Donnerstag, 28. März 2024
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Alle Finanzzyklen gleichzeitig am Wendepunkt?

Während Europa auf den Aufschwung hofft, droht Gegenwind von den Finanzmärkten. Denn schon bald dürften alle wichtigen Finanzmarktzyklen gleichzeitig in die Kontraktionsphase eingetreten sein.

[[image1]]Die Preise von Finanzinvestitionsgütern bewegen sich für gewöhnlich in Zyklen, wobei – wie beim Konjunkturzyklus – auf den Aufschwung typischerweise eine Boomphase und auf diese wiederum ein Abschwung folgt. Der erst einen Boden finden muss, bevor es wieder aufwärts geht.

Die Zyklen der einzelnen Investmentkategorien gehen dabei zwar durchwegs von den USA aus, laufen in der Regel aber nicht parallel sondern dauern unterschiedlich lang, sind unterschiedlich stark ausgeprägt und regelmäßig auch erst im Nachhinein klar zu identifizieren. So liegