Freitag, 19. April 2024
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Das Netzwerk von Sebastian Kurz bringt sich bereits in Stellung

Die ersten Jobs hat Sebastian Kurz soeben vergeben: Die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger, 39, wird als neue ÖVP-Generalsekretärin den nur mäßig erfolgreichen Werner Amon ablösen; und als Bundesgeschäftsführer in die Parteizentrale zieht der 36-jährige Axel Melchior ein, früher Generalsekretär der Jungen ÖVP und zuletzt zweiter Kabinettschef des Außenministers. Diesem folgt als Bundesobmann der tendenziell immer mächtiger werdenden Teilorganisation Junge ÖVP der bisherige Generalsekretär und Kurz-Intimus Stefan Schnöll, der mit 29 zu jenen schwarzen Shootingstar zählt, die dank Kurz in den kommenden Monaten rasch Karriere machen dürften.

Der neue ÖVP-Boss tüftelt derzeit unter anderem an einem Personalpaket, um sich in Zukunft darauf verlassen zu können, dass seine Vertrauten an möglichst vielen politischen Schalthebeln sitzen – naturgemäß auf allen möglichen Ebenen: So braucht Kurz nicht nur neue Gesichter in der  Bundespartei, sondern für eine etwaige Koalitionsregierung auch ministrable Kandidatinnen und Kandidaten, die ab sofort auch medial aufgebaut werden müssen; weiters benötigt er frischen Wind für das Parlament und speziell jene Landtage, die demnächst neu gewählt werden, und nicht zuletzt wird  er auch im Kommunalbereich politische Talente in Stellung bringen müssen: Zur Zeit weiß  Kurz eine Runde aus 35 Bürgermeistern um sich, die allesamt aus dem Fundus der Jungen ÖVP kommen. Alles in allem ein idealer Zeitpunkt also für all jene engagierten und ehrgeizigen Funktionäre, die diese mit 100.000 Mitgliedern durchaus beachtliche Organisation als Sprungbrett für den nächsten Karriereschritt benützen möchten.

Die bisherigen JVP-Stellvertreter von Sebastian Kurz sind ohnedies fast durchwegs karrieremäßig belohnt worden:

  • >> Der 30-jährige Asdin El-Habbassi, der bis Herbst 2014 die Junge ÖVP in Salzburg anführte und nunmehr Landesobmann des dortigen ÖAAB ist, darf dem engen Freund sein Mandat im Hohen Haus verdanken.
  • >> Helena Kirchmayr, 34, hat es nach der Landtagswahl 2015 zur Klubobfrau der oberösterreichischen Volkspartei gebracht. Sie erwartet im Herbst ein Kind, könnte aber in absehbarer Zeit für höhere Aufgaben vorgesehen sein.
  • >> Der aus Oberpullendorf Patrik Fazekas, Jahrgang 1990, ist seit 2013 Landesobmann der  Jungen ÖVP Burgenland und seit 2015 Landtags-Abgeordneter.
  • >> Lukas Schnitzer,  29,   hat sich als schwarzer Jungfunktionär Mitte 2015 ein Ticket für den steirischen Landtag sichern können. Der gebürtige Hartberger war früher einmal parlamentarischer Mitarbeiter von Reinhold Lopatka.
  • >> Dominik Schrott, dessen zivile Berufsbezeichnung Kommunikationsmanager lautet,  konnte sich als Landesobmann der Tiroler Jung-Schwarzen hochdienen – der 29 -Jährige ist Mitglied im 33-köpfigen Landesparteivorstand der Tiroler Volkspartei mit der Ambition, demnächst in den Landtag einzuziehen.
  • >> Lukas Michlmayr, bis vor einem halben Jahr Landesobmann der niederösterreichischen JVP, hat es mit 27 Jahren großteils aus eigener Kraft geschafft, Bürgermeister von  Stadt Haag / Bezirk Amtsketten zu werden.

