Donnerstag, 25. April 2024
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Kommissar Katainen und seine heikle Mission

Großartig aufzufallen und spektakulär in Erscheinung zu treten, so etwas hat für Jean-Claude Juncker gewiss nicht Priorität Nummer Eins.  Der neue Kommissionspräsident agiert am liebsten mit dezenter Zurück-haltung, und im Grunde genommen schaffte er in vier Monaten Amtszeit bloß einen einzigen starken Auftritt – als er nämlich am 26. November das 315 Milliarden Euro schwere Investitionspaket der EU präsentiert hat.

Obwohl sich damals gar nicht so wenige Kritiker skeptisch zeigten und sein Konzept beispielsweise als „Juncker-Voodoo gegen die Mega-Depression“ bezeichneten, war dem EU-Präsidenten kurzfristig eine breite Aufmerksamkeit sicher: Immerhin hat er im Stile eines großen Strategen angekündigt, die schwächelnde Konjunktur in Europa ankurbeln, die Flaute bei Investitionen beenden und bis zu 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze möglich machen zu wollen.

Seine Kernidee besteht darin, mit einem ehrgeizigen Investitionsschub insbesonders in den Bereichen Energie, Bildung, Forschung und Innovation für frischen Wind zu sorgen. Der neue „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ (EFSI) stellt rund 21 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und der Europäischen Investitionsbank bereit, die einen Multiplikatoreneffekt von 1:15 bringen sollen, weil jeder Euro aus öffentlichen Mitteln private Investitionen von 15 Euro generieren könnte  – wird in Brüssel zumindest erhofft. Vor allem die nationalen Regierungen  und ihre staatsnahen Spezialinstitute sind aufgerufen, sich dabei kräftig  zu engagieren und trotz  ständiger  Budget- und Schuldenprobleme mitzuhelfen, den jahrelangen Investitionsstau allmählich wieder  aufzulösen und die trostlose Stagnation zu bekämpfen.

EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen, in Brüssel  für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständig, muss nunmehr dafür sorgen, dass aus dem Juncker-Plan auch etwas wird. Der Finne jettet seit Monaten auf seiner Roadshow durch die Mitgliedsländer, wobei es darum geht, dass bei seinen Kontaktgesprächen mit hochrangigen Politikern und Experten bzw. bei vielen Firmenbesuchen auch etwas halbwegs Konkretes rauskommt – mehr jedenfalls als der übliche Small-talk ohne Folgen. Katainen hat seine Tour d‘Europe in Rumänien gestartet und im heurigen Jahr bereits Italien, Deutschland, Kroatien, Tschechien und Spanien besucht. Die nächsten Visiten führen ihn im März nach Finnland, Frankreich, Portugal und Zypern. Österreich ist im Juni an der Reihe, Polen kommt im Oktober als Schlusslicht dran.

Angst vor Renditehaien

Im Prinzip sieht Katainens Mission relativ einfach aus, weil eine EU-Task Force on Investment im Dezember europaweit immerhin rund 2.000 mögliche Projekte identifiziert hat, die 1,3 Billionen Euro verschlingen würden. Dabei handelt es sich überwiegend um größere Investitionen in die Infrastruktur, also um Vorhaben speziell im Telekommunikations-, Verkehrs- und Energiebereich, aber auch KMU mit mittlerer Kapitalausstattung sollen nicht zu kurz kommen. Die ersten Projekte kleinerer Firmen, um die sich vorrangig die Europäische Investitionsbank kümmert, sollen noch vor dem Sommer gestartet werden. Die Pipeline ist jedenfalls prall gefüllt, und jetzt muss es letztlich darum gehen, private Investitionen mit attraktiven Projekten zusammenzubringen. Und genau das macht die Sache in der Praxis so schwierig, weil es da sofort mit den EU-spezifischen Eifersüchteleien, Quertreibereien und Eigenbröteleien  losgeht.

Obwohl EFSI im Herbst bereit sein wird, die ersten Gelder zu verteilen, und bis dahin auch ein Projekt-Portal vorhanden ist, das Investoren die nötige Transparenz garantiert, muss mit Anlaufschwierigkeiten gerechnet werden: Am allermeisten wurmt es die Regierungen, dass sie nicht entscheiden dürfen, welche Projekte künftig wie sehr unterstützt werden sollen – das wird nämlich die Kommission in Kooperation mit der Investitionsbank erledigen. Das bedeutet schon mal, dass beileibe nicht alle EU-Mitgliedsländer das Projekt unterstützen werden, indem sie an einem Strang ziehen. Schon jetzt ist ziemlich klar, dass das Interesse am Juncker-Plan sehr unterschiedlich ausgeprägt ist: Die spanische Regierung etwa hat Ende Februar angekündigt, dass ihr Instituto de Crédito Oficial (ICO) 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen werden. Für Katainen das zweitgrößte Erfolgserlebnis in den jüngsten Wochen: Ein paar Wochen zuvor hatte sich die deutsche Förderbank KfW in Frankfurt bereit erklärt, acht Milliarden Euro aufzustellen. Und damit einen Beitrag zu leisten, dass der Stillstand in Europa in Investitionen nicht mehr so arg bremst.

Freilich: Aus den anderen Staaten, die der Kommissar schon besucht hat, waren nicht so großzügige Ansagen zu vernehmen, weil die dortigen Regierungen bevorzugt Ausgaben zu kürzen und Schulden abzubauen bestrebt sind. Das strategische Denken war, sobald es um die gemeinsame Sache geht, für EU-Politiker schon immer ein gravierendes Problem. Und immer wenn Brüssel in wichtigen Sachfragen den Takt vorgeben möchte, legen sich die nationalen Häuptlinge gerne quer, weil sie sich bevormundet fühlen. Daher wird es auch ziemlich schwierig sein, das an sich gute und richtige Investitionspaket möglichst rasch und effizient zu realisieren. Die Bedenken, dass beispielsweise der Fonds privaten Investoren faktisch risikolose Gewinne zuschanzen könnte, die Steuerzahler jedoch haften müssen, sind längst nicht mehr zu überhören. Und speziell aus Europas Links- und Grün-Parteien ist eine beträchtliche Abscheu vor privaten Renditehaien zu vernehmen, die sich bei geplanten Investitionen in die Infrastruktur eiskalt bedienen würden. Kurzum: Kommissar Katainen hat in den kommenden Monaten noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten, um das Mega-Projekt auf die Reihe zu bringen…

 

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