Donnerstag, 28. März 2024
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Der lange Schatten der Eisernen Lady

Am 8. April starb die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher. In den letzten Jahren hatte sie zurückgezogen gelebt. Doch ihr kontroverser Einfluss auf die britische Politik hält an.

[[image1]]Der britische Premierminister David Cameron war gerade auf dem Weg nach Spanien, wo er eine „Europa Tournee“ durch fünf Staaten starten wollte, um für seine Europapolitik und einen neuen EU-Vertrag zu werben als ihn die Nachricht vom Tod Margaret Thatchers erreichte. Das zeitliche Zusammentreffen war ein Zufall – aber ein symbolträchtiger, denn wie kein anderer britischer Premier seit Thatcher verkörpert Cameron die tiefsitzende Skepsis, die das schwierige Verhältnis Großbritanniens zu Europa  seit ihrer Amtszeit  prägt.

Das Vermächtnis

Mehr als 22 Jahre sind vergangen, seit Margaret Thatcher nach einem Putsch in ihrer eigenen Partei ihren Amtssitz in der 10 Downing Street räumen musste. Elf Jahre lang – von Mai 1979 bis Ende  November 1990 hatte sie Großbritannien regiert und in dieser Zeit grundlegend verändert. Bis heute steht sie wie kein anderer Politiker des 20. Jahrhunderts für Wirtschaftsliberalismus, freie Marktwirtschaft, Wettbewerb, Deregulierung, Privatisierung, niedrige Steuern, Individualismus, das Zurückrollen des Staates, das Eindämmen der Gewerkschaften und die Beschneidung des sozialen Netzes.  Es sind diese Werte, verbunden mit dem Ideal des Freihandels im europäischen Binnenmarkt, die heute auch Cameron in Europa verwirklichen möchte. In anderer Hinsicht allerdings hat er sich von der legendären Eisernen Lady freigeschwommen: er versuchte die Tory-Party für neue Wählerschichten zu öffnen und ist weit weniger traditionell als sie, wenn es um Themen wie die Homo-Ehe oder den Umweltschutz geht. Doch vor allem ihre Europapolitik, ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik haben bleibende Spuren hinterlassen. Und kaum ein anderer Politiker in Großbritannien hat so viel erreicht wie die legendäre Tory-Politikerin, deren marktwirtschaftliche Ideologie auch ihre Nachfolger aus der oppositionellen Labour-Partei prägte und konservativen Politikern in anderen europäischen Staaten zum Vorbild diente.

Thatcher polarisierte

Am 8. April starb die ehemalige britische Premierministerin Margaret ThatcherSchon als Oppositionspolitikerin hatte sie angesichts der wirtschaftlichen Misere, in der Großbritannien in den 70er Jahren zu versinken drohte, klare Vorstellungen für einen neuen Kurs entwickelt. Die studierte Chemikerin war keine Intelektuelle, aber sie verfolgte ihre ideologischen Ziele von Anfang an mit großer Überzeugung und setzte sie ungeachtet allen Widerstandes, der ihr zum Teil auch aus der eigenen Partei entgegenschlug, konsequent um. Nachdem Thatcher im Mai 1979 ihren ersten Wahlsieg errungen hatte und damit die erste Premierministerin Großbritanniens wurde, wählte sie einen versöhnlichen Spruch des Franz von Assisi („Wo Zwietracht herrscht, laß mich Eintracht bringen“) zum Motto ihrer Antrittsrede –  doch kaum ein anderer Politiker hat die Nation so gespalten wie die legendäre „Eiserne Lady“. Ihrem Land zwang sie bis zu ihrem Rücktritt im Dezember 1990 eine Reihe unpopulärer Reformen auf und bewahrte es damit vor dem wirtschaftlichen Niedergang, denn als sie antrat galt das angeschlagene Großbritannien allgemein als „kranker Mann Europas“. 1979 waren die Briten nach dem Ende des „Empire“ und infolge des langen industriellen Abstiegs mutlos und geschwächt. Wenige Jahre später wurde das Königreich dank ihrer durchgreifenden Politik jedoch zum Vorbild für andere Nationen. „Sie war ganz einfach eine der einflussreichsten Führungspersönlichkeiten Großbritanniens, ja vielleicht sogar der Welt“, schwärmt Professor Tim Bale, Politikprofessor an der University of London.

Wirtschaftsreformen

Margaret Thatchers erbitterter Kampf gegen die Gewerkschaften, vor allem ihre unnachgiebige Haltung im Streik der Bergarbeiter war selbst in ihrer eigenen Partei nicht populär, doch indem sie Macht der Arbeitnehmerorganisationen brach legte sie den Grundstein für das moderne Großbritannien,  das heute vor allem von Dienstleistungen und Finanzen lebt. Als Premierministerin trieb sie außerdem die Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe wie British Airways und  British Telecom voran und leitete einen konsequenten Kurs der Deregulierung ein. Mit dem „Big Bang“ des Jahres 1986  schuf sie die Voraussetzung dafür, dass an der Themse ein dynamischer Finanzdistrikt entstand, der schließlich zum größten Finanzplatz Europas wurde. Kritiker sehen darin auch den Keim der Gier und des hemmungslosen Profitstrebens, der für die späteren Exzesse der Finanzbranche verantwortlich war, deren Folgen Großbritannien heute noch schwer zu schaffen machen.

Europa – Konflikt

Zu den geflügelten Worten Thatchers gehört der Spruch „I want my money back“ mit dem sie einst in die Haushaltsverhandlungen der Europäischen Gemeinschaft zog. In Brüssel erkämpfte sie den „Britenrabatt“, der Großbritannien bis heute niedrigere Beiträge zum EU-Haushalt beschert. Ihre unnachgiebige Haltung verhinderte später, dass Großbritannien sich in der Sozial- und der Währungspolitik enger an Europa anschloss. Im Kern ihrer Europavision stand eine Freihandelszone, ein Binnenmarkt ohne soziale oder politische Verpflichtungen. Sie hegte stets ein tiefes Misstrauen gegen eine tiefere Integration der Europäischen Gemeinschaft und kämpfte deshalb mit allen Mitteln dagegen, dass es einmal zu den „Vereinigten Staaten Europas“ kommen könnte. Die Unabhängigkeit Großbritanniens und die Vormachtstellung des britischen Parlaments gegenüber dem Europaparlament waren Ziele, für die sie sich kompromisslos einsetzte. „No, no, no“ – so ihr berühmter Ausruf als es darum ging, der EU-Kommission und dem Europaparlament mehr Kompetenzen zu geben, so wie es der damalige EU-Präsident Jaques Delors vorgeschlagen hatte. Der Währungsunion erklärte sie eine klare Absage – niemals werde sie es zulassen, dass Großbritannien das Pfund aufgeben werde.

Thatchers Erbe

Ihre unnachgiebige Haltung führte schließlich dazu, dass das Thema Europa zu einer tiefen Spaltung in ihrer  eigenen Partei und 1990 schließlich zu ihrem Sturz führte. Noch heute besitzt es große Sprengkraft, selbst die Labour-Regierungschefs Tony Blair und Gordon Brown wagten es nicht, das Pfund aufzugeben. Zwanzig Jahre nach dem Rücktritt Thatchers ist die britische Bevölkerung ist weitgehend euroskeptisch geprägt und die emotionale Distanz zu Europa hat in den letzten Jahren noch zugenommen. Cameron vermied es lange klare Stellung zu beziehen, kam allerdings letztlich nicht darum herum. Dm Druck seiner Tory-Hinterbänkler folgend kündigte er im Januar an, er werde seinen Landsleuten spätestens 2017 die Möglichkeit geben, über den weiteren Verbleib in der EU abzustimmen. Vorher will der Regierungschef versuchen, das Verhältnis Großbritanniens zu lockern, eventuell sogar den Grundstein für einen neuen EU-Vertrag auszuhandeln. Ob die übrigen EU-Staaten ihm diesen Wunsch erfüllen werden ist fraglich. Seinen Werbefeldzug in  dieser Sache, der ihn unter anderem nach Spanien, Frankreich und Deutschland führen sollte, musste er nun zwar abbrechen, doch dass Cameron – ganz im Sinne seiner großen Vorgängerin – nicht aufgeben wird ist klar.

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