Jung samma, fesch samma…

Weiters kann sich Sebastian Kurz hundertprozentig auf etliche langjährige, aber durchwegs junge Vertraute verlassen, die in einem Fall im Nationalrat sitzen und in anderen als  Landtagsabgeordnete tätig sind und zu seinem konsequent aufgebauten und immer größer werdenden Netzwerk zählen:

  • >> Als eine Art Jungstar  im Parlamentsklub der ÖVP fungiert die 30-jährige Weinviertlerin Eva-Maria Himmelbauer. Die gelernte Wirtschaftsinformatikern hatte zunächst als stellvertretende Landesobfrau der niederösterreichischen JVP auf sich aufmerksam gemacht, ehe sie Mitte 2012 mit einem Platz im Hohen Haus belohnt wurde.
  • >> Im niederösterreichischen Landtag seit vier Jahren vertreten ist Ex-NÖ-JVP-Chefin Bettina Rausch – die 38-jährige Landtagsabgeordnete leitet obendrein den „Club 35″, ein Sammelbecken für ÖVPler, die mit 35 aus der Jugendorganisation ausgeschieden sind.
  • >> Christoph Wolf, 30 und ausgebildeter Steuerberater, kann es der lange von ihm geleiteten Jungen ÖVP Burgenland verdanken, dass er heute Abgeordneter zum burgenländischen Landtag sowie Landesgeschäftsführer der dortigen ÖVP ist.
  • >> Die in Bälde 34jährige  Landwirtin Kathrin Kaltenhauser sitzt bereits seit vier Jahren im Tiroler Landtag.
  • >> Der 31-jährige Julian Fässler, bis vor kurzem JVP-Obmann in Vorarlberg, schaffte 2014 den Einzug in den dortigen Landtag.
  • >> Die 29-jährige Elisabeth Olischar hat im November 2015 als Stellvertreterin des JVP-Landesobmanns den Sprung in den Wiener Landtag geschafft, wo sie Klubchef Manfred Juraczka demnächst ablösen wird.
  • >> Die erst 25-jährige Martina Jöbstl aus Zell am See, Landesobfrau der Jungen VP, fungiert für die Schwarzen schon vier Jahre lang als Bereichssprecherin für Jugend und Sport im Landtag.

Quantitativ hui, qualitativ pfui

Zum engsten Kreis von Sebastian Kurz gehören obendrein etliche ÖVP-Aushängeschilder wie Neo-Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Harald Mahrer – aber auch solche, die das noch werden wollen und daher klammheimlich für diverse Top-Positionen in Stellung gebracht werden. Nur vier Beispiele:

  • >> Barbara Eibinger-Miedl hat es mit 37 zur steirischen Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Europa, Wissenschaft und Forschung gebracht. Zuvor saß die studierte Juristin  und Betriebswirtin  schon jahrelang im Gemeinderat Seiersberg, im Bundesrat sowie als VP-Klubobfrau im steirischen Landtag. Ihre politische Startbasis war allerdings nicht die Junge ÖVP, sondern Österreichische Frauenbewegung. Die große Frage lautet, ob sie künftig für ein VP-geführtes Ressort schon in Frage käme.
  • >> Die 36-jährige Christine Haberlander, ehemals Referentin im Büro von Ex-LH Josef Pühringer, rückte vor wenigen Wochen als Landesrätin für Bildung in die oberösterreichische Landesregierung auf. In Oberösterreichs Politik sollte für sie noch einiges drinnen sein, beim Bund eher weniger.
  • >> Sebastian Schuschnig, seit sechs Jahren JVP-Landesobmann in Kärnten, ist mit 30 als bis dato jüngstes Ersatz-Regierungsmitglied im südlichen Bundesland angelobt worden. Er gilt als Zukunftshoffnung der im südlichen Bundesland nicht besonders strahlenden Volkspartei.
  • >> Gernot Blümel, früher u.a. Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei und schon einmal kurzzeitig Generalsekretär der Schwarzen, musste im Oktober 2015 als Landesparteiobmann die Wiener ÖVP übernehmen, was vermutlich nicht sein politisches Traumziel schlechthin ist. Als einem besonders engen Weggefährten eines etwaigen Bundeskanzlers Kurz könnte dem 35-Jährigen freilich eine spannendere Aufgabe überantwortet werden – was für eine steht jedoch in den Sternen.

Quantitativ betrachtet nimmt sich das Personalreservoir, aus dem Sebastian Kurz im Fall des Falles schöpfen könnte, recht eindrucksvoll aus. In qualitativer Hinsicht erweisen sich viele Kandidatinnen und Kandidaten, die im Zuge einer Verjüngungsaktion nach oben schwimmen möchten, allerdings noch zu wünschen übrig. Denn es handelt sich großteils um zwar durchaus engagierte und ambitionierte Jung-Spunde so um die 30, die letztlich aber das Besondere, etwa an Ausbildung oder beruflichem Vorleben, vermissen lassen. Manche haben etwas studiert oder studieren immer noch, wobei es zumeist um Jus oder Betriebswirtschaft geht, doch in den meisten Fällen handelt es sich bei den Kurz-Vertrauten offensichtlich um angehende Berufspolitiker. Sie treten anderen gegenüber, auch Parteifreunden, oft sehr kritisch auf, spucken vielfach vor der eigenen Klientel große Töne, rühmen sich gerne ihrer jugendlichen Dynamik und streichen gerne ihre angeblich neuartige Herangehensweise an die politische Arbeit heraus – in den allermeisten Fällen sind freilich fundiertes Wissen, der breite Überblick und selbst ein Quäntchen Erfahrung durchaus Mangelware.

Sebastian Kurz, der sich in Personalfragen freie Hand ausbedungen hat, wird jedenfalls gut beraten sein, sich nicht bedingungslos auf seine getreuen Parteigänger und -gängerinnen zu verlassen, um sich letztendlich personelle Totalflops zu ersparen. Seine verschworene Clique, die der Volkspartei eine Frischzellenkur verpassen möchte, läuft zweifellos Gefahr, sich mit allzu intriganten Methoden der „Machtergreifung“ rasch zahlreicher Sympathien zu berauben, sofern ihr noch dazu die nötige Professionalität fehlen sollte. Kurz-Kritikern ist etwa nicht entgangen, dass die Politische Akademie der ÖVP in den vergangenen Monaten als konspirative Zelle des schwarzen Umsturzes gedient haben muss – die Stellvertreter des neuen Bosses sind dort justament Elisabeth Köstinger, Harald Mahrer und Bettina Rausch, also Profiteure des Obmann-Wechsels.

Der aus heutiger Sicht durchaus chancenreiche Kanzlerkandidat mit eigener Liste und volksparteilicher Unterstützung wird erkennen müssen, dass die von ihm acht Jahre lang beherrschte Organisation als alleinige Machtbasis nicht ausreichen wird. Deshalb sollte er künftig nicht nur junge Berater und -innen aus den eigenen Reihen um sich scharen, sondern mindestens ebenso viele Experten, die nichts mehr werden wollen – beispielsweise prominente, da und dort immer wieder genannte Namen von Ohrwürmern wie Antonella Mei-Pochtler, Elisabeth Gürtler, René Benko, Stefan Pierer oder Martin Bartenstein. Denn: Ein 30-Jähriger, der unbedingt Bundeskanzler werden möchte, kann nicht alles wissen – doch man muss von ihm zumindest erwarten können, dass er sich bei den richtigen Stellen das erforderliche Rüstzeug beschafft und sich nicht auf die übliche Partei-Packelei verlässt. Dennoch finden sich in unserer kleinen Netzwerk-Doku bestimmt etliche Namen, die demnächst in der Innenpolitik wichtige Rollen spielen könnten…

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