Donnerstag, 28. März 2024
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Briten betreiben Terror-Frühwarnsystem im Nahen Osten

In Großbritannien kommen weitere Details über die dubiosen Abhörpraktiken der Geheimdienste und Einschüchterungsversuche gegen die Medien ans Licht. Bisher schadet dies der Koalitionsregierung in Großbritannien noch nicht. Doch das könnte sich ändern.

[[image1]]Überraschend ist es eigentlich nicht, doch in der Öffentlichkeit war es bisher nicht bekannt: der britische Geheimdienst GCHQ betreibt nach Informationen der Tageszeitung „The Independent“ eine Abhörstation im Nahen Osten. Das Abhören von Telefonaten, Emails und anderen Formen der elektronischen Kommunikation dient als Frühwarnsystem gegen mögliche Terroranschläge. Es ist deshalb von Bedeutung, weil über die angezapften Unterseekabel und Satellitenverbindungen ein wichtiger Teil des Datenverkehrs in der Region abgefangen, gespeichert und im Hinblick auf mögliche Hinweise auf geplante Gewaltaktionen ausgewertet werden kann. Oft ist nach vereitelten Anschlägen davon die Rede, vermehrter „Lärm“ im Cyberspace habe den Ermittlern wertvolle Hinweise geliefert, ein Teil davon dürfte auch aus dieser Quelle stammen.

Kooperation mit anderen Geheimdiensten

Die Enthüllungen des „Independent“ basieren – wie so oft – auf Material, das vom  US-Whistleblower Edward Snowden stammt. Es soll Teil jener 50.000 Dokumente sein, die Snowden im Jahr 2012 von internen GCHQ-Datenträgern heruntergeladen hatte. Die streng geheime Datenbank trage die Bezeichnung „GC-Wiki“, heißt es. Wie die Zeitung genau in den Besitz der Dokumente kam ist nicht klar. Sie berichtet jedoch, dass die britische GCHQ-Erkenntnisse, die aus den Abhöraktionen im Nahen Osten stammen, an US-Geheimdienste weitergereicht wurden. Im Kampf gegen den Terror ist ja – wie die Enthüllungen über die enge Kooperation des US-Dienstes NSA mit Großbritannien, Deutschland und anderen europäischen Staaten deutlich machte – längst ein globaler Datenaustausch üblich. Wo sich die Spähbasis der GCHQ befindet, wurde bisher zwar nicht bekanntgegeben. Doch die Briten unterhalten traditionell enge Beziehungen zu einigen Golfstaaten wie Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, so dass hier viele Optionen denkbar sind. Die Überwachungsstation wurde laut Zeitung schon unter dem letzten Labour-Außenminister David Milliband eingerichtet, der von 2007 bis 2010 im Amt war. Seit den Terroranschlägen vom 1. September 2001 erlauben sich die Geheimdienste im Namen der Prävention immer größere Freiheiten bei der weltweiten Überwachung.

Briten zeigen sich bisher gelassen

Das Außenministerium in London lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht des Independent ab. Wie auch im Falle der Guardian-Affäre zeigte die britische Öffentlichkeit auch diesmal erstaunlich wenig Empörung über die jüngste Enthüllung. Dabei illustriert der Druck auf den Guardian, der unter Aufsicht von Geheimdienstlern im Juli Computer-Festplatten mit Snowdon-Informationen zerstören musste, dass die Regierung nicht davor zurückschreckt, die Pressefreiheit zu verletzen und Journalisten zu bedrohen. Das gilt auch für den Fall David Miranda, einen freien Mitarbeiter der Zeitung, der mit einem Enthüllungs-Journalisten des Guardian zusammenlebt. Miranda war auf dem Flug von Berlin nach Rio de Janeiro bei einem Zwischenstopp am Londoner Flughafen Heathrow von der britischen Polizei in Gewahrsam genommen und fast neun Stunden lang befragt sowie zur Herausgabe seiner Passwörter für Laptop und Handy gezwungen worden. Dass die britische Polizei seit einer wenig beachteten Gesetzesänderung nun an Häfen und Flughäfen mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken bis zu maximal neun Stunden Passagiere festhalten und verhören kann, wenn sie dies mit Terrorverdacht begründet, wird bisher wohl kaum einem Engländer bewusst.

Britische Gerichte sanktionieren diese Praktiken. So gestattete ein Londoner Richter die Untersuchung der bei Mirandas Festnahme beschlagnahmten Materialien. Die Anwälte des Brasilianers hatten vergeblich versucht, das mittels einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Nach der Entscheidung des Richters begann die Polizei unverzüglich mit der Auswertung von mehreren zehntausend Seiten elektronischen Materials und sie hat nach eigenen Angaben auch bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Veröffentlichung der Informationen hätte Menschenleben gefährden können, erklärte die Polizei ohne nähere Erläuterungen. Tatsächlich gibt es in Großbritannien, wo einst die „Magna Carta“ und der „Habeus Corpus Act“ Vorbild für andere Staaten waren, im Namen der Nationalen Sicherheit und der Terrorbekämpfung nun viel größere Freiräume für die Justiz.

Politisch unbeschadet

Wie der Guardian berichtete, war die Spitze der britischen Regierung, ja Premier David Cameron selbst,  in die Einschüchterungsaktion gegen die Zeitung beteiligt, die schließlich in der Zerstörung der Festplatten gipfelte. Denn Cameron hatte seinen höchsten Beamten, Jeremy Heywood, beauftragt, Gespräche mit dem Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger zu führen, um ihn von der Veröffentlichung der Snowdon-Informationen abzuhalten. Nick Clegg, der Chef der Liberaldemokraten, den Juniorpartnern in der Regierungskoalition, unterstütze Heywoods Mission ebenfalls. Innenministerin Theresa May wiederum sanktionierte die Festnahme Mirandas ausdrücklich. Kritik kam dagegen vom ehemaligen Labour-Justizminister Lord Falconer, unter dessen Leitung das Antiterrorgesetz formuliert worden war. Falconer sagte, das Gesetz sei falsch interpretiert worden.  Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov ergab allerdings, dass nur 44 Prozent der Briten seiner Ansicht sind. Doch die große Gelassenheit könnte nachlassen, sobald in Großbritannien die Sommerpause vorbei ist. Noch befinden sich große Teile der Bevölkerung in den Ferien, mit den Parteitagen im September und Oktober wird der Ton der politischen Debatte erfahrungsgemäß härter. Zumal Oppositionschef Ed Miliband sich soeben mit der  Kritik aus den Reihen seiner eigenen Partei herumschlagen muss er habe in den letzten Wochen zu wenig Profil gezeigt.

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