Freitag, 29. März 2024
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Die EU-Russland-Strategie in der Sackgasse

Vladimir Putin, Präsident von Russland. © European Union, 2014Ganz wohl dürfte der Europäischen Union bei der harten Linie gegen Putin’s Russland nicht sein. Das zeigte sich gleich zu Wochenbeginn bei einer Diskussion im bayerischen Passau. Forderten doch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Ratspräsident Donald Tusk wörtlich eine Politik der Stärke und des Dialogs. Man müsse zwar hart in der Sache bleiben, werde aber die Tür zum Gespräch nicht zuschlagen sondern immer offen halten.

Tatsache ist, nachdem sich rund um den Ukraine-Konflikt nichts weiterbewegt, russische Truppenbewegungen an der Grenze zu den baltischen Staaten für Beunruhigung sorgen, im Syrien-Krieg kein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann, sich in der EU die Stimmen für eine Verschärfung der Sanktionen gegenüber Russland sogar mehren. Zu glauben, dass man damit Wladimir Putin zu einem Einlenken zwingen kann, ist wohl ein Irrtum. Schon mehrfach hieß es, dass die russische Bevölkerung und die Wirtschaft massiv unter den EU-Restriktionen leiden würden, trotzdem gibt es keine Anzeichen, dass Moskau bereit wäre, von seinen Standpunkten abzurücken.

Russlands Trumpfkarten

Im Gegenteil. Russland selbst spielt seine Trumpfkarten aus. Da ist einmal der Ausbau der Versorgung Europas mit russischem Gas und Erdöl, das angesichts der unruhigen Verhältnisse in den arabischen Ländern eine gewisse Logik aufweist. Aber wegen der Ukraine-Krise blockiert wird. Gleichzeitig spielt Moskau auch mit einer Achsenbildung mit der Türkei, die derzeit noch ein Eckpfeiler des NATO-Verteidigungsbündnisses darstellt. Was wiederum Recep Tayyip Erdogan derzeit sehr zu pass kommt, weil auch er zeigen will, dass Ankara nicht auf Brüssel angewiesen ist.

Gespaltene EU

Ähnlich wie in anderen Fragen, so ist auch in der Causa Russland-Politik die EU an sich gespalten. Und dabei spielt wiederum der Einfluss der USA eine nicht unerhebliche Rolle. Die Befürworter des Dialogs mit Moskau sind derzeit jedenfalls gegenüber den Hardlinern eindeutig in der Minderzahl.
Für ein Lockern der Wirtschaftssanktionen sind allein schon aus wirtschaftlichen Gründen die Franzosen. Für Francois Hollande wäre dies derzeit ein mehr als nur wünschenswerter Impuls für die Wirtschaft und Industrie im Zeichen der Tricolore. Ähnliches gilt auch für Italien, wo Mateo Renzi dringend Exportmärkte einerseits und Investoren andererseits sucht. Athens freundliche Miene gegenüber Moskau hat seinen Grund allein schon in der Tatsache, dass man diese Beziehungen selbst in die Hand und nicht dem Nachbarn Türkei überlassen möchte.

Sonderfall Österreich

Ein Sonderfall ist Österreich. Die heutige russische Föderation ist zwar nur ein so genannter Fortsetzungsstaat der alten Sowjetunion, die Rolle als ein der vier Staatsvertragsmächte zweifelhaft, aber trotzdem sind bedingt durch die Geschichte der Besatzungszeit die Beziehungen zwischen Wien und Moskau traditionell gut. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bemüht sind, trotz EU-Sanktionenregime die wirtschaftlichen Beziehungen so gut es nur geht, nicht einfrieren zu lassen. Und sich dabei schon so manche leise Rüge aus Brüssel einhandelten. Schon wieder in Vergessenheit geraten ist, dass Außenminister Sebastian Kurz am Beginn der Ukraine-Krise, das österreichische Neutralitätsmodell ins Gespräch warf – was sogar nicht nach dem Geschmack NATO-affiner Kreise war.

