Donnerstag, 25. April 2024
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Österreich: „Wer tut am meisten für die Wohnungsnot?“

Im aktuellen Werbespot („Wer tut am meisten für die Mieter? Die SPÖ“) feiert man sich als Retter der heimischen Mieterschaft. Tatsächlich hat man aus Gründen des Macht-Erhalts das komplizierteste Mietensystem Europas geschaffen – inklusive Dauer-Wohnungsnot. Mit der Freigabe der Mieten und der Umpolung der staatlichen Pensionsvorsorge könnte man einen neuen Gründerboom auslösen.

[[image1]]In regelmäßigen Abständen erleben Österreichs Metropolen die Explosion bei Mieten und bei Wohnungspreisen – während neue Bürotürme leer stehen. Auf der einen Seite steigen die Haushaltseinkommen, auf der anderen sinkt der Neubau von Immobilien.
Überall auf dieser Welt ergeben sich Mieten aus Angebot und Nachfrage. Überall? Nein – in Österreich hat das am stärksten reglementierte Mietensystem der westlichen Welt eine Bevölkerungsmehrheit zu Mietern verdammt – und in die Abhängigkeit der Politik getrieben.

Ungerechtigkeit „Friedenskronenzins“

Es begann in Wien ab 1917. Um verarmten Kriegs-Heimkehrern billigen Wohnraum zu ermöglichen und damit Unruhen vorzubeugen, fror man den maximalen Mietzins bei nur einer Krone/m² ein. 1951 wurde daraus ein Schilling und so teuer ist es für 50.000 Wohnungen im Wesentlichen auch noch heute.
Theoretisch konnten ab 1968 bei Neuvermietungen höhere Mieten vereinbart werden, doch hatten Wiens Sozialisten dafür gesorgt, dass Verwandte leicht in alte Verträge einsteigen konnten. Frei nach dem Motto: 100.000 Friedenszinsen-Mieter sind 100.000 Wähler“.

Manch Kriegerwitwe musste für 400 m² Altbau nur 30 Euro Miete zahlen (und auch für den in den Vertrag eintretenden Enkel wurde es nur unwesentlich teurer). Dabei wäre manch Kriegerwitwe lieber in eine modernere, aber leider auch teurere, 40 m²-Wohnung gezogen. Denn viele Friedenskronen-Häuser verfielen zusehends – weil man von einer „30-Euro-Miete“ weder Fenster tauschen noch ein Dach sanieren kann.

Leben in einem Acht-Parteien-Mietshaus fünf zum „Friedenskronenzins“, dann steht der Hausherr unter Druck, aus den drei verbliebenen so viel abzupressen, dass man insgesamt die Bausubstanz erhalten kann.

Dies schreckt seit jeher Investoren ab. Gern springt dann der Staat als „sozialer Wohnungsbauer“ ein – und spricht zynisch von „Marktversagen“.

Kategorie-Zins bedingt Ablöse-Unwesen

Mit dem Mietrechtsgesetz (MRG) von 1982 kam der sogenannte „Kategorie-Zins“. Nun unterteilte man Wohnungen in vier Kategorien (A, B, C, D) und wies ihnen je nach Ausstattung maximale-Mietenhöhen zu. Wer in einen solchen Mietvertrag einsteigen kann, muss selbst heute noch im schlimmsten Fall nur mit 2,65 Euro (Kategorie A) pro Quadratmeter rechnen.

Um überleben zu können, vermieteten viele Eigentümer ihre Wohnung nur dann zum offiziell(en) niedrigen Kategorie-Wert, wenn sie die Differenz auf den Marktwert in einem Pauschalbetrag als „Ablöse“ bei der Vertragsunterzeichnung ausgehändigt bekamen – in bar und ohne Rechnung.

Die Folge: Wer als West-Österreicher in den 1980ern zum ersten Mal nach Wien kam, war schockiert. Statt Kaiser-Glanz nur Ostblock-Charme: Überall nur schmutzige und heruntergekommene Mietskasernen. Lediglich entlang der Ringstraße hatte man für den Tourismus ein Potemkin´sches Dorf geschaffen und – wie heute in Havanna – einige Straßenzüge saniert.

Richtwerte-Dschungel

Die Novelle des MRG 1994 führte Österreich ein Stück weit nach Europa. Bei Neuvermietung konnten für Bauten, die vor 1955 errichtet worden waren, nun sogenannte Richtwerte verlangt werden. Sie werden – wie in einer Planwirtschaft – jährlich festgelegt. Weil sie aber nie die Marktsituation wiederspiegeln, zwingt man die Vermieter auch hier zum Tricksen (bei den Zuschlägen).
Das ruft dann (politische) Organisationen wie die Mietervereinigung auf den Plan, die die „abgezockten“ Mieter heldenhaft vor Miet-Haien schützt.
Allein bei Dachausbauten konnte die Miete nun frei vereinbart werden. Und bei vielen Gebäuden, die nach 1955 gebaut worden sind.

Gemeindebauten: Schlecht für die Volkswirtschaft

Heute gibt es in Wien etwa 220.000 Gemeinde- und 60.000 Genossenschaftswohnungen, deren Bau meist irgendwie subventioniert worden war. Die künstlich niedrigen Mieten hatten 600.000 Wiener abgehalten, sich um Wohnungseigentum zu kümmern.

Dabei ist Österreichs überregulierter Mieten-Markt Gift für die Volkswirtschaft. Die staatlichen „Diskont-Mieten“ führen zu einer künstlich hohen Nachfrage nach Wohnraum, dies treibt dann die Preise für alle an. Des Weiteren ziehen niedrige Mieten Menschen aus dem Umland in die Städte  – und aus dem Ausland in die Alpenrepublik. In der Hoffnung, sich mit der Einbürgerung auf eine Liste für öffentlichen Wohnraum schreiben zu können, verschärft man die Wohnungsknappheit.

Wer einmal eine öffentliche Wohnung ergattern konnte, zieht aus dieser nicht mehr aus. Kann er unter Umständen auch gar nicht. Denn wer für drei Jahre als Spezialist nach England soll, darf die Gemeindewohnung nicht untervermieten. Also bleibt er da. Damit werden die Ressourcen Europas aber nicht mehr optimal verteilt. Manch Umsatz kommt so nicht zustande – damit aber auch nicht manche Steuerleistung.

Investoren ausgebremst

Wie kontraproduktiv des Staates Regulierungswut ist, erkennt man im Vergleich zum gewerblichen Mieten-Markt. Weil Gewerbemieten schon immer frei vereinbart werden konnten, flossen unzählige Milliarden in den Bürohaus-Bau. Am Höhepunkt der Wohnungskrise 2012 standen in der Stadt Salzburg viele neue Büroflächen leer. Weil sich Investoren trotz der Wohnungsnot nicht in den unberechenbaren Mietenmarkt für Private zu investieren trauten.

Viele Salzburger würden sich gerne in leere Büroflächen einmieten, wenn dies nur rechtlich möglich wäre. Doch selbst jetzt, da die Stadtpolitik ihre Blockade aufgegeben hat und den Bau neuer Hochhäuser zulässt, sind diese für noch mehr Hotels und noch mehr Büros vorgesehen.

Ungerechtigkeit

Das bestehende Mietensystem ist zutiefst ungerecht: Erstens, weil es unübersichtlich ist und ungeniert der Generierung von Wählerstimmen dient. Zweitens, weil es die berühmte „Kluft“ erhöht: „Mieter“ besitzen nur 11.000 Euro. Eigentümer wahrscheinlich auch nicht mehr – aber ihre Immobilie ist durchschnittlich 200.000 Euro wert. Drittens profitiert vom herrschenden System nur, wer Glück hat und in einen privilegierten Vertrag einsteigen kann oder gute Beziehungen zur Partei hat (heute gibt es eine Vergabekommission – da hat man gleich bei mehreren Parteien Chancen). Der Rest muss sich auf dem umso engeren „freien“ Markt umsehen.

Zukunfts-Vorsorge für Wohnungsbau

Die Lösung ist einfach:
1. Alle Mieten müssen langfristig (auf 10 Jahre) freigegeben werden.
2. Gemeindewohnungen sollen Mietern begünstigt zum Kauf angeboten werden.
3. Die Höhenbeschränkungen für Hochhausbauten müssen in den Landeshauptstädten fallen.
4. Der staatlichen Zukunftsvorsorge soll erlaubt werden, bis zu 20% ihrer verwalteten Gelder in den Neubau privater Miet-Immobilien zu investieren.

Anstatt mit Griechenland-Anleihen Milliarden Euro zu verlieren, könnten Mietwohnungen den Pensionsversicherern fünf Prozent Rendite garantieren – inflationsgesichert. Das könnte die staatliche Zukunftsvorsorge renditemäßig endlich weiterbringen.

Wenn es nach 90 Jahren in Österreich kaufmännisch wieder einen Sinn macht, in privaten Wohnbau zu investieren, dann wird eine Gründerzeit das Land erfassen. Unsere Metropolen werden moderner, sie werden wachsen – und der Bauboom wird an längst vergangene Zeiten erinnern.
Allerdings würde der Staat an Macht verlieren. Wodurch auch schon erklärt wäre, warum es nicht geschehen wird.

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