Freitag, 29. März 2024
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Die Schwierigkeit von der Oppositions- in die Regierungsrolle zu finden

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

Die ersten 100 Tage der neuen Regierung waren nicht unbedingt „Honeymoon“. Da gab es auch schon so manche Klippen zu bewältigen. Vor allem für die FPÖ ein Lernprozess.

Seit 1987 ist die ÖVP nun bereits Regierungspartei, nachdem sie 17 Jahre, davon 14 unter Bruno Kreisky, auf der Oppositionsbank saß. In diesem Zeitraum durfte die FPÖ gerade einmal sechs Jahre mitregieren. Die letzten elf Jahre (von 2006 bis 2017) war sie wieder weg vom Fenster. Das Eingewöhnen in die Regierungsarbeit, also der Wechsel von der Oppositions- in die Regierungsrolle funktioniert nicht von einem Tag auf den anderen. Diese Erfahrung muss derzeit gerade die FPÖ machen. Und die Volkspartei übt sich sichtlich in Geduld. Haben sich doch ÖVP und FPÖ den Vorsatz genommen, ganz im Gegensatz zur früheren Regierungen geschlossen zu agieren, keine öffentlichen Streitereien auszutragen. Was bislang auch ziemlich gut gelungen ist. Dass man sich auf einen gemeinsamen Regierungssprecher geeinigt hat, ist Ausdruck dieses Rituals.

Das vergessene Versprechen

Das erste Beispiel für das Bemühen, Geschlossenheit zu demonstrieren, war die Diskussion um die Aufhebung des Rauchverbotes. Musste doch die Volkspartei jenes Gesetz aushebeln, das sie selbst 2009/2010 beschlossen und ihr damals viel Kritik eingebracht hatte. Mehr noch, dem Umsetzen eines Wahlversprechens der FPÖ, das sie noch dazu zu einer Koalitionsbedingung gemacht hatte, wurde das Versprechen, die direkte Demokratie aufzubauen, geopfert. Und das, obwohl sich eine starke öffentliche Bewegung (mittlerweile haben mehr als 530.000 Bürger den Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung unterschrieben) und vor allem die Ärzteschaft gegen die Aufhebung des Rauchverbots ausgesprochen haben. Koalitionsräson über alles.

Der erste Knacks

Den erstens Knacks gab es, als eine Razzia im Haus des Bundesamts für Verfassungsschutzes und Terrorismusbekämpfung (BVT) stattfand. Bei diesem BVT handelt es sich um einen der drei österreichischen Geheimdienste. Das Bild, das sich der Öffentlichkeit bisher bietet, sieht ganz danach aus, als wolle man dessen bisherigen und per Dekret des Bundespräsidenten bereits verlängerten Chef, Peter Gridling, der der ÖVP zugerechnet wird, durch einen FPÖ-Parteigänger ersetzen. Erstmals hielt – kurzzeitig – die selbstauferlegte türkise Front des Schweigens nicht. Während sich noch zu Beginn der Affäre abends im Fernsehen der ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon „irritiert“ über die undurchsichtigen Vorgänge beim BVT zeigte, fand am Morgen darauf Kanzleramtsminister Gernot Blümel, dass alles paletti sei. Er verneinte jedwede klimatische Belastung.

Dichtung und Wahrheit

Wenn man freilich so mit besonderem Nachdruck betont, dass ohnedies alles in Ordnung sei, ja bestens funktioniere, es überhaupt keine Verstimmungen gäbe, dann wird dabei meist vermutet, dass es hinter den Kulissen anders zugeht. Dichtung und Wahrheit können da schon manchmal auseinanderklafen. Tatsächlich ist man an der türkis-blauen Regierungsspitze bemüht, den Eindruck dicht geschlossener Reihen zu erwecken. Gerade in diesen Tagen, wenn am Mittwoch das erste Budget der neuen Regierung präsentiert und damit die in Zahlen gegossene Politik präsentiert wird.

Sprachregelung als Himmelfahrtskommando

So wird bei jeder Gelegenheit von ÖVP-Seite betont, dass die Kooperation mit der FPÖ viel besser laufe als früher mit der SPÖ. Dazu trägt derzeit auch bei, dass die einzelnen Minister keine wirklich freie Hand haben, wenn sie mit Stellungnahmen, Kommentaren an die Öffentlichkeit gehen. Die Sprachregelung wird zuvor von den Kabinetten kontrolliert und abgestimmt. Nicht einmal kam es schon vor, dass ein Regierungsmitglied einige Sätze eines bereits gegebenen Interviews wieder zurückziehen musste. Dass es keinen Widerspruch gibt, hat sicher auch damit zu tun, dass Kurz und Strache die Ressorts vorwiegend mit Personen besetzten, die erst Erfahrungen im Umgang mit der Politik sammeln müssen.

Karl Pisa, Regierungssprecher in der Ära Josef Klaus vor 50 Jahren, hat retrospektiv einmal etwas ausgesprochen, was auch dem jetzigen Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal noch einmal blühen könnte. Für ihn war diese Tätigkeit „ein Himmelfahrtskommando – und das bei einer Ein-Parteien-Regierung. Wie da einer für zwei Stimmen, die wohl nicht immer harmonieren, sprechen soll, ist mir rätselhaft“.