Oststaaten als EU-Hardliner

Das sprichwörtliche rote Tuch sind Putin & Co. vor allem für die so genannten neuen Demokratien, also die ehemaligen Ostblockstaaten. Das reicht vom Baltikum über Polen bis an die Adria. Hier ist der Wunsch Vater des Gedankens, Russland in die Knie zu zwingen. Und es kommt aus strategischen Gründen nicht von ungefähr, dass die NATO, da schwer dahinter ist. Im atlantischen Verteidigungsbündnis ist es nämlich die USA, die den Ton angibt und daher auch daran interessiert ist, dass Brüssel nicht nachgibt sondern sogar noch verschärft.

Einfluss der NATO-Familie

Dass Großbritannien Verständnis für so manche Vorgaben aus Washington hat, liegt allein schon in der anglo-amerikanischen Freundschaft begründet. Die Benelux-Staaten wiederum sind nicht nur weit weg vom sprichwörtlichen Schuss sondern auch in der NATO-Familie seit Anbeginn verankert. Bei den skandinavischen Ländern spielt nicht unwesentlich, bedingt durch die gemeinsame Nord- und Ostsee, das Sicherheitsbedürfnis und eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber Russland eine Rolle.

Deutschland will Ukraine helfen

In Berlin ist sich die Koalition durchaus einig, gegenüber Russland politisch keinen Millimeter zurückzuweichen. Und vor allem Kanzlerin Angela Merkel ist auch sehr bemüht, den Ukrainern behilflich zu sein, den Anschluss an Kerneuropa zu finden, sie in einer zugebenermaßen schwierigen Transformationsphase nicht im Stich zu lassen. Allerdings auch hier ist es Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dem schon einiges daran gelegen wäre, wieder zu geordneten Wirtschaftsbeziehungen zu kommen.

Russland ein naheliegender Partner

Es ist der Blick auf die Landkarte, der aber auch zu denken geben sollte. Ganze zehn Prozent der Weltbevölkerung leben nur noch in Europa, das freilich 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung erbringt und 50 (!) Prozent der sozialen Leistungen trägt. Wird der Brexit vollzogen sein, dann verfügt die EU nicht mehr über 510 sondern nur noch 450 Millionen Einwohner. Man wird sich daher umsehen müssen, wie man wieder stärker werden kann. Bei allem Faible und Empfehlungen, sich mehr um den afrikanischen Kontinent, insbesondere Nordafrika zu kümmern, das ans Mittelmeer grenzt und damit den Vorhof zur EU bildet, ist Russland mit seinen 140 Millionen Einwohner der wohl nächst liegende Partner für die EU. Auch unter dem Gesichtspunkt der gemeinsamen europäischen Geschichte und Kultur.

2 Kommentare

  1. Nur echte Sanktoinen helfen
    Das Problem Europas war es, keine (wirklichen) Sanktionen zu verhängen: Kein Importverbot russischer Güter, kein Einstellen internationaler Flüge u-ä. – nur leere Worthülsen. Das legen brutale Diktatoren wie Putin zu Recht als Schwäche aus. Je weiter man Hitler und Stalin ließ, um sie zu besänftigen, desto mehr haben sie sich genommen.
    Wer glaubt, dass die Eroberung ukrainischer Gebiete das Ende sein wird, ist entweder grenzenlos naiv oder hat von Geschichte keine Ahnung!

  2. Nur echte Sanktoinen helfen
    Das Problem Europas war es, keine (wirklichen) Sanktionen zu verhängen: Kein Importverbot russischer Güter, kein Einstellen internationaler Flüge u-ä. – nur leere Worthülsen. Das legen brutale Diktatoren wie Putin zu Recht als Schwäche aus. Je weiter man Hitler und Stalin ließ, um sie zu besänftigen, desto mehr haben sie sich genommen.
    Wer glaubt, dass die Eroberung ukrainischer Gebiete das Ende sein wird, ist entweder grenzenlos naiv oder hat von Geschichte keine Ahnung!

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