Freitag, 19. April 2024
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Pröll-Exodus: Wer geht noch?

Bild: © CC BY-SA 3.0 Christian Jansky/Wikimedia (Ausschnitt)

Der blau-gelbe Kaiser dankt ab. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll wird im März in Pension gehen, weil er offenbar eingesehen hat, dass es höchste Zeit ist, seinen Thron in St. Pölten zu räumen.

Mit dem 70-jährigen scheidet nicht nur der erfolgreichste aller derzeitigen Politiker Österreichs aus, sondern auch der am längsten dienende: Der Bauernbündler war bereits mit 33 in die nö. Landesregierung eingezogen, hat es mit 35 zum stellvertretenden Landeshäuptling gebracht und übernahm mit 45 die Macht in seinem Bundesland. In den 25 Jahren an der Spitze regierte er stets mit harter Hand, durchaus autoritär, bisweilen ziemlich brutal, wobei ihm eines nicht abzusprechen ist: Er hat viel bewegt, einiges weitergebracht und in mehrfacher Hinsicht politische Erfolge erzielt.

Als One-Man-Show in Niederösterreich, graue Eminenz in der Österreichischen Volkspartei und nimmermüder Kritiker der Bundesregierung war er ein Virtuose auf der Klaviatur der Macht und zugleich für die politische Konkurrenz, mehrere ÖVP-Parteiobmänner sowie etliche Bundeskanzler eine Art Schreckgespenst, das bei allen wichtigen Entscheidungen mitmischen wollte. Pröll, der freilich auch jovial, charmant und freundlich sein konnte, sofern er seine Ziele ungehindert durchsetzen und ohne Hürden nach Belieben schalten und walten konnte, wusste Niederösterreich Wählerinnen und Wähler bis zuletzt mehrheitlich hinter sich: Bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2013 schaffte er mit fast 51 Prozent der Stimmen immer noch die absolute Mehrheit – ein Ergebnis, das für andere Parteien längst ein Wunschtraum geworden ist.

Sein Sonderstatus als – fast könnte man sagen – unumschränkter Polit-Krösus bereitete Pröll allerdings im täglichen Umgang mit der eigenen Machtfülle zusehends größer werdende Probleme: Er drängte die Opposition im Land derart geschickt an die Wand, dass von ihr kein Widerspruch zu erwarten war. Kritische Journalisten, die es zumindest im ORF-Landesstudio St. Pölten und der Landeszeitung „NÖN“ ohnedies längst nicht mehr gibt, waren grundsätzlich unerwünscht und wurden von ihm bei Bedarf stets ebenso abgekanzelt wie all jene, denen das von ihm etablierte „System Niederösterreich“ gegen den Strich ging – sprich: der schwarz-gefärbte Apparat, der alles im Griff hat, auf Knopfdruck funktionieren muss und auf Transparenz  nicht gerade allergrößten Wert legt.  Der Zorn des Landeshauptmann traf  demnach viele – vom kleinen Pfarrer, der sich aufzumucken getraute, bis zu Institutionen wie den Rechnungshof, sofern dieser an der niederösterreichischen Realität etwas auszusetzen hatte, was dem obersten Boss missgefiel.

Dass Erwin Pröll bisweilen abgehoben agierte, was ihm da und dort als Anflug von Größenwahn ausgelegt wurde, ist kaum zu bestreiten. Zuletzt passierte ihm die merkwürdige Panne mit der nach ihm benannten Privatstiftung: Diese wurde vor zehn Jahren gegründet, als der Politiker zu seinem Sechziger von nicht namentlich bekannten Spendern 150.000 Euro erhalten hatte. In der Folge sponserte ausgerechnet die blau-gelbe Landesregierung die angeblich gemeinnützige Stiftung mit beträchtlichen Beträgen, wobei die Öffentlichkeit weder darüber noch über die Verwendung des Geldes informiert worden ist. Eine grässliche Optik: Die Stiftung hat ihr angeblich angepeilten Zweck – die Errichtung einer Akademie, die für den ländlichen Raum Wind machen solle – bis heute nicht angegangen. Niemand kann dem Landeshauptmann unterstellen, in eine unsaubere Angelegenheit verwickelt zu sein – doch jeder würde verstehen, dass er nunmehr die Verantwortung für diese ominöse Landesförderung übernimmt. Falls der LH mit seiner Entscheidung tatsächlich signalisieren würde, einen Fehler begangen zu haben, wäre ihm jedenfalls zu gratulieren.

Nachahmung empfohlen…

Der Pröll-Rückzug, von den obersten politischen Würdenträgern mit lobenden, teilweise pathetischen Aussagen kommentiert, ist – zumindest aus Sicht der Volkspartei – ambivalent zu beurteilen. Einerseits werden sich Niederösterreichs Schwarze wohl sehr schwer tun, bei der kommenden Landtagswahl Anfang 2018  erneut die Absolute zu schaffen – Johanna Mikl-Leitner bringt nicht annähernd die Strahlkraft ihres Mentors mit. Anderseits darf die Führung der Bundespartei, vor allem ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, aufatmen, weil die regelmäßigen Wortmeldungen aus St. Pölten ausbleiben sollten und damit innerparteilich deutlich weniger Stress spürbar werden dürfte.

Die sicherlich weise Entscheidung von Erwin Pröll, nicht bis ins Greisenalter weitermachen zu wollen, kann jedenfalls zur Nachahmung empfohlen werden. Josef Pühringer, Amtskollege in Oberösterreich, hat ja bereits seinen Ausstieg nach fast 22 Jahren als Landeshauptmann und oö. Landesparteiobmann avisiert. Mit 68 Jahren übergibt der einstige Religionslehrer und Beamte in der Kulturabteilung des Landes im Laufe des Jahres das Zepter an den um 18 Jahre jüngeren Thomas Stelzer. Allmählich scheint auch die Zeit für Wiens Bürgermeister Michael Häupl reif zu sein, über einen baldigen Abschied von der Politik nachzudenken. Der ebenfalls 68-jährige SPÖ-Grande, der  vor bereits 34 Jahren in den Gemeinderat eingezogen war und immerhin seit 23 Jahren als  Nummer Eins im Rathaus amtiert, ist ebenfalls reif für den verdienten Ruhestand. Falls er die im Zuge der parteiinternen Personaldiskussion angedrohten Ambitionen zum weitermachen nicht rechtzeitig vergisst, wird er vermutlich Gefahr laufen, beim nächsten Wahlgang in der Bundeshauptstadt unter die fast 40 Prozent Stimmenanteil der Roten vom letzten Mal zu fallen. Mit dem bald 48-jährigen SP-Klubobmann Andreas Schieder scharrt jedenfalls ein passabler Häupl-Nachfolger schon in den Startlöchern.

Die Karten würden nach einem Generationswechsel in beiden Bundesländern wohl neu gemischt werden: Die schwarz-blaue Koalition in Linz stünde ebenso am Prüfstand wie das rot-grüne Bündnis in Wien. Doch damit nicht genug: Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl sollte sich  in absehbarer Zeit ein Beispiel an Erwin Pröll nehmen. Er ist demnächst auch schon 66, lässt also das gesetzliche Pensionsantrittsalter, das auch für Politiker gelten sollte,  eindeutig hinter sich. Niessl steht zwar erst rund 17 Jahre an der Spitze seines Bundeslandes, hat bei der Landtagswahl 2015 immer noch 42 Prozent der Stimmen herausgeholt, und wirkt dank der experimentellen rot-blauen Landesregierung ziemlich happy – aber wie heißt es so treffend?  Man soll Schluss machen, wenn’s am schönsten ist…

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