Donnerstag, 28. März 2024
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Schottland Ministerpräsident wirbt für die Unabhängigkeit

Ginge es nur nach Gewicht so hätte Alex Salmond schon gewonnen: 700 Seiten dick ist sein Weissbuch für eine eigenständige Zukunft Schottlands. Richtig autonom wäre der Nachbarstaat Großbritanniens  aber auch künftig nicht: denn die Queen, die britische Notenbank und das Pfund Sterling sollen bleiben.

[[image1]]Wie würde ein unabhängiges Schottland aussehen? Diese Fragen versuchte die schottische Regionalregierung heute mit der Vorlage ihres Weissbuch “ „Schottlands Zukunft“ zu beantworten. Alex Salmond, der First Minister Schottlands und Chef der Scottish National Party (SNP), wirbt mit dem fast 700 Seiten dicken Pamphlet für die Autonomie des kleinen Landes im Norden des Vereinigten Königreichs. „Ich lege hier ein Konzept vor, das auf gesundem Menschenverstand beruht“, so der SNP-Politiker als er seine optimistische Zukunftsvision in Glasgow vorstellte. Doch obwohl die Blaupause 650 verschiedene Detail-Fragen zu beantworten sucht,  bleiben immer noch erhebliche weiße Flecken, die es den Wählern schwer machen werden, eine gut fundierte Entscheidung zu fällen. Vor allem basiert sie auf Prämissen, die sich als falsch erweisen könnten. So geht sie davon aus, dass Schottland auch weiterhin ein Mitglied der EU, der Nato, der Vereinten Nationen, des Commonwealth und der OECD sein wird. Königin Elizabeth soll außerdem auch künftig Staatsoberhaupt eines unabhängigen Schottlands sein.

Der Countdown läuft

Der Terminplan steht, am 18. September 2014 wird in einem Referendum entschieden: verlässt Schottland die historische Union, die England, Wales und Schottland seit 300 Jahren verbindet? Nirgendwo in Europa ist die Diskussion um die Trennung einer Region vom Mutterland schon so weit gediehen wie in Schottland. Das heute vorgelegte Weissbuch ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Stimmen die Schotten mehrheitlich mit Ja so wäre diese Entscheidung unwiederbringlich. Sowohl Salmond als auch Premierminister David Cameron haben sich vertraglich verpflichtet, das Ergebnis zu akzeptieren. Der Countdown läuft: in zehn Monaten werden alle Wähler, die älter sind als 16 Jahre und in Schottland ihren Wohnsitz haben, mitentscheiden können. Schotten in England oder in anderen EU-Ländern haben dagegen keine  Stimme. Gibt es eine Mehrheit für die Sezession, so soll die Abspaltung vom Vereinigten Königreich laut Salmond am 24. März 2016 vollzogen werden. Damit zerfiele Großbritannien just ein Jahr vor der von Premierminister Cameron angekündigten Volksabstimmung über Verbleib oder Ausstritt aus der EU – das könnte auch Konsequenzen für Europa haben, wo die Katalonen sich ja ebenfalls von ihrem Mutterland Spanien trennen wollen. Derzeit ist allerdings knapp die Hälfte der Schotten gegen die Autonomie. Die britische Koalitionsregierung aus Konservativen und Liberaldemoraten in London und die oppositionelle Labour Partei sind strikt dagegen.

Das Pfund soll bleiben

Doch während Salmond und die SNP mit dem Weissbuch das Selbstbestimmungsrecht der Schotten argumentativ zu untermauern suchen, so zeigt der Blick auf die Details ihres Entwurfs doch deutlich, dass hier eigentlich nur eine Teilautonomie angestrebt wird. So wäre die Bank of England auch für ein unabhängiges Schottland künftig oberste Autorität in der Geld- und Währungspolitik und das Pfund Sterling wollen Salmond & Co ebenfalls behalten. Damit wären die Schotten zwar fiskalpolitisch eigenständig und im Weissbuch wird auch eine Reform zur Vereinfachung des Steuersystems und eine Senkung der Unternehmenssteuern in Aussicht gestellt. Doch wichtige Instrumente der Wirtschaftssteuerung wie die Festsetzung der Zinsen würden weiterhin von London aus bestimmt. Das hätte unmittelbare Konsequenzen für die Unternehmen und Konsumenten, nicht zuletzt für die vielen Schotten, die ihr Eigenheim mit einer variabel verzinsten Hypothek finanziert haben. Davon abgesehen zeigt die heftige Reaktion der Regierung in London allerdings, dass Salmond hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat: es sei sehr unwahrscheinlich, dass man den Verbleib Schottlands in der Pfundzone dulden werde, droht Finanzminister George Osborne. Doch was dann? Würde Schottland eine eigene Währung einführen oder sich um die Euro-Mitgliedschaft bewerben? Darauf bleibt das Weissbuch eine Antwort schuldig.

EU-Mitgliedschaft ungewiss

Früher galt Salmond als glühender Verfechter des Euro. Doch dieser Enthusiasmus ist nicht nur bei ihm selbst sondern auch bei den meisten seiner Landsleute verflogen, seit die Eurozone in die Krise trudelte. Wer mit schottischen Wirtschaftsvertretern spricht merkt allerdings rasch, dass vor allem die Ungewissheit in der Währungsfrage ihnen große Sorgen macht. Das gilt natürlich auch für das künftige Steuersystem und eine ganze Reihe anderer  Punkte. Wer wird künftig für die staatlichen Renten zuständig sein, welche Aufsichtsorgane sind für die Ölindustrie und für die in Schottland so wichtige Finanzbranche verantwortlich? Schottische Wirtschaftsvertreter können sich nicht einmal mit der Annahme trösten, dass ein autonomes Schottland auch künftig Mitglied der EU sein wird, denn selbst das könnte sich als zu optimistisch erweisen. Salmond scheint davon auszugehen, dass dies entweder automatisch der Fall wäre oder ein Beitrittsantrag zumindest relativ einfach bis zur Unabhängigkeit im März 2016 auszuhandeln wäre.

Offene Grenzen?

Aus demographischen Gründen – anders als in England ist die Geburtenrate in Schottland niedrig und der Anteil der älteren Bürger hoch – würde sich ein unabhängiges Schottland für einen neuen Weg in  der Immigrationspolitik entscheiden. Ein Punktesystem soll nach dem Wunsch Salmonds gut qualifizierte Einwanderer ins Land locken und durch weitere Anreize zur Ansiedelung in entlegene ländliche Gebiete veranlassen. Eine solche Politik stünde in krassem Gegensatz zum restlichen vereinigten Königreich, das derzeit nach Kräften versucht, den Zuzug von Ausländern so unattraktiv wie möglich zu gestalten. Ungeachtet dessen plädiert Salmond für eine gemeinsame „Reisezone“ mit offenen Grenzen zwischen England, Schottland, Wales und Nordirland. Widersprüche wie diese und der Mangel an harten Fakten, stellen nach Ansicht von Kritikern die große Schwäche des Weissbuchs dar. „Es ist ein Aufguss von vielen alten Argumenten“, so Professor John Curtice von der University of Strathclyde in Schottland.

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