Dienstag, 19. März 2024
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Konzerne auf der Anklagebank: Wie „bös´“ ist Microsoft?

Für Globalisierungskritiker wie Jean Ziegler oder Christian Felber scheinen Konzerne wie Microsoft die Ausgeburt des Bösen zu sein. Sie sollen Märkte und Konsumenten manipulieren und bei jeder sich bietenden Gelegenheit Jobs abbauen. Eine differenzierte Analyse.

[[image1]]„Wenn eine kleine Softwareschmiede kreativer ist als Microsoft, wird sie geschluckt“, klagt Christian Felber (Attac Österreich) pessimistisch über das vermutete Herrschaftsstreben des Konzerns. Doch geht davon die Welt nicht unter. Viele junge Unternehmer warten geradezu auf den Anruf aus Amerika (und die damit verbundenen Millionen).

Wenn Unternehmer nicht an Gates verkaufen wollen, dann müssen sie es auch nicht. Larry Page und Sergei Brin von Google verkauften nicht an Microsoft und sind heute stark wie nie zuvor. Marc Zuckerberg von Facebook blieb alleine und auch die Software-Schmiede SAP – heute Europas größter EDV-Konzern.

Microsoft: Groß durch Wettbewerbsmanipulation?

Tatsächlich hatte die EU-Kommission bereits 2008 ein Zwangsgeld von 900 Millionen Euro gegen Microsoft verhängt, damals wegen zu hoher Lizenzgebühren für technische Informationen. Und im März dieses Jahres riss EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia der Geduldsfaden: Weil Microsoft den Nutzern des Betriebssystems Windows 7 neben dem hauseigenen Internet Explorer keine Browser der Konkurrenz anbietet, verdonnerte er den US-Konzern zur Zahlung von 561 Millionen Euro. Damit haben die Kalifornier (vor allem in der Browser-Sache) bereits über 2 Mrd. Euro an Strafgeldern nach Brüssel abgeliefert.

Microsoft-Produkte zu teuer?

Der Vorwurf von Globalisierungskritikern, Microsoft hätte durch zu teure Produkte die Kaufkraft seiner Kunden beschnitten, ist hingegen unhaltbar. Im Gegenteil: Preisbereinigt wurden Betriebssysteme und Office-Pakete fast immer billiger − obwohl sie gleichzeitig um ein Vielfaches leistungsfähiger geworden waren als ihre jeweiligen Vorgänger. Kostete Windows 2.x im Jahre 1986 noch 326 Dollar[1], waren für Windows 98 nur mehr 267 Dollar hinzublättern. Windows 7 gab es für 120 Dollar, das neue Windows 8 für 99,99.

Was die Frage aufwirft, ob es der Konzern auch so an die Spitze geschafft hätte. Eher schon, denn viele Microsoft-Erfindungen – wie das erste praxistaugliche Betriebssystem für Personal Computer – waren weltweit einzigartig.

In Wahrheit bekamen Microsofts Kunden immer mehr Leistung für immer weniger Geld. Und die Volkswirtschaften (und damit die Realeinkommen von Millionen Bürger) erfuhren durch die digitale Effizienzsteigerung ihrer Ökonomien Wohlfahrtsgewinne von vielen 100 Milliarden Dollar.

Ziegler: Konzernwachstum ohne Jobs

Jean Ziegler, selbsternannter „Kommunist im Marx´schen Sinne“[2], wirft Microsoft vor, in seinen Safes „einen Schatz von 60 Milliarden Dollar“ zu horten. „Seit Anfang 2004 wächst er monatlich um eine Milliarde Dollar “. Zieglers Lösung: Die „Kosmokraten“ sollten einfach ihre Preise senken, die Löhne erhöhen, neue Arbeitsplätze schaffen oder Projekte in der südlichen Hemisphäre unterstützen.

Stattdessen würden die Konzerne Jobs abbauen, die Löhne senken und auf dem Rücken Lohnabhängiger Fusionen durchführen. Zumindest in Zieglers Welt.

