Donnerstag, 28. März 2024
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Ende mit Schrecken: Der Euro spaltet Europa in Sieger und Verlierer

Entgegen der Vision seiner Erfinder vergrößerte der Euro die Kluft zwischen erfolgreichen und erfolglosen Ländern in einem atemberaubenden Tempo. Eine unerwartete Völkerwanderung heizt die Stimmung an. Kommt der Euro 2.0?

15 Jahre nach seiner Einführung hat die Gemeinschaftswährung Nord- und Osteuropa Stabilität und Wohlstand gebracht, während Süden und Westen immer in Stagnation und Schulden versinken. In Griechenland und Portugal sperren Betriebe zu, um im teuren Norden zu eröffnen – der Euro hat die Globalisierung umgedreht.
Die daraus resultierende Völkerwanderung verschärft die Spannungen. Wird nicht gegengesteuert, droht die Spaltung des Kontinentes.

Der Plan

Die Utopie war faszinierend: Weil alle Menschen und Kulturen gleich kaufmännisch-talentiert, technik-verliebt, ehrgeizig und risikobewusst wären, könnte der unterschiedliche Entwicklungsstand ihrer Länder wohl nur den unterschiedlichen, historischen Entwicklungen geschuldet sein. Folglich müssten sich alle bei gemeinsamer, zentraler Steuerung durch Brüssel über kurz oder lang auf ein einheitliches Wohlstandsniveau zubewegen („Hatten wir das nicht schon einmal?“).
Mit der Zeit würden sich Zinsen, Schulden und Inflation („Maastricht“) genauso angleichen wie Realeinkommen und Arbeitslosigkeit. Die Einführung des Euro sollte diesen Einigungsprozess beschleunigen.

Was wirklich geschah

Der Plan ist gescheitert. Denn Währungen bringen auch immer ihr eigenes Zinsniveau mit sich. Anfang der Nuller-Jahre waren die Eurozinsen mit 3 Prozent für das kränkelnde Deutschland etwa zu hoch (die Deutschen mussten jährlich sieben Milliarden nach Spanien überweisen – außerdem war der Arbeitsmarkt noch nicht reformiert).
Für Spanien waren die 3 Prozent Zinsen hingegen viel zu niedrig. Die Zahlungen aus Berlin hatten dort die Baukonjunktur angeheizt, dank Euro waren die Immobilienkredite viel zu billig (sogar billiger als die Inflation). Wer sich nicht verschuldete, war selber schuld.
Der Crash war vorhersehbar – und wurde von den Planwirtschaftlern der EZB mit einem „Noch-Mehr“ von dem „Ohnedies-Zuviel“ bekämpft: Mit zinsfreien Krediten für jeden, der noch einen wollte.
Zehn Jahre – und einen reformierten deutschen Arbeitsmarkt – später haben Nord- und Osteuropa die niedrigen Zinsen genutzt, um ihre Haushalte zu sanieren. Die Südeuropäer hingegen, um Reformen weiter hinauszuschieben und mehr Sozialleistungen zu verteilen.

Wiener Renten in Lissabon

Was dem Euro 1.0 letztendlich das Genick bricht, ist die (ungewollte) soziale Markttransparenz. Denn schon bald beklagten sich südeuropäische Gewerkschaften und Pensionisten-Verbände lautstark, wie ungerecht hoch deutsche und schwedische Renten und Löhne im Vergleich zu den ihren doch wären. Verdoppelungen (+100%!) in nur einer Dekade waren die Folge (da halfen auch Kürzungen von 25% im Nachhinein nicht wirklich).

Griechisches Fabriken-Sterben

Die Folge: südeuropäische Waren wurden (gemessen an ihrer Qualität) immer teuer. Was zusammen mit der (gewollten) ökonomische Markttransparenz dazu führte, dass griechische Holz-, Oliven- und Metallfabriken schlossen, während die Griechen selber bei gleichem Preis die bessere Qualität nordeuropäischer Importgüter vorzogen.
Heute ist das Land übersät mit Ruinen eingestürzter Fabrikhallen. In vielen Orten ist die Gemeindestube der einzig verbliebene „Groß-Betrieb“.

Binnenwanderung

Länder wie Deutschland, Schweden oder Holland haben gute, international konkurrenzfähige Produkte. Ihre leistungsfähige Industrie stellt sie zu niedrigen Preisen her und dank Euro kann man deren Konkurrenzfähigkeit leicht erkennen.
Obwohl es eigentlich anders gemeint war, aber heute fließt Wohlstand vom Süden (dem es immer schlechter geht) in den Norden (dem es immer besser geht). Nur logisch, dass das Millionen Südeuropäer aufbrechen lässt. Und es sind vor allem die Talente, die am mobilsten sind. Das verstärkt aber die Beharrungskräfte in den Herkunftsländern – während es die Dynamik in den Zielländern weiter anfeuert.   

Völkerwanderung

Die europäische Binnenwanderung ist gewollt und Teil des europäischen Friedensprojektes (obwohl sie schwächere Länder durch den Brain Drain vorerst einmal schwächt).
Anders sieht es mit der Einwanderung von Millionen Menschen aus dem afrikanisch-muslimischen Kulturraum aus. Sie treffen auf ein Europa, das sich gerade (wegen der vom Euro ausgehenden Verwerfungen) enormen, sozialen Konflikten gegenübersieht.
Die Situation lässt an die gewaltsame Vertreibung osteuropäischer Juden Ende des 19. Jahrhunderts erinnern. Wie heute für Millionen (afrikanischer) Muslime, erschienen ihnen Deutschland und Österreich um 1900 als soziale und ökonomische Felsen in der Brandung des niedergehenden Osteuropas.

Euro 2.0 abgespeckt

So wie bisher kann es nicht mehr weitergehen. Jedes Jahr, in dem weitere südeuropäische Fabriken schließen, ist ein verlorenes Jahr für die dortige Jugend. Will man den Euro – und vielleicht ganz Europa – nicht unkontrolliert zerbrechen lassen, ist entschlossenes Handeln angesagt.
Nach Entmachtung der Euro-Utopisten in Brüssel müsste der Euro einer Abmagerungskur unterzogen werden. Wer es nicht schafft, in acht bis zehn Jahren Schulden und Bürokratie signifikant abzubauen sowie Arbeitsmärkte und Pensionssysteme zu reformieren, muss fortan eigene Wege gehen. Ein klarer Ausstiegsmechanismus muss die rechtliche Grundlage dafür schaffen. Entweder als „Süd-Euro“ für mehre Länder gleichzeitig oder als Neuauflage einer alten, nationalen Währungen (mit hohen Zinsen, hoher Inflation und niedriger Innovationsstärke).
Als Ab- und Ausstiegskandidaten gelten neben Griechenland noch Portugal, Italien und Frankreich. Und Österreich?

Unser Land, das nur von seiner kleinen, aber feinen Industrie vor dem Abstieg bewahrt wird, muss endlich Farbe bekennen. Reform oder Beharrung – Holland oder Hellas?
 

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