons, zu Irritationen. Zudem hatte man durchaus auch Verständnis für die Forderung Trumps, wonach sich Europa mehr engagieren müsse. Und das im Mittelmeer, also im Vorhof zu Afrika, vor allem aber im Nahen Osten. Die umstrittene Entscheidung des US-Präsidenten, die Truppenverbände aus dem von den Kurden kontrollierten Gebiet in Nordsyrien zurückzuziehen, hat letztlich die jüngste Krise vom Zaun gebrochen. Und einmal mehr einen Anlass für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und den türkischen Politik-Sultan Recep Tayyip Erdogan geliefert, sich als die entscheidenden Player in dieser Region ins Spiel zu bringen.

Merkel war eingeweiht

Die Einrichtung einer Sicherheitszone in Nord-Syrien wird schon seit längerem nicht nur im deutschen Verteidigungsministerium (und das bereits als es noch unter der Führung von der Leyens stand) sondern auch in anderen europäischen Staatskanzleien ventiliert. Dort allerdings im Gegensatz zu Berlin nicht mit dem entsprechenden Nachdruck. Den gab es im Falle Deutschlands aus der CDU-Bundestagsfraktion. So vor allem durch den Vorsitzendes des außenpolitischen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen und den außenpolitischen Obmann der Fraktion, Roderich Kiesewetter. Deren Argumentation hatte es AKK besonders angetan, die sich daher entschloss, ohne den Koalitionspartner SPD zu informieren, an die Öffentlichkeit zu gehen, um diesen Vorschlag in die Diskussion zu werfen. Übrigens, wie es heißt, sehr wohl auch in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sondierungen laufen schon länger

Komplett auf dem falschen Fuß erwischte sie damit die SPD. Deren Außenminister Heiko Maaß sah sich „überfahren“ und warf AKK vor, damit die Verlässlichkeit Deutschlands als außenpolitischer Partner auf internationaler Ebene in Frage zu stellen. An sich war er verärgert, dass er erst zuvor bei einem Treffen der Koalitionspartner eine Stunde über die aktuelle Situation in Syrien berichtet hatte, ohne dass diesbezüglich von Seite der Verteidigungsministerin eine solche internationale Sicherheitszone auch nur zur Sprache gebracht worden wäre. Tatsächlich hatten schon Unionspolitiker beim Repräsentanten des Auswärtigen Amts, Staatsminister Niels Annen, angefragt, ob sich Deutschland und die Europäer nicht entschließen sollten, der türkischen Ausbreitung im Norden Syriens durch das Angebot zu begegnen, eine UN-Blauhelmtruppe zu stationieren. Wie üblich wurde halblaut hinzugefügt, dass das nur mit der Billigung Russlands zu erreichen wäre.

SPD wäre wohl auf der Bremse gestanden

Genau eine solche Reaktion hätte es wahrscheinlich von der SPD gegeben. Dazu passt auch bereits die Drohung des derzeitigen SPD- Fraktionsführers Rolf Mützenich, die Verlängerung des Anti-IS-Einsatzes, die der Bundestag (nach langem Zögern der SPD) in dieser Woche beschließen soll, womöglich besser erst einmal wieder von der Tagesordnung zu nehmen. Ein zu erwartendes Bremsmanöver der SPD in der Causa Syrien hätte wohl nur zur Folge gehabt, dass eine an sich schon längst fällige Initiative Europas, um nicht nur in das Vakuum hineinzustoßen, das Trump mit seinen einsamen, oft nicht nachvollziehbaren Entscheidungen schafft, sondern die Wahrung wichtiger Sicherheitsinteressen selbst wahrzunehmen, wieder einmal hängen geblieben wäre.

Europäisches Eigeninteresse

Anstatt eine substantielle Diskussion zu führen, verfiel die SPD in das so typische Verhaltensmuster. Sie versuchte, den Vorstoß AKKs madig zu machen, indem verbreitet wurde, dass auch in anderen EU-Staaten wenig von einer solchen Sicherheitszone gehalten wird. Was so nicht stimmt. Sogar aus Washington gab es wohlwollende Töne. Tatsächlich werden innerhalb der EU Pläne schon seit längerem gewälzt, sich stärker in dieser Region als Brückenbauer und Gesprächsvermittler einzubringen. Zudem wäre Europa auch in weiterer Folge beim Wiederaufbau gefragt. Zwei Argumente spielen beim AKK-Vorstoß eine Rolle, Erstens, dass es nicht im Interesse der EU liegen kann, dass sich Russland und die Türkei (trotz ihrer kontroversiellen Einstellung gegenüber Syriens Machthaber Baschar al-Assad) zunehmend als politische Ordnungsmacht aufspielen. Zweitens dass gerade die kriegerischen Verhältnisse in dieser Region eine entscheidende Rolle bei der Flüchtlingswelle spielen, die seit 2015 auf Europa zurollt und hier ein aktives Eingreifen gefragt ist.

Das latente Kurdenproblem

Nicht uninteressant ist, dass die Reaktion aus Moskau und Ankara darauf, bislang sehr vorsichtig war. Gegen eine terrorfreie Zone, die auf einem UN-Mandat beruht, die damit verbundenen Lasten und Kosten auf mehrere teilnehmende Staaten verteilt, denn das wäre in letzter Konsequenz das Resultat einer solchen Sicherheitszone, kann man schwer einen Einwand erheben. Und durchaus Zustimmung ist von den Kurden zu erwarten, die nicht wirklich aufgerieben werden wollen. Sie  bilden eine autochthone ethnische Volksgruppe, die auf gut 35 Millionen Menschen geschätzt wird und sich gleich auf vier Staaten aufteilt, nämlich Türkei, Irak, Iran und Syrien. Der Wunsch der Kurden nach politischer Mitbestimmung – einer der Konflikte mit Erdogan – ist darüber hinaus ein Thema, das zusätzlich für Unruhe sorgt. Die 35 Kilometer breite Schutzzone in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei wäre auch unter diesem Gesichtspunkt ein wichtiger Puffer.

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