Donnerstag, 18. April 2024
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Ludwig Scharinger: „Kärntner Hypo braucht mehr Ruhe und weniger Zurufer“

Auch eineinhalb Jahre nach seiner Pensionierung ist der langjährige Chef der Raiffeisenlandesbank OÖ, Ludwig Scharinger, bestens vernetzt und zieht viele Fäden in der heimischen Wirtschaft. EU-Infothek sprach mit ihm über die Hypo Alpe Adria und über die Finanz- und Schuldenkrise in Europa.

[[image1]]Die EU-Kommission hat heuer  bei der Sanierung der Kärntner Hypo, bei der Sie seit einigen Wochen im Aufsichtsrat sitzen,  gehörig Druck gemacht. Zu recht?

Das kann man aus mehreren Warten betrachten. Ich habe den Eindruck, dass man in der Vergangenheit zu wenig Rücksicht genommen hat, dass die Bank notverstaatlicht wurde. Denn es gibt in der EU gewisse Usancen, die einzuhalten sind.

Wurde von österreichischer Seite zu wenig darauf Rücksicht genommen?

Ja, aber vor allem aus Sicht der Bank heraus und nicht aus der Sicht des Finanzministeriums. Daraufhin ist die EU-Kommission direkter und heftiger geworden. Ob diese Heftigkeit dann noch so notwendig war, ist fraglich. Die EU-Kommission ist dann ungeduldig geworden. Aber ich habe den Eindruck, dass ein ordentliches Restrukturierungspaket abgegeben worden ist. Ich gehe davon aus, dass die Kommission damit das erreicht hat, was sie erreichen wollte. Die EU-Kommission hat ja auch negative Erfahrungen,  man denke etwa an die WestLB oder an einige britische Banken.

Hat die EU-Kommission alle notverstaatlichten Banken gleich behandelt?

Ich glaube nicht, dass die Hypo Alpe Adria ein Einzelfall ist und an hier besonders auf sie losgegangen worden ist. Ich bin davon überzeugt, dass diese Causa jetzt auf richtigen Gleisen ist, die Hypo wird jetzt neu strukturiert und zum Teil abgewickelt.

In die Sanierung der Kärntner Hypo sind bis dato 3,7 Mrd. Euro an Steuergeld geflossen. War die Notverstaatlichung im Nachhinein gesehen richtig?

Das ist sicher ein Thema. Wenn an vor der Notverstaatlichung steht, beurteilt an es anders als im Nachhinein. Ich erinnere mich noch genau, wie es dazu gekommen ist. Auf einmal gab es  in Österreich, wo alles ordentlich läuft, eine gefährdete Bank,  obwohl die Bayrische Landesbank mehrheitlich beteiligt war. Und der Mehrheitseigentümer muss sich eigentlich ordentlich um die Bank kümmern.

Hätte man härter gegenüber der BayernLB auftreten sollen?

Das ist immer schwierig bei einer Bank, die im Retailgeschäft tätig ist und Sparer hat. Man muss sehr aufpassen, dass man sie möglichst schnell aus der Diskussion herausbringt, weil sonst die Sparer nervös werden. Vor einer solchen Situation steht man dann – das gilt für die Bankenaufsicht, die Nationalbank und natürlich auch für das Finanzministerium. So haben sich  damals bei der BAWAG-Krise bis zum damaligen Bundeskanzler alle hingestellt und Einzahlungen getätigt, um Sicherheit zu signalisieren. Die Sparer brauchen Vertrauen. Die Expansion der Hypo Alpe Adria nach Südosteuropa hat bis Mitte 2008 ganz gut funktioniert, aber dann kam die Lehman-Pleite. Dann waren alle total verunsichert und die ganze Expansion kam zum Stillstand. Mit dieser krisenhaften Destabilisierung hat niemand gerechnet, auch die Amerikaner waren überrascht.

Wie sind die Aussichten für die Kärntner Hypo?

Das Restrukturierungskonzept befindet sich bei der EU und ich gehe aus, dass es rundherum Akzeptanz findet. Was die Bank braucht, ist mehr Ruhe und weniger Zurufer von außen. Bei einer Bank muss man behutsam vorgehen.

Laut einer Untersuchung des Wifo haben die europäischen Banken die Finanzkrise mit riskanten Transaktion maßgeblich ausgelöst. Stimmen Sie dem zu?

Das stimmt so nicht. Mit der Öffnung in Europa 1989 gab es ein massives Drängen der österreichischen Wirtschaft in Richtung Osteuropa. Beim Export gibt es einen gewaltigen Finanzierungsbedarf, wobei niemand gesagt hat, dass dabei die Banken nicht mithelfen dürfen. Damit die heimischen Firmen in Osteuropa Fuß fassen konnte, mussten die österreichischen Banken sie stärker finanzieren als andere Banken. Wenn man österreichische Firmen in diese Märkte begleitet, muss man investieren.

Verunsicherung als Wurzel des Übels

Hat Ihrer Ansicht nach die EU-Kommission die Schulden- und Finanzkrise in Europa in Griff, oder sind noch Hausaufgaben zu erledigen?

Die ganzen Finanzprobleme sind zurückzuführen auf eine gewisse Uneinigkeit in der EU. Dies fängt mit der Nord-Süd-Diskussion und der Tatsache an, dass 80 Prozent der Engländer gar nicht bei der EU sein wollen. Dazu kommt, dass es nicht so sehr eine Geld- und Kapitalmarktkrise ist, sondern eine Verunsicherungskrise. Die Lehmann-Pleite hat alle geschockt, und wenn Leute schockiert sind, wirkt das verunsichernd. Es wird aber besser, die EZB macht eine vernünftige Politik, indem sie ausreichend mit Geld versorgt und darauf achtet, dass das Zinsniveau niedrig bleibt, was für Beruhigung bei Investitionen sorgt. Wir sind vernünftig unterwegs.

Viele Experten meinen aber, dass die die EU-Länder noch stärker zusammenwachsen müssen – Stichwort EU-Finanzminister?

Das ist immer eine Frage der politischen Machbarkeit. Solange die einzelnen EU-Mitglieder nicht bereit sind, Kompetenzen in Richtung Brüssel abzugeben, solange wird hier nicht viel gehen. Die einzelnen Länder wollen wenig aufgeben und sich eher  von Fall zu Fall einigen. Viele Dinge wird man regulieren müssen, vor allem im derivativen Bereich. Wenn zu sehr spekuliert wird, sorgt das für Verunsicherung. Die reine Spekulation schafft keinen Mehrwert.

Es gibt nicht nur in Österreich etliche Menschen, die sich eine Rückkehr zur nationalen Währung wünschen. Was halten Sie diesen entgegen?

Davon halte ich gar nichts. Ich glaube, es wäre uns ganz schlecht bekommen, hätten wir den Euro nicht gehabt. Die EU soll so dezentral wie möglich sein und nur so zentral wie unbedingt notwendig sein. Die Klammer wird nie die Politik alleine sein können, sondern am stärksten der Euro. Ich bin für die Zukunft optimistisch, wobei in der Politik charismatische Persönlichkeiten notwendig sind, die stabil wirken. Ich hoffe daher, dass Angela Merkel aus der Wahl gestärkt hervorgeht.

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