Donnerstag, 28. März 2024
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Frau Jelineks kleine Rente: Wie viel haben Mindest-Pensionisten wirklich?

Von allen Pensionsarten wurden die der Kleinsten seit 2000 am stärksten erhöht. Auf Mindest-Pensionisten prasselt heute ein Füllhorn unterschiedlicher Leistungen unterschiedlicher Gießkannen ein. Hier der Versuch einer geldlichen Beurteilung.

[[image1]]Nehmen wir an, eine Wienerin, Frau Jelinek, stünde heute vor ihrem 60. Geburtstag. Lange war sie im Ausland gewesen, sorgte sich dann um die Wohnung ihres damaligen Lebensgefährten. Die Kinderlose trieb viel Sport, kam viel herum. Wenn sie kleinere Tätigkeiten annahm, dann „schwarz“ oder nur für wenige Stunden. Heute bekommt sie zu ihren offiziellen Pensionsansprüchen von 50 Euro Brutto eine Ausgleichszulage in der Höhe von „netto“ 744,91 – 14mal im Jahr.

Lebensstandard: 1.500 Euro netto monatlich

Die 744,91 Euro stellen für die Neo-Pensionistin aber nur 50% aller geldwerten Staatszuschüsse dar.

So bekommt Frau Jelinek ihre Ausgleichszulage 14mal im Jahr bezahlt – monatlich also zusätzlich 124,15 Euro. Auch ist die Miete ihrer städtischen Gemeindewohnung um 150 Euro billiger als am freien Markt – weil steuerlich subventioniert.

2010 wurden in Wien an 57.628 Personen durchschnittlich 132 Euro Mietbeihilfe monatlich überwiesen, wir nehmen hier die Hälfte an[1].

Für den Winter gibt’s von der Gemeinde noch einen extra Hunderter Heizzuschuss.

Die Vorteilscard der ÖBB (Halber Fahrpreis) ist für Frau Jelinek umsonst. Im Kampf für „ihre“ Pensionisten hat die Arbeiterkammer Salzburg sogar noch eine Lücke aufgedeckt: Die kostenfreie Vorteilscard für Ausgleichszulagenbezieher gibt es erst ab dem Erreichen des offiziellen Pensionsalters von 60 Jahren (bei Frauen, 65 bei Männern).

Dank der AK-Pensionisten-Politik gehen die meisten Österreicher heute aber schon viel früher in Pension. Für die AK ist es nicht nachvollziehbar, dass gerade diese Personengruppen „mit z.T. extrem niedrigen Monatseinkommen von diesen Begünstigungen ausgeschlossen sind[2]“.

Zur Reha mit dem Gratis-Taxi

Für die Mindestpensionäre kosten Arztbesuche nichts, genauso wenig wie die e-Card. Natürlich ist man von der Rezeptgebühr befreit. Dass die Medikamente selber gratis sind, versteht sich in der Alpenrepublik von selbst. Auch das Krankenhaus kennt keine Selbstbehalte (Durchschnitt 12,41 Euro täglich), nicht bei Kuren und auch nicht bei Reha-Stunden. Auf Antrag können Bus- und Taxikosten zur Behandlung übernommen werden. Nehmen wir hier – vorsichtig geschätzt – einmal 30 Euro an.

Große Operationen wie Hüftprothesen (8.000 Euro) sind natürlich kostenfrei. Bei einer großen Operation alle 10 Jahre sind dies 57,14 Euro monatlich.

„Sozial Benachteiligt“: Gratis in Operette und Museen

„Sozial benachteiligte Menschen“, so die „Armutskonferenz“, „haben ebenfalls ein Recht auf Kunst und Kultur“. Deshalb lassen sich „Wien Kultur“, Arbeiterkammer Wien, OBV-Versicherung („Wiener Städtische“), „Der Standard“, Falter und „Wien live“ nicht lumpen und bieten „sozial Benachteiligten“ wie Frau Jelinek den „Kulturpass“ gratis an[3].

Dieser Zauberschlüssel öffnet (fast) alle Tore zur Kulturhochburg Europas. Man kann in (viele) Kinos gratis gehen, kann ins Theater oder in die Oper. Man sieht sich im Museum und danach im Kabarett. Man bewundert Sehenswürdigkeiten gratis, etwa das Schloss Schönbrunn.

Telefon und Fernsehen gratis, Öffis fast

Frau Jelinek geht zwar gerne aus, dorthin aber ungern auch zu Fuß. Muss sie auch nicht. Wie 100.000 andere Wiener erhält sie den sogenannten Mobilpass. Neben Vergünstigungen für Freibäder und Ähnlichem gibt es alle Fahrscheine zum halben Preis. Und die Monatskarte für die Verkehrsbetriebe statt für 47 Euro um nur 15,90. Ergibt einen Preisvorteil von 31,10 Euro gegenüber „Leider-Noch-Nicht-Pensionisten“.

Von der Festnetz-Grundgebühr ist sie ohnedies befreit, von der Fernseh- und Rundfunkgebühr (GIS) sowieso. Ihr A1-Handy zum Sozial-Tarif hat keine Grundgebühr – dafür eine Stunde telefonieren gratis.

Gern shoppt sie in Sozialsupermärkten, 50 Euro lassen sich da gut und gerne sparen. Dabei bleibt auch noch genügend für den Dackel, die Hundegebühr halbiert sich hier von 72 auf nur 36 Euro.

Billa-Verkäuferin: Lebensstandard kleiner

Will man Frau Jelineks Lebensstandard quantifizieren, könnte man ihn bei 1.500 Euro netto monatlich ansetzen. Die Ungerechtigkeit liegt aber im Detail. Die berühmte „Billa-Verkäuferin“, deren Regelpension in 35 Jahren Berufstätigkeit nicht wesentlich höher liegt als der Ausgleichszulagen-Richtwert  für Frau Jelinek (€ 837,63, 14mal im Jahr), bekommt keinen kostenfreien Kulturpass. Sie bezahlt für Telefon und Radio den Volltarif, bezahlt Selbstbehalte, Tagessätze und Rezeptgebühren. Und letztendlich hat sie netto weniger als jemand, der sein ganzes Leben lang nicht arbeiten musste – oder wollte.

Sozial-Datenbank

Die Lufthoheit über das Wohl der „Kleinen Leute“ wird von FPÖ und SPÖ beansprucht. Wer am Dogma „von den vielen armen kleinen Leuten“ zweifelt, den nimmt sich der Mainstream vor. Dabei will – entgegen Wahlkampfpropaganda – niemand Österreichs Förderdschungel kürzen. Alleine, ihn zentral so zu organisieren, dass man weiß, wie viel eine Person von Bund, Land, Gemeinden und den unzähligen Sozial-NGOs insgesamt bekommt, würde aber Klarheit bringen.

Zu behaupten, Österreich würde immer kälter werden, kann allerdings nur ins Land der (schlechten) Träume verwiesen werden – oder ist ein Wahlkampf-Klassiker mit 60 Jahre altem Bart.



[1] „Ludwig: Neuregelung bei der Auszahlung der Wohnbeihilfe bringt deutliche Kosteneinsparungen“, www.wien.gv.at

[2] „Seniorenermäßigung: Altersgrenze herabsetzen“, AK Salzburg, 26.6.2007, www.ak-salzburg.at

 

Bild: uschi dreiucker / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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