Freitag, 29. März 2024
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Gelingt ein sozialeres Europa?

Die Gewerkschaft kann dem Europa von heute nur wenig abgewinnen. Umso skeptischer begegnet diese den aktuellen Entwicklungen. Das Friedensprojekt ist zu einer reinen Wirtschafts- und Währungsunion mutiert. Die Menschen brauchen eine Sozialunion. Jugendarbeitslosigkeit ist nur ein Problem. Was bringt der bevorstehende Gipfel?

[[image1]]Wende erwarten wir keine. Die einleitenden Worte der gemeinsamen Diskussionsrunde der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik und des ÖGB lassen deutlich erkennen, dass der momentane Kurs der Europäischen Union nicht unbedingt geeignet ist, das Vertrauen der Bürger zu stärken. Bundeskanzler Werner Faymann, Erich Foglar, Präsident des österreichischen Gewerkschaftsbundes, Joaquín Almunia und Bernadette Ségol, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschafsbundes philosophieren gemeinsam mit Karl Aiginger, WIFO über das Projekt Europa im Umbruch. Die Wirtschafts- und Währungsunion soll vertieft werden und gänzlich neue Perspektiven eröffnen. Kann verhindert werden, dass sich Europas Arbeitnehmer vom Projekt Europa abwenden? Braucht es stärkere sozialpolitische Kompetenzen, um eine Trendwende zu realisieren?

Vertrauen in ein starkes Europa

Die Finanzmarktkrise hat die strukturellen Probleme der EU sichtbar gemacht. Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen haben ihr übriges beigetragen, um einen Flächenbrand zu ermöglichen. Nur mit einer verstärkten Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist es möglich, den Kurswechsel zu vollziehen. Der Union vereinzelt mehr Kompetenzen zu geben, wäre eine feine Sache. Bundeskanzler Faymann bringt den Gordischen Knoten ins Spiel. Die Problematik liegt daran, dass sozialpolitische Gepflogenheiten wie Sicherheiten und Pensionen auf dem Spiel stehen. Es braucht Vertrauen in ein starkes Europa, die aktuellen Instrumente sind nicht ausreichend, so der Kanzler. Nur wenn`s den anderen gut geht, geht`s auch uns gut. Spontan fällt der Begriff Exportchancen. Ein klare Absage gibt es für jene, die austreten oder die EU gar abschaffen wollen und wieder auf eine eigene Währung spekulieren. Gäb`s die EU nicht, hätten wir jede Woche eine Pleite der Marke Alpine, wenn`s reicht. Sein Appell geht an ein starkes, demokratisches Europa und soziale Verantwortung. Nur leider hat die EU zu wenig Instrumente an der Hand. Kommen jetzt gar strategische Reformen?

Arbeitsmarkt besorgniserregend

Während Österreich aus Sicht des Bundeskanzlers diesbezüglich gut aufgestellt ist, hat es den Süden Europas voll erwischt. Die Jugend hat keine Perspektiven. Joaquín Almunia erinnert sich an 1985. Damals stand Spanien vor ähnlichen Problemen. Mit Reformen wurde die überwiegend selbstgemachte Krise überwunden. Diesmal ist es anders, die Immobilienkrise hat den Crash verursacht, das Übel kam von außen, plötzlich verebbten die Geldströme und wer auf zu großem Fuß gelebt hat, den hat`s erwischt. Almunia setzt auf Solidarität, ohne EU ist es diesmal nicht zu schaffen. Ungeachtet dessen und trotz sichtlicher Dankbarkeit hofft auch er in vielen Belangen auf nachhaltige Reformen.