Die ersten 100 Tage

Während sich die Medien angesichts der nahenden ersten 100 Tage naturgemäß bereits darauf stürzen, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungsparteien aufzustöbern, vor allem die FPÖ immer wieder mit Relikten der Vergangenheit zu konfrontieren, gibt es in den rückwärtigen ÖVP-Reihen doch auch so manche kritische Betrachtungsweise. Es ist nicht nur die Diktion mancher freiheitlicher Politiker (wenn sie sich zum Beispiel brüsten, dass 75 Prozent des Regierungsprogramms ihre Handschrift tragen) sondern es sind auch so manche Vorgangsweisen, die den Eindruck hinterlassen, dass sich die FPÖ im Regierungsalltag erst zurecht finden muss. Von einer Ausnahme abgesehen. Diese betrifft Heinz Christian Strache, der sich in Anzug, Krawatte und in der neuen Rolle als Vizekanzler sehr wohl fühlt, ja geradezu staatsmännisch wirkt.

Umfärbung und Säuberung

Als schon sehr heftig wird das Umfärben im Verkehrs- und Infrastrukturministerium durch Norbert Hofer beurteilt. Quasi über Nacht ließ er die Führungsetagen bei den ÖBB und der ASFINAG politisch reinigen. Was den Eindruck hinterließ, dass man es offenbar zunächst nur darauf abgesehen hat, an die Hebel der Macht zu kommen. Und dabei eine Vorgangsweise wählte, die an so genannte Säuberungen erinnerte. Dabei hat es durchaus Sinn, das sozialistische Netzwerk, das dort über Jahre etabliert wurde, aufzubrechen. So ist nicht nur hinterfragenswert, warum die Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer bei den ÖBB versorgt werden musste sondern auch warum die Gattin des ehemaligen Bundeskanzlers Christian Kern just in ÖBB-Projekte geschäftlich eingebunden war.

Burschenschafter als Problemkinder

Nicht ganz wohl fühlen sich so manche, dass die FPÖ gleich mit einer so hohen Zahl von Burschenschaftern nicht nur die Reihen ihrer Parlamentarier gefüllt sondern auch die Büros der Minister ausgestattet hat. Auch in früheren Zeiten hat es CVer, Freimaurer und BSAler in Regierungsstellen und im Parlament gegeben. Ihr Anteil allerdings hielt sich in überschaubaren Grenzen. Dazu kommt, dass die Burschenschaften mit einer besonderen Art von Deutschtümelei kämpfen und noch keinen Anschluss an das mittlerweile unbestrittene und breite Österreich-Nationalbewusstsein gefunden haben.

Außenpolitische Reizfaktoren

Dass sich mit dem Regierungsprogramm auch die FPÖ, wie dies Strache immer wieder nachdrücklich betont, zu einem proeuropäischen Kurs bekennt, wird offenbar noch nicht von allen zur Kenntnis genommen. Allzu demonstrativ pflegen eine Reihe von FPÖ-Politikern die Kontakte mit Putins-Russland und der Republika Srpska, die einem Konsolidierungsprozess in Bosnien-Herzegowina entgegensteht. Als Reizfaktor wirkt insbesondere der EU-Parlamentarier und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. So erst kürzlich, als er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Chef der Lega Nord, zu dessen Äußerung, dass der Euro eine „verfehlte Währung“ sei, besonders auffällig und demonstrativ applaudierte.

Verständnis für Lernprozess

Wie auch immer, die ÖVP-Spitze will das alles nicht aufbauschen, ist vor allem bemüht, keine Wogen hochkommen zu lassen. Duldet und akzeptiert den Lernprozess. Nicht ganz zu Unrecht heißt es, dass man auch Verständnis für die FPÖ aufzubringen habe. Sie müsse es eben erst wieder lernen, sich als Regierungs- und nicht als Oppositionspartei zu geben. Zugute kommt der Regierung insgesamt, dass sich die Opposition selbst auch nicht in ihrer Rolle zurecht gefunden hat. Die Grünen sind weg vom Fenster, die Liste Pilz ist führungslos, die NEOS gerieren sich als die Duracell-Männchen und die SPÖ wird unter anderem mit der Frage gequält, wie lange noch Kern im Amt bleibt.

Stabile Umfragen

Das alles widerspiegelt sich in den aktuellen Umfragen. Im Grunde genommen haben sich die Österreicher mit der neuen türkis-blauen Regierung abgefunden. Gut die Hälfte ist mit der Politik der Regierung zufrieden, sogar zwei Drittel mit dem Bundeskanzler persönlich, der unverändert als der beliebteste Politiker gibt. Sogar mehr als ein Viertel der SPÖ-Wähler sind dieser Meinung. Die Volkspartei hält über dem Wahlergebnis und das bei stabilen 33 Prozent. Die FPÖ hat freilich leicht an Zustimmung verloren, ist von 26 auf 24 Prozent zurückgegangen.

Sozialpolitik als Risikofaktor

Und in der Tat, sie muss – so Meinungsforscher Fritz Plasser – Acht geben. Viele Wähler der FPÖ, vor allem jene, die früher einmal bei der Arbeiterpartei SPÖ zuhause waren, erwarten sich eine Verbesserung ihrer Situation. Sie legen nicht nur Hoffnung auf eine Einschränkung der Migration, ein hartes Vorgehen gegen Flüchtlinge, die sich nicht an die Gesetze halten, sondern sie erwarten auch eine Verbesserung sozialer Standards. Wenn es da nicht bald zu fühlbaren Maßnahmen kommt, dann könnte eine Enttäuschung bei vielen Blau-Wählern eintreten. Und dann könnte die FPÖ in der Regierung nervös werden.

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