Donnerstag, 18. April 2024
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Müssen Mönche als Rechtsanwälte zugelassen werden? Von der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte bis zu den Berufs- und Standesregeln

Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)

Manche Fallkonstellationen mit europarechtlicher Relevanz sind des Öfteren so außergewöhnlich ausgestaltet, dass man sich eigentlich schwer täte, sie frei zu erfinden. Dazu gehört neuerdings die Frage, ob die Eintragung eines Mönchs als Rechtsanwalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, verhindert werden kann, oder nicht. Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des griechischen „Staatsrats“ wurde der Gerichtshof (EuGH) der EU mit dieser ganz und gar nicht alltäglichen Frage befasst, hat aber bisher dazu noch kein Urteil erlassen. Was allerdings bereits vorgelegt wurde, sind die Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston, die diese Mitte Dezember 2018 veröffentlicht hat.[1] Da der EuGH in seinen Urteilen nur sehr selten von den Schlussanträgen des jeweiligen Generalanwalts abweicht, ist mit einer ähnlichen Entscheidung des Gerichtshofs zu rechnen. Daher sollen die Schlussanträge anschließend kurz dargestellt und kommentiert werden.

Einführung

Monachos Eirinaios ist ein Mönch in einem griechischen Kloster, nämlich im Heiligen Kloster von Petra in Karditsa, der aber gegenwärtig auf der griechischen Insel Zakynthos stationiert ist. Er ist auch ein ausgebildeter Rechtsanwalt, der sich am 11. Dezember 2014 aber in die Liste der Rechtsanwälte von Zypern eintragen ließ, da nach griechischem Staatskirchenrecht Geistliche oder Mönche nicht in die nationale Rechtsanwaltsliste eingetragen werden können. Daher wählte der griechische Mönch eine „Umwegskonstruktion“ und ließ sich zunächst in die zypriotische Rechtsanwaltsliste eintragen, um danach als dort bereits eingetragener Rechtsanwalt Aufnahme auch in die griechische Anwaltsliste zu begehren. Am 12. Juni 2015 beantragte Monachos Eirinaios bei der Rechtsanwaltskammer von Athen, als ein Rechtsanwalt eingetragen zu werden, der seine Berufsbezeichnung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Zypern, erworben hat. Am 18. Juni 2015 lehnte der Verwaltungsrat der Rechtsanwaltskammer von Athen seinen Antrag ab, wobei er sich auf Art. 8 Abs. 1 des Präsidialdekrets 152/2000[2] stützte, wonach die nationalen Vorschriften über Inkompatibilitäten – insbesondere der Umstand, Geistlicher oder Mönch zu sein – auch auf Rechtsanwälte Anwendung finden, die ihre Tätigkeit in Griechenland unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung  ausüben wollen.

Am 29. September 2015 legte Monachos Eirinaios vor dem griechischen „Staatsrat“ ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung des Verwaltungsrats der griechischen Rechtsanwaltskammer ein. In diesem Zusammenhang wies der „Staatsrat“ darauf hin, dass die für griechische Rechtsanwälte geltenden Berufs- und Standesregeln es Mönchen nicht erlauben, als Rechtsanwalt tätig zu sein, und zwar aus Gründen, wie denen, die von der Rechtsanwaltskammer von Athen bereits angeführt wurden, nämlich das Fehlen von Garantien hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, Zweifeln, ob sie sich vollständig ihren Aufgaben widmen und streitige Fälle bearbeiten können, das Erfordernis einer tatsächlichen, nicht fiktiven Niederlassung im geographischen Bezirk des maßgeblichen erstinstanzlichen Gerichts und die Verpflichtung, Dienstleistungen nicht unentgeltlich zu erbringen. Der „Staatsrat“ wies darüber hinaus aber auch auf seine eigene Judikatur hin, gemäß derer die frühere Vorschrift des Rechtsanwaltskodex, wonach Geistliche keine Rechtsanwälte werden durften, nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz oder die Freiheit der Berufs- und Beschäftigungsausübung verstoße. Erstens setze das öffentliche Interesse voraus, dass sich ein Rechtsanwalt ausschließlich seinen Aufgaben widme, und zweitens bringe die Tätigkeit als Rechtsanwalt die Bearbeitung von Streitigkeiten mit sich, was mit der Stellung eines Geistlichen unvereinbar sei.

Vor diesem Hintergrund ersucht der „Staatsrat“ den EuGH um eine Vorabentscheidung zu der Frage, ob die Eintragung von Monachos Eirinaios in die griechische Rechtsanwaltsliste mit der Begründung abgelehnt werden kann, dass ein Mönch der Kirche von Griechenland nach nationalem Recht deswegen nicht eintragungsfähig ist, weil er aufgrund seiner Stellung als Person, die klösterlichen Regeln unterliegt, bestimmte für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderliche Garantien nicht bietet.

