Samstag, 20. April 2024
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Neos-Sieg: Bekommt Österreich nach 103 Jahren wieder eine liberale Partei?

Bisher war in Österreich zwischen rotem, grünem oder katholischem Sozialismus keine Luft für liberale Träume. Erstmals seit 1910 sitzt nun wieder eine marktliberale Partei in einem österreichischen Parlament. Was die Neos wollen – und wie sie Österreicher verändern können.

[[image1]]Bislang kann in Österreich nur der Wahlen gewinnen, wer das meiste Geld verspricht – in Form neuer Zuschüsse für Rentner, Lehrer, Familien oder Pendler. Dafür steigt nach der Wahl die Steuerlast, man nimmt neue Schulden auf. Die Folgen des „Perpetuum Mobile des Machterhalts“ – stagnierende Realeinkommen bei wachsenden Schuldenbergen – schiebt man auf Sündenböcke wie Reiche, Banken, Ausländer und Konzerne.

Nun scheint ein neues Menschenbild aufzutauchen: Bürger sollen die Verantwortung für ihr Leben weniger beim Staat als bei sich selber suchen. Im Gegenteil: Der übermächtige Staat soll sich zurücknehmen, den persönlichen Freiheiten der Bürger dafür mehr Raum geben.

Monarchie: Beamte und Presse marktliberal

Heute unvorstellbar: In der österreichisch-ungarischen Monarchie dachten Presse und Beamtenschaft zu großen Teilen wirtschaftsliberal. Leider oft auch deutschnational. 1910 schluckte der „Deutsche Nationalverband“ die letzten liberalen Parteien der Monarchie. Von 1919 bis zum Anschluss war Österreich dann in zwei antikapitalistische bzw. anti-freiheitliche Lager aufgeteilt, Katholiken und Marxisten. Für Liberale ein eher schwieriges Marktumfeld.
Nach dem zweiten Weltkrieg fanden sich im Wahlprogramm (von VDU und dann der) FPÖ die ersten liberalen Worterwähnungen – zumindest am Papier. De facto überwog das Nationale.

LIF: Von links nach liberal

Das Wörtchen „liberal“ im Namen trug zum ersten Mal das „Liberale Forum“, 1993. Damals eine Mogelpackung. Heide Schmidts übergroße Freundschaft zum „Sozialisten alter Schule“, Heinz Fischer, war Programm – und Taktik: Man vertrat linke Randthemen (wie Homo-Ehe und arbeitsloses Grundeinkommen) und vermarktete die als „sozial-liberal“ an bürgerliche Wechselwähler.
2008 flog man endgültig aus dem Nationalrat. Um den Nachlass abzuwickeln, bezog man (unter der Kärntner Juristin Monika Mlinar) ein kleines Büro nahe der TU. Bis… ja bis sich plötzlich der ÖVP-Dissident Matthias Strolz Anfang diesen Jahres aufmachte, gemeinsam mit den markt-liberalen „Julis“ ( „Jungen Liberalen“ nach FDP-Vorbild), dem Geld von Bau-Tycoon Hans Peter Haselsteiner und der Hülle des alten LIFs, eine neue Allianz zu schmieden: Österreichs FDP – die Neos.

NEOS: Was sie fordern

• Für Alpenländer unfassbar: Die Parteienförderung soll um 75% gekürzt werden. Für Hunderte als NGO, Bibliothek, Konferenz oder Sozialverein getarnte Propaganda-Organisationen würde dies das „Aus“ bedeuten. Das Polit-Klima in unserem Land könnte sich entgiften. 

• Öffentliche Subventionen würden halbiert, die Verwendung öffentlicher Mittel veröffentlicht werden. Man könnte dann z.B. nachlesen, wie viele Millionen Euro die Gemeinde Wiens für Inserate an Heute, Krone, Österreich und Gewinn bezahlt.

• Die Pflichtmitgliedschaft der Kammern würde abgeschafft, die Verwaltung stark verschlankt werden. Die Arbeiterkammer müsste so manche Zahlen-Trickserei rechtfertigen, die Wirtschaftskammer sich dem Effizienz-Wettbewerb mit der Industriellenvereinigung stellen.

• Ganztagesschulen und Krabbelstuben würden junge Eltern entlasten – übrigens die einzige nachgewiesene Möglichkeit, die Geburtenrate (endlich) aus dem Keller zu kriegen.

• Die Universitäten würden künftig – so wie ihr Personal – leistungsabhängig (nach privaten Forschungsprojekten) bezahlt werden. Dem akademischen Mittelmaß würde der Kampf angesagt werden. Die Christian Felbers, die an den (Wirtschafts-)Universitäten Kapitalismus und Konzernallmacht bekämpfen, wird man künftig fragen, ob ein Fächerbündelstudium aus Soziologie, Philosophie und Spanisch sie dazu genügend qualifiziert.

Attac: „Grüne, Kirche, Sozialismus“

Gegen die heutigen anti-liberalen Tendenzen von Kirche, Sozialismus und Grünen („salopp formuliert: Attac“) postulieren die Neos herzerfrischend „Wettbewerb“ als neue Tugend.

Während die „Gemeinwohl-Ökonomie“ Felbers („Attac“) den Wettbewerb ausschalten, Börsen und Märkte schließen, die Wirtschaft verstaatlichen und Rohstoffpreise (wie im sowjetischen COMECON) wieder von Politikern aushandeln lassen möchte, gibt es hier plötzlich jemanden, der sich mit Geschichte befasst haben dürfte. Und der sich erinnern kann, dass die wettbewerbsfreie DDR nur Trabis schaffen konnte – die kapitalistische BRD hingegen VW Golfs (und so nebenbei ein um 8 Jahre längeres Leben).

„Österreich neo“ ab 2018

Die Bedeutung der Neos kann nur als Mehrheitsbeschaffer einer Dreierkoalition bestehen. Hätte man einmal 10% erreicht (und „Stronach“ ein BZÖ-Schicksal ereilt), wäre 2018 gemeinsam mit den Grünen sowohl mit der SPÖ als auch mit der ÖVP eine Koalition möglich.
Unzählige Mal wurden ÖVP-Regierungen vom Boulevard schon abgewatscht, wenn sie schon nur an das Pensionen-Thema dachten. Kritisch auch der Druck vom Inneren der ÖVP – sind die eigenen Pensionisten neben Bauern doch die letzte homogene Wählergruppe.  Mit den NEOS wäre dies egal. Der geballte (und geschürte) Unmut würde nur die Neos treffen. Denen es wiederum egal sein kann – rekrutiert sich ihre Klientel aus jungen, (hoch-)gebildeten und optimistisch eingestellten Städtern.

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt freilich: Der engagierte Querdenker und marktliberale Gastronom aus Salzburg, Sepp Schellhorn, wurde „Opfer“ des „Zwei-Parteien-Übereinkommens“: Sein Nationalrats-Sessel ging an Michael Pock vom Liberalen Forum. Künftig wird man so etwas vermeiden müssen, nicht umsonst werden LIF und Neos fusionieren.

Wenn man sich an die ungeschriebene FDP-Formel hält, „3 Teile markt- und 1 Teil sozial-liberal“, dann könnten die heutigen 5% der Kleinpartei das Land stärker verändern als die 50% der beiden „Großen“ in den letzten Dekaden.

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