Roadmapping ohne erkennbare Resultate

Europa befindet sich in einer Notfallsituation. Die Politik hat versagt. Bernadette Ségol bringt es unverblümt auf den Punkt. Trotz vieler Wachstumspläne und guter Vorsätze ist kein Erfolg erkennbar, sie pocht auf Resultate. Die Massenproteste sind auf tiefsitzende Enttäuschung bei den Betroffenen zurückzuführen, die EU Verdrossenheit ist nachvollziehbar. Die Verantwortlichen sollen endlich aufwachen. Demokratie ist ein komplexer Prozess, Wachstum und Beschäftigung müssen oberste Priorität bekommen. Ganz ähnliche Töne sind von Erich Foglar zu vernehmen, die Lehmanns haben einen Tsunami ausgelöst. Die Stabilisierung geht auf Kosten der Steuerzahler und Staatshaushalte, die Krise hat die Konstruktionsfehler der EU zutage gebracht. Wer die Wirtschafts- und Währungsvorteile der Union will, kann nicht weitermachen wie gewohnt. Professionelles Kaputtsparen ist die denkbar ungünstigste Art der Krisenbewältigung, es braucht Wachstumsimpulse, eine Vorwärtsstrategie. Ein Land wie Österreich mit 8,3 Millionen Einwohnern kann nicht konjunkturtreibend auf ganz Europa wirken, zumal Deutschland einen gefährlichen Rückwartssalto hinlegt und zum Niedriglohnland mutiert, McJobs und Dumping quer durchs Land drücken auf die Stimmung. Die Kaufkraft leidet. Arbeit gäbe es genug, nur die Gehälter dümpeln lustlos vor sich hin.

Geduld der Bevölkerung am Ende!

Fünf Jahre nach der Krise ist die Wirtschaftsleistung geringer zuvor. Die Situation ist schwierig. Nachhaltige Unentschlossenheit hat die Krise verschärft. Bankenunion ja und hinterher alles zu tun, dass es nichts wird ist der falsche Weg. Während die Fiskalpolitik so halbwegs klappt, steht es um die Sozialpolitik der EU eher bescheiden aus. 80 % Budgetsanierung stehen in krassem Gegensatz zu 2 % für Beschäftigung. Die sehr asymmetrischen Ziele lassen böses vermuten. Europa 2020 ist verloren, wenn wir 2014 nicht die Kurve kriegen. Die Ziele beruhen überwiegend auf Konsolidierung und sind von Sinnhaftigkeit weit entfernt. Karl Aiginger hat ziemlich klare Vorstellungen davon, wie es weiter gehen soll. Das Europäische Semester ist eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Die Bereiche Schule und Bildung hinken, speziell im Bereich Wachstum und Beschäftigung ist nicht viel geschehen. Die Kreditklemme für KMU muss gelöst werden, sonst wird es nichts mit Investitionen. Erneuerbare Energie wäre ein sinnvolles Betätigungsfeld, hier wird viel Potenzial verschenkt. ETS hat einen üblen Crash erlitten. Tolle Pläne in Verbindung mit einer verfehlten Subventionspolitik für fossile Energieträger sind geeignet, weiteres Ungemach zu verursachen.

Union der Unverbindlichkeit?

Trotz aktueller Agenda läuft vieles aus dem Ruder. Es gibt zu viele Kompromisse, in Brüssel können einfach keine Erfolge eingefahren werden. Der nationale Stolz blockiert in vielen Bereichen, was nach Trophäenjagd für Regierungschefs klingt. Was vor 50 Jahren geklappt hat, kann auch heute funktionieren. Das kollektive Geldausgeben hat ein Ende, es kann nicht sein, dass Banken durchgefüttert werden und Investitionen auf der Strecke bleiben. Ségol hat es auf die Steueroasen und Steuervermeidungsmodelle abgesehen. Eine Trillion Euro, ein Wert mit 12 Nullen hinten dran, verschwinden im Nirwana. Die Kapitalflucht schwächt Gemeinschaft und Wettbewerbsfähigkeit, die sorgsam entsteuerten  Beträge verursachen Schwindelgefühle. 

Indikatoren für soziale Ziele

In der Wirtschaftsunion dominieren Zahlen. BIP, Defizit, Steuereinnahmen und Staatsverschuldung werden genau erfasst. Aiginger stellt dem gegenüber einen Indikator für soziale Ziele. Dieser sollte einen ähnlichen Stellenwert wie Fiskalziele erfahren und verbindlich sein. Es wäre ein erster Schritt der sozialen Harmonisierung, Europa braucht einheitliche soziale Standards und Solidarität. Ziemlich unisono gibt es auch Kritik für prekäre Arbeitsverhältnisse. Doch was hierzulande als prekär bezeichnet wird, gilt in anderen Staaten bereits als gesichertes Arbeitsverhältnis. Europa braucht einheitliche Standards.

Wirtschaftsunion, Währungsunion, Bankenunion. Der Weg zur Sozialunion ist verschwommen. Es gibt viele Stolpersteine.

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