Samstag, 20. April 2024
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Drei Bewerber um die EU-Präsidentschaft

Wer wird der nächste Mister Europa? Die erste Personalentscheidung wurde bereits getroffen: Martin Schulz, derzeit Präsident im Europa-Parlament, wird von den Sozialdemokraten ins Rennen geschickt. Der 57-jährige konnte sich zwar in fast zwanzig Jahren als EU-Abgeordneter durchaus profilieren, bringt aber nicht jenes Format und Charisma mit, das man sich vom neuen EU-Boss wünschen würde. Trotzdem hat er gute Chancen, Anfang 2015 die Nachfolge des portugiesischen Rechtsliberalen José Manuel Barroso anzutreten.

[[image1]]Ein heißer Kandidat ist auch der Belgier Guy Verhofstadt, Chef der liberalen Fraktion im Europa-Parlament. Der einstige belgische Langzeit-Premier, der zu den profiliertesten EU-Politikern gezählt werden darf, war bereits 2004 und dann wieder 2009 als möglicher Kommissionspräsident im Gespräch – beide Male ist er am Widerstand anderer Fraktionen gescheitert. Jetzt muss er sich zunächst einmal intern gegen den finnischen Währungskommissar Olli Rehn durchsetzen. Sein größter Nachteil besteht allerdings darin, dass die liberale ALDE in Straßburg und Brüssel bislang nur die dritte Geige gespielt hat, was in Zukunft gar nicht mehr so sicher ist.

Die Europäische Volkspartei EVP macht es indes höchst spannend: Die vom Franzosen Joseph Daul angeführte, derzeit noch größte Fraktion im Europäischen Parlament hat sich noch immer nicht auf einen Spitzenmann oder eine Spitzenfrau einigen können – sie will sich damit bis März Zeit lassen. Daul kommt für diesen Job wohl eben so wenig in Frage wie der Österreicher Othmar Karas, der – immerhin Vizepräsident im EU-Parlament – für das Amt vermutlich, genauso wie Österreich, eine Schuhnummer zu klein wäre. Den gleich zehn Daul-Stellvertretern, darunter die amtierenden Kommissare Michel Barnier, Antonio Tajani und Johannes Hahn, werden wegen zu geringer Profilierung ebenfalls so gut wie keine Chancen eingeräumt. Die derzeitige EU-Vizepräsidentin Viviane Reding wiederum zeigt in öffentlichen Statements wenig Lust, sich den hektischen Job mit 62 Jahren aufhalsen zu wollen. Folglich müssen die Konservativen die dringend benötigte Galionsfigur im erlauchten Kreis ihrer jetzigen oder einstigen Top-Politiker suchen.

Wobei freilich einige prompt ausscheiden: Die sollten sich nämlich entweder so wie Antonis Samaras, Pedro Coelho und Mariano Rajoy besser um ihre Krisenländer Griechenland, Portugal und Spanien kümmern oder sich so wie der Ungar Viktor Orbán mit seinem ramponierten Image beschäftigen. Manche verfolgen schließlich wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schlichtweg eine völlig andere Karriere-planung. Damit ist das Spektrum an potenziellen Kandidaten besonders eng. Noch dazu hat einer, der lange als Wunschkandidat gehandelt worden war, bereits abgewunken: Der polnische Premier Donald Tusk stellte unmissverständlich klar, für diese Funktion nicht in Betracht zu kommen. Bleibt von den Aktiven eigentlich nur noch der erst 48jährige schwedische Premierminister Fredrik Reinfeldt übrig, der immerhin schon sieben Jahre Regierungserfahrung vorzuweisen hat.

Schafft es Juncker erneut?

Reinfeldt erwächst allerdings, wenn man jüngsten Gerüchten Glauben schenken darf, eine fast übermächtige Konkurrenz aus der Abteilung Ex-Politiker: Jean-Clude Juncker, soeben als Premier von Luxemburg abgelöst worden, soll sich nämlich dem Vernehmen nach für die Europäische Volkspartei in die Schlacht werfen. Der 58jährige Ex-Chef der Eurogruppe, der im Großherzogtum 19 Jahre an der Spitze gestanden war, fühlt sich offenbar fit genug, um Barroso als Kommissionspräsident zu beerben. Und hätte hierfür nicht nur beste Voraussetzungen – sprich: ausreichend Erfahrung und Sachkompetenz – ,  sondern auch die nötige Unterstützung, beispielsweise aus Berlin. Juncker wäre zwar – so wie Schulz auf der Gegenseite – keineswegs ein Signal für einen personellen Neustart in Brüssel, aber aus derzeitiger Sicht mangels geeigneter Alternativen eine gute Entscheidung der Konservativen.

Ob Martin Schulz, Guy Verhofstadt, Jean-Claude Juncker oder gar ein geheimnisvoller Vierter, der erst noch aus dem Hut gezaubert werden müsste, das Rennen macht, steht in den Sternen.  Womöglich darf sogar Barroso, der die Flinte noch nicht ins Korn geworfen hat und immer noch Unterstützer zu sammeln scheint, eine dritte Amtsperiode anhängen. Nach der EU-Wahl im Mai 2014 wird nämlich der Spitzenkandidat jener Fraktion, die die meisten Stimmen erhalten hat, keinesfalls automatisch EU-Präsident. Vielmehr werden sich die 28 Regierungschefs – gemäß Lissabon-Vertrag unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse – in geheimen Absprachen ausschnapsen, wer ihnen am genehmsten ist. Der oder die Glückliche wird sodann dem Parlament vorgeschlagen, das letztlich bloß abstimmen, nicht aber bestimmen darf.

So wirklich demokratisch ist das mit Gewissheit nicht, und die Gefahr riesengroß, dass die EU-Rats-Granden auf Grund unterschiedlicher Interessenslagen schlussendlich nicht den Besten küren können, sondern sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen müssen. Es ist beispielsweise beileibe noch nicht ausgemachte Sache, dass die christdemokratische Powerfrau Angela Merkel unbedingt einen deutschen Sozialdemokraten an die Spitze Europas hieven wird. Mit Sicherheit würde auch dem einstigen Chef der Eurozone, Jean-Claude Juncker, über alle Parteigrenzen hinweg ein starker Gegenwind seitens mancher Mitgliedsländer entgegenwehen, die noch nicht den Euro eingeführt haben. Schließlich müsste sich der Belgier Guy Verhofstadt ebenfalls auf harte Bandagen gefasst machen: Vor fast zehn Jahren wurde er von Tony Blair und Silvio Berlusconi eiskalt ausgebootet, 2009 hatte er dann zwar die Unterstützung von Sozialdemokraten und Grünen, doch das reichte gegen Amtsinhaber Barroso nicht.

Ein Super-GAU schlechthin wäre jedenfalls die Nominierung eines weitgehend unprofilierten, europa-politisch unerfahrenen und damit für den Topjob völlig ungeeigneten Überraschungskandidaten, der fortan als Marionette der Mächtigen agieren müsste. Eine derartige Kompromiss-lösung würde zum einen die eigenen Spielregeln verletzen und zum anderen das Votum der Bürgerinnen und Bürger ad absurdum führen. Alles in allem wäre eine Fehlbesetzung des obersten Mister Europa ein herber Rückschlag für die Europäische Union.

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