Dienstag, 16. April 2024
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Flüchtlingskrise: Ein Chaos ohne Ende

Wolfgang Klinger versteht das alles nicht mehr – und so wie ihm ergeht es zahlreichen Österreichern: Der langjährige Konzert- und Eventveranstalter, der Superstars wie die Rolling Stones, Tina Turner, Bon Jovi, Pink Floyd oder U2 nach Österreich gebracht hat, bringt nunmehr in einem Offenen Brief seinen Unmut über die chaotischen Zustände im steirischen Spielfeld zum Ausdruck. Er wirft insbesonders der Innenministerin totales Versagen in der Flüchtlingsfrage vor.

Warum, fragt sich Klinger, schafft es Johanna Mikl-Leitner nicht, 12.000 Menschen an der Grenze professionell zu registrieren und geordnet weiter zu befördern? Bei einem Popkonzert sei es ja auch keine Hexerei, beispielsweise 50.000 Personen in kürzester Zeit zu kontrollieren, Eintrittskarten zu überprüfen und Bodychecks durchzuführen. Wenn es bei derartigen Veranstaltungen möglich sei, 20.000 Besucher innerhalb weniger Stunden in Bussen abzutransportieren, müssten das eigentlich auch unsere Behörden bei nur 6.000 Flüchtlingen innerhalb von sechs Stunden auch schaffen.   

Die Regierung wisse seit Monaten, welche Probleme der Ansturm von Asylwerbern, die großteils in die Bundesrepublik Deutschland weiterreisen möchten, mit sich bringe, doch speziell das Innenministerium ist von den absehbaren Geschehnissen immer wieder überrascht und nicht in der Lage, entsprechend zu reagieren. Klinger bezeichnet das als „absolute Unfähigkeit und organisierte Unmenschlichkeit“ und fordert Mikl-Leitner zum Rücktritt auf.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die herbe Kritik des Konzertveranstalters an den grotesken Fehlleistungen   am Beispiel Spielfeld deckt freilich nur ein winziges Spektrum ab: Nicht nur die heimische Politik, die heillos überforderte Polizei und das rot-weiß-rote Bundesheer, dessen Chef Gerald Klug ganz und gar nicht seinem Familiennamen entsprechend agiert, haben diese durchaus heikle Situation nicht im Griff – die gesamte Europäische Union droht an der Flüchtlingswelle zu scheitern. Auch wenn sich erst am vergangenen Wochenende elf Staats- und Regierungschefs wieder in Brüssel versammelt haben, um ein neuerliches, aus 17 Maßnahmen bestehendes SOS-Programm zu beschließen, ist der Status quo geradezu beängstigend.

Die Türkei hat zwar erst kürzlich von der EU eine Milliarden-Finanzhilfe  zugesagt bekommen, auf dass sie hunderttausende Syrien-Flüchtlinge in  den Lagern besser betreuen kann – viele wollen dennoch nicht bleiben. In Griechenland und Italien sind die vor ein paar Wochen beschlossenen „Hotspots“ – also Auffanglager, die eine Deeskalation des Flüchtlings-stromes bewirken sollen – noch Zukunftsmusik, weil die Union und ihre Grenzschutzagentur Frontex halt alle Zeit dieser Welt zu haben scheint und daher erst Ende November mit der Umsetzung der Ziele zu rechnen ist. Die Karawane der Flüchtlinge, die entlang der Balkan-Route in eine neue Zukunft marschieren möchten, wird offensichtlich auch in den nunmehr kälteren Wochen keineswegs abreißen.

Die Menschen auf der Flucht passieren Staatsgrenzen zumeist ohne jegliche Kontrolle und werden einfach „durchgewunken“ – je schneller sie weg sind, desto besser. Die betroffenen Länder – also Mazedonien Serbien, Kroatien, Ungarn, Slowenien und auch Österreich – sind auf politischer Ebene in bilaterale Konflikte verstrickt, bei denen es primär um letztlich sinnlose gegenseitige Schuldzuweisungen geht. Auch bei den bayerischen Behörden wächst der Unmut – speziell gegen Österreich, weil die Republik ohne Vorwarnung viel zu viele Menschen an die Grenze schaffe, weshalb die Lage nahezu außer Kontrolle geraten sei. Denn Deutschland, für die meisten Kriegs- und sonstigen Flüchtlinge das Traumziel Nummer Eins, sei allmählich überfordert, sodass ein totaler Einreisestopp nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte.

Warten auf 100.000 Ruheräume

Die meisten EU-Staaten indes – und das ist der eigentliche Skandal – schauen bei diesem europaweiten Dilemma einfach weg und ignorieren  offenbar auch die bereits in Brüssel einvernehmlich beschlossenen Quoten, wie viele Asylwerber sie raschest aufnehmen müssten, so lange es nur geht.  Die Flüchtlingskrise treibt die Europäische Union immer mehr in eine tiefgreifende Existenzkrise: Die Verhandlungen der Kommission mit den Repräsentanten der Mitgliedsstaaten drehen sich immer schneller im Kreis und  sind von Widersprüchlichkeiten geprägt.  

Ein Beispiel: Sollte zunächst das ohnedies schwer angeschlagene  Griechenland so gut es geht entlastet werden, so wurde beim letzten EU-Sondergipfel beschlossen, dass die griechische Regierung 30.000 zusätzliche Plätze für Schutzbedürftige schaffen müsse. Die letztlich machtlose EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker kann bloß andauernd an die Ratsmitglieder appellieren und bisweilen merkwürdige Kompromisslösungen forcieren, die dann naturgemäß stets als große Erfolge medial verkauft werden. Was beispielsweise die zuletzt angedachten Maßnahmen – Stichwort: 100.000 „Warte- und Ruheräume“ entlang der Balkan-Route – konkret bringen bzw. ob sie überhaupt jemals etwas bringen, steht freilich wohl noch lange in den Sternen. Anders formuliert: In Brüssel werden zwar laufend enorm viel schöne Worte gemacht, doch die Umsetzung der Pläne lässt stets auf sich warten – bisweilen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag…

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