Freitag, 29. März 2024
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Schwarzmeerregion: Chancen ja, aber …

Insider geben der Schwarzmeerregion ausgesprochen gute Zukunftschancen. Die kulturellen Facetten sind nur ein Aspekt der Überlegungen. Die Chancen betreffen Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam. Der aktuelle Transformationsprozess hat erst begonnen, Entideologisierung und Reformen kämpfen gegen steile Hierarchien.

[[image1]]Der Donauraum wird zusehends zum dynamischen Impulsgeber für Europa. Die makroregionale Strategie ist ein tragfähiges Konzept für regionale Kooperationen. Das Ziel der Strategie liegt im Aufbau von Wohlstand und einer soliden Positionierung der Region, Umweltschutz und Nachhaltigkeit dominieren die Agenda. Aus wirtschaftlicher Sicht geht es vorerst um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen,  um die gebotene Planbarkeit zu erreichen. Die Qualität der Verwaltung ist nur ein Punkt, der immer wieder für Verwunderung und Unverständnis sorgt, es braucht Reformen. Aktivitäten vor Ort waren bislang mit reichlich Pioniergeist verbunden, doch  mittlerweile ist ein erstes Umdenken erkennbar. Ob tendenziell Russland oder Europa ist in der Entwicklung vorerst nicht absehbar, was die Sache überaus spannend macht. 

Spielregeln für den Goldenen Westen

Defizitäre Sichtweisen anderer Gesellschaftsgrundlagen sind geeignet, Missverständnisse und Fehlentwicklungen zu begründen. Osteuropa basiert auf steilen Hierarchien, die von ausgesprochener Masseträgheit geprägt sind. Die Region bildet, so sehen es Experten, die Gegenmacht zu Europa. Eine Verwestlichung der geistigen Eliten ist erkennbar, der Fall des Kommunismus die ganz natürliche Folgeerscheinung. Die Gesellschaft vor Ort ist von Misstrauen geprägt, der Staat eine Macht, die kein Vertrauen verdient. Geschickte Steuervermeidungsmodelle prägen die Umgehungspolitik, Solidarität ist nur im privaten Bereich erkennbar. Klientilismus prägt den Alltag, wer die rechten Ansprechpartner kennt, darf zurecht auf Entgegenkommen und Wohlergehen hoffen, die Region wird  nicht umsonst als Selbstbedienungsladen für Machthaber bezeichnet. Zudem kommen Selbsthilfeinitiativen der Machtlosen, wie es Peter Jordan, Österreichische  Akademie der Wissenschaften, in seiner kulturgeopraphischen Analyse bezeichnet.

Am Weg zur Rechtsstaatlichkeit

Ludwig Schulz, LMU München, will eine unklare Strategie Europas betreff der Schwarzmeerregion erkennen. 27 Mitgliedstaaten, Regierungen und Schattenregierungen takten lustlos im Wechselschritt, unklare Komponenten erschweren die Entwicklung. Die Kommission gilt als Hauptakteur für den bevorstehenden und sehr wohl realisierbaren Aufschwung, die Divergenzen in der EU lassen nur wenig gemeinsame Ziele erkennen. Speziell Tschechien, Polen und Schweden setzen auf östliche Partnerschaften, so wie eben auch die Kommission auf einen Ring stabiler, befreundeter Staaten hofft. Deutschland und Russland setzen auf Sonderbeziehungen, es gibt viele Spannungsfelder. Nabucco ist nur ein Projekt, an dem sich die Geister scheiden. Das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine dürfte eine Besserung der Lage mit sich bringen. Die sicherheitspolitischen Aspekte der NATO hingegen sorgen für höchst unterschiedliche Standpunkte. Mangelnde Konsultationsmechanismen drücken auf die Stimmung, Vision Black Sea 2020 entwickelt sich zu einem mühsamen Unterfangen.

Kulturelle Engstirnigkeit birgt viele Gefahren

Anahit Minassian, KASA Swiss Foundation, Armenien, stellt eine fundierte Jugendarbeit in den Vordergrund. Pluralismus ist eine Herausforderung. Die kulturelle Intoleranz ist mit enormen Gefahren verbunden, auch wenn reichlich interkulturelles Potenzial erkennbar ist. Grenzüberschreitende neue Erfahrungen ermöglichen neue Perspektiven, NGOs setzen auf ein neues Verständnis und Aufklärungsarbeit. Es gilt, die neue Situation der Selbstbestimmung und damit Eigenverantwortung zu festigen. Unternehmergeist zu entwickeln mutiert zu einer Herausforderung, die letztendlich zu einem neuen Lebensgefühl führt. Der gesellschaftliche Wertewandel soll mittels geeigneter Stakeholdereinbindung vorangetrieben werden. Der Dornröschenschlaf ist beendet.

Extreme Heterogenität erkennbar

Historisch bedingt ist eine höchst unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung mit einem entsprechend differenzierten Preisgefüge erkennbar. Russland, Rumänien und die Türkei liegen bei der Hälfte des europäischen Durchschnitts, andere Regionen wiederum bewegen sich bei gerade mal 20 % der in Europa üblichen nominellen Kaufkraft, was merklich auf den Lebensstandard drückt. Der Aufholbedarf ist enorm, die regionale Integration gilt als problematisch. Bilaterale Probleme und politische Konflikte belasten die Stabilisierung. Aserbaidschan ist dank Öl und Gas an der Krise vorbeigeschrammt, Armenien und die Ukraine sind hingegen stark betroffen, Bulgarien und Rumänien erfahren eine lähmende Stagnation. Die Türkei ist glimpflich davon gekommen, die EU verliert an Glaubwürdigkeit. Die aufkommenden Probleme dämpfen die Erweiterungslust. Dazu kommt der  Konflikt zwischen Europa und Russland.

Institutionelle Faktoren bremsen Entwicklung

Im Prinzip sind es nur einige wenige Faktoren, welche störend wirken. Mangelnde Transparenz, speziell bei öffentlichen Ausschreibungen und kritische Rechtssicherheit geben zu denken, die Durchsetzbarkeit von Forderungen ist kaum gegeben. Für öffentliche Verwaltung und Bürokratie gibt es harsche Kritik, es funktioniert einfach nicht. Die Dynamik einer systematischen Korruption ermöglicht selektive Erfolge, nur wer gute Freunde hat, spielt vorne mit. Informelle Netzwerke prägen die Entwicklung, die durch die erkennbare Instabilität der Lage gebremst wird.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Chance

170 Millionen Einwohner sind Garant für enormes Entwicklungspotenzial. Strategische  Kooperationspartnerschaften sind Voraussetzung, um den Wirtschaftsraum zu beleben. Gewinnsteigerung wäre nur ein Ansatz, um die Schwarzmeerregion in unternehmerische Überlegungen zu integrieren, der Marktzugang jedenfalls ist gegeben, die Infrastruktur im Bereich Telekommunikation funktioniert. Was bleibt ist das politische Risiko.

Die Donauraumstrategie setzt auf Synergie und Wertschöpfung, Vertrauen und Verständnis. Ein paar relevante Punkte sollten jedoch tunlichst geklärt werden.

 

Bild: Bildpixel / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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