In der anderen hatte der US-Konzern mit zwei kurzfristigen Ausnahme (1995 und 2010 – „Finanzkrise“) seit Bestehen ununterbrochen jährlich neue Jobs geschaffen und den Mitarbeiterstand vermehrt. Und Lohnsenkungen sind im Konzern bisher unbekannt geblieben.

Ziegler suggeriert, dass Microsoft (seit 2004) Monat für Monat eine Milliarde Dollar Kapital anhäuft. Damals hatte Microsoft 60 Milliarden auf der hohen Kante, heute sind es aber „nur“ mehr 53 Milliarden. Pessimistische Szenarien, einzelne Firmen würden unkontrolliert die Schätze dieser Welt aufeinandertürmen, gehören zum Repertoire kommunistischer Agitation. Und sind allesamt – vorsichtig formuliert – nicht eingetroffen.

Ziegler: Weltverschwörung US-Konzerne?

Bei „transkontinentalen kapitalistische Gesellschaften (wie Microsoft) wittert Ziegler die Weltverschwörung. Sie würden „mit ihren eigenen Spionage- und Gegenspionagediensten die Hauptquartiere konkurrierender Kosmokraten ausspionieren“ − ohne sich freilich mit Kleinigkeiten wie wissenschaftlichen Beweisen aufzuhalten. Auch nicht nötig, wenn in Europa etwas nach Verschwörung klingt, dann taugt es für den Mainstream – Fragen stellt da keiner.

Dabei in all den Jahren des Microsofts Aufstieges vielen unabhängigen Computerfirmen – trotz der „Unterwanderungsaktivitäten“ Microsofts – die Markteinführung von Konkurrenzprodukten gelungen. Viele sind sogar noch kostenfrei und Microsoft-kompatibel[3].

Zum Beispiel gibt es das Konkurrenzprodukt zu Microsofts „Internet Explorer“, den Webbrowser „Firefox“, gratis und franko. Genauso gratis auch das Konkurrenzprodukt zu Microsoft Office, „Open Office“ oder das direkte Konkurrenzprodukt zu „Windows“, „Linux“. Mittlerweile ist Firefox sogar zum erfolgreichsten Browser Deutschlands avanciert, sein Marktanteil liegt mit 46% weit vor dem „Internet Explorer“ von Microsoft mit 30%. Bill Gates hat es nicht verhindern können (oder wollen?).

Vorbild-Kapitalist

Dabei hat die viele Konkurrenz Microsoft nicht geschadet. Obwohl die Softwarepreise sinken, verdient der EDV-Konzern prächtig. Jährlich produziert man neue High Tech-Güter für 90 Milliarden Dollar, erwirtschaftet Rekordgehälter für 40.000 Ingenieure (und deren Familien) und erwirtschaftet alleine an Ertragssteuern 5 Milliarden Dollar.

Und statt wie üblich 40 Prozent schüttet man bei Microsoft nur 23% des Gewinnes aus, der Rest verbleibt im Unternehmen (darum auch die hohen Barmittel). Forderten Globalisierungskritiker nicht gerne die Reduktion von Ausschüttungsquoten?

Sein Vermögen hat Bill Gates ohnehin längst seiner Stiftung versprochen. Bis auf zehn Millionen Dollar für jeden seiner drei Söhne werden insgesamt über 50 Milliarden Dollar an wohltätige Zwecke gehen.

So wie Amerika eine Re-Industrialisierung braucht, so bedarf es in Europa einer Re-Aufklärung – im Bereich der Wirtschaftsbildung seiner Bevölkerung.

Oder wollen wir uns noch in 100 Jahren das Leben mit Verschwörungstheorien erklären?


[1] Kaufkraftbereinigt nach CPI-U, Bureau of Labor Statistics, Basis 1982 = 100

[2] „Marx, wir brauchen Dich“, Jean Ziegler, 1992

[3] Ausnahme StarOffice von „Sun“

 

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