Anwendbares Recht

In der gegenständlichen Rechtssache sind nicht nur die Vorschriften über die Eintragung in die Rechtsanwaltsliste und die Berufs- und Standesregeln für Anwälte auseinanderzuhalten, sondern auch die verschiedenen Richtlinien, die für die jeweils unterschiedlichen Aspekte des breiten  Tätigkeitsspektrums eines Rechtsanwalts gelten. Dabei sind neben den nationalen, griechischen Vorschriften, vor allem die unionsrechtlichen Regelungen im Binnenmarkt der EU zu beachten.

Nationales griechisches Recht

Art. 5 Abs. 1 des Präsidialdekrets 152/2000[3], das die Richtlinie 98/5[4] in griechisches Recht umgesetzt hat, sieht vor, dass der zuziehende Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer, in deren Bezirk er seine Berufstätigkeit ausüben wird, eingetragen sein und ein Büro in diesem geografischen Bezirk unterhalten muss. Außerdem sieht Art. 8 Abs. 1 vor, dass dieser den gleichen Berufs- und Standesregeln unterliegt, wie griechische Rechtsanwälte.

Ergänzend dazu enthält Art. 6 des Gesetzes 4194/2013 („Rechtsanwaltskodex“) vier Hinderungsgründe für die Ausübung des Amtes eines Rechtsanwalts, und zwar unter anderem auch den, nicht die Stellung eines Geistlichen oder Mönchs zu bekleiden. Sollte dieser Status von einem Rechtsanwalt später erlangt werden, würde dieser gem. Art.7 Abs. 1 ipso iure die Stellung eines Rechtsanwalts verlieren.

Das Gesetz 590/1977 über das Statut der Kirche von Griechenland wiederum sieht in seinem Art. 39 vor, dass Klöster religiöse Einrichtungen sind, in denen die Mönche und Ordensfrauen nach klösterlichen Gelübden und nach den heiligen Regeln und Traditionen der Orthodoxen Kirche über das klösterliche Leben ein enthaltsames Leben führen.

Das Gesetz 3414/1909 über den allgemeinen Kirchenfonds und die Verwaltung der Klöster sieht in Art. 18 vor, dass das gesamte Eigentum einer Person, die sich den klösterlichen Regeln unterwirft,   mit Ausnahme des Anteils, der nach dem Erbrecht Erben vorbehalten ist, auf das Kloster übergeht.

Unionsrechtliche Bestimmungen

Im Schoß der EU enthalten eine Reihe von Bestimmungen spezielle Bezüge zum Beruf des Rechtsanwalts. So behandelt die Richtlinie 2005/36/EG[5] die Anerkennung von Berufsqualifikationen, während die Richtlinie 77/249/EWG[6] die Erbringung von Dienstleistungen durch Rechtsanwälte betrifft. Die Richtlinie 2006/123/EG[7] betrifft einen weiten Bereich von Tätigkeiten innerhalb des Binnenmarktes, einschließlich der Erbringung von Rechtsberatungen im Zusammenhang sowohl mit der Niederlassung, als auch der Erbringung von Dienstleistungen. Die Richtlinie 98/5[8] wiederum gilt für Rechtsanwälte, die ihre Tätigkeit auf Dauer im Aufnahmestaat ausüben möchten.

Das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht betrifft in concreto die Weigerung der griechischen Rechtsanwaltskammer, einen Rechtsanwalt einzutragen, der seine Berufsqualifikationen in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworben hat. Dementsprechend ist der Gegenstand der Vorlagefrage die Niederlassung als Rechtsanwalt und nicht die Freiheit, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, sodass allein die Richtlinie 98/5 als einschlägig zu betrachten ist. Allerdings ist die Richtlinie 98/5 eine „hybride Richtlinie“, die die Niederlassungsfreiheit zuziehender Rechtsanwälte behandelt, die ihre Tätigkeit unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ausüben möchten, und die zu diesem Zweck bestimmte Aspekte harmonisiert, während sie den Mitgliedstaaten für andere Aspekte ein hohes Maß an Autonomie belässt. Daraus ergibt sich ein inhärentes Potential für Spannungen zwischen der Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit (Art. 3) und den Regeln für die Ausübung dieser Tätigkeit (Art. 6).[9]

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5[10] betrifft ausschließlich die Eintragung zuziehender Rechtsanwälte, auf die gleichsam ein automatischer Anspruch besteht, wenn der Antragsteller den Nachweis seiner Eintragung bei der zuständigen Stelle in seinem Herkunftsstaat erbringt. Dementsprechend stellen die Schlussanträge – unter Verweis auf zwei einschlägige Vorjudikate des Gerichtshofs[11] – auch fest, dass die Mitgliedstaaten kein Ermessen haben, für die Eintragung zuziehender Rechtsanwälte unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung zusätzliche Anforderungen einzuführen. Damit steht für die Frage der Eintragung in die Rechtsanwaltsliste fest, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/5 die Einführung einer zusätzlichen Bedingung – wie derjenigen, kein Geistlicher oder Mönch zu sein – für die Eintragung eines Rechtsanwalts unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung verbietet.[12]

Was hingegen die Frage der Einhaltung der Berufs- und Standesregeln betrifft, so hat der Gerichtshof in der Rechtssache Jakubowska[13] entschieden, dass die Berufs- und Standesregeln – anders als die Vorschriften über die Eintragungsvoraussetzungen – nicht harmonisiert wurden, und daher erheblich von den Vorschriften abweichen können, die im Herkunftsstaat gelten. Somit ist die Tatsache, dass bestimmte Berufs- und Standesregeln strenger sind, als solche nicht zu beanstanden, sie dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist. Dementsprechend müssen die von den nationalen Rechtsvorschriften verfolgten Ziele zunächst identifiziert und danach auf ihre „Ziel-Mittel – Adäquanz“ überprüft werden.

Ohne dieser komplexen Prüfung, die vom vorlegenden griechischen Gericht vorzunehmen ist, vorgreifen zu wollen, kommen die Schlussanträge zu der grundsätzlichen Aussage, dass Art. 6 der Richtlinie 98/5 einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, einer Person, die für eine Eintragung nach Art. 3 qualifiziert ist, automatisch die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung mit der Begründung zu verweigern, dass sie sich als Person, die ein Gelübde religiösen Gehorsams abgelegt habe, per definitionem nicht in der Weise verhalten könne, die erforderlich sei, um die zur Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit notwendigen Garantien zu bieten.[14]

Schlussbetrachtungen

Den Schlussanträgen der Generalanwältin ist insoweit beizupflichten, als dass eine automatische Disqualifikation eines Mönches – unter der Annahme, dass dieser aufgrund seiner klösterlichen Gelübde und Verhaltensregeln die Berufs- und Standesregeln eines Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht einhalten könne – als Rechtsanwalt tätig werden zu können, nicht zulässig erscheint. In einem ihrer zwei fiktiven Beispiele, die die Generalanwältin am Ende ihrer Schlussanträge selbst anführt, setzt sich der Mönch nämlich mit seinen Kirchenoberen ins Einvernehmen und bekommt von diesen die Zusage, für seine anwaltschaftliche Tätigkeit von seinen Verpflichtungen im Kloster entsprechend befreit zu werden. Auch werde dessen berufliche Unabhängigkeit strikt beachtet.

Interessanterweise setzen sich die Schlussanträge aber nicht mit der ebenso grundlegenden Frage auseinander, ob nicht unter Umständen nicht so sehr profane – wie zB die Freistellung von klösterlichen Präsenzpflichten während der Prozessdauer – sondern vielmehr klerikale Hemmnisse für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch einen Mönch bestehen, der ja einem klösterlichen Lebenswandel (conversatio morum) unterworfen ist und eine Reihe von Gelübden abgelegt hat, von denen ihn seine Kirchenoberen nicht so ohne weiteres entbinden können. Auch hat er den Dekalog konsequenter zu beachten als seine „profanen“ Rechtsanwaltskollegen, sodass sich allein schon daraus die grundlegende Frage ergibt, wie zB ein Mönch in seiner rechtsanwaltschaftlichen Praxis bei der Bearbeitung von Streitigkeiten mit einander widersprechenden Behauptungen mit einer von ihm als Beschönigung oder sogar als Lüge erkannten Aussage seines Mandanten umzugehen hat. Kann er sie, als eine strikter der Wahrheit verpflichtete Person, bewusst zugunsten seines Mandanten einsetzen, um diesen zu entlasten bzw. eine für ihn günstigere Rechtsposition zu erzielen, oder darf er das nicht?

Dem in Kürze zu erwartenden Urteil des EuGH ist unter diesen Umständen mit großem Interesse entgegenzusehen.

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[1] Schlussanträge von Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 19. Dezember 2018 in der Rs. C-431/17, Monachos Eirinaios gegen Dikigorikos Syllogos Athinon.

[2] Präsidialdekret 152/2000 zur Erleichterung der Ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch Rechtsanwälte in Griechenland, die ihre Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworben haben.

[3] Fn. 2.

[4] Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. 1998, L 77, S. 36 ff.).

[5] Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. 2005, L 255, S. 22 ff.).

[6] Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. 1977, L 78, S. 17 ff. idF ABl. 2013, L 158, S. 368 ff.).

[7] Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36 ff.).

[8] Fn. 4.

[9] Schlussanträge (Fn. 1), Rdnr. 49.

[10] Fn. 2.

[11] EuGH, Rs. C-506/04, Wilson, Urteil vom 19. September 2006, Rdnr. 77 (EU:C:2006:587); EuGH, Rs. C-58/13 und C-59/13, Torresi, Urteil vom 17. Juli 2014, Rdnr. 9, 40 (EU:C:2014:2088).

[12] Schlussanträge (Fn. 1), Rdnr. 61 f.

[13] EuGH, Rs. C-225/09, Jakubowska, Urteil vom 2. Dezember 2010, Rdnr. 57 (EU:C:2010:729).

[14] Schlussanträge (Fn. 1), Rdnr. 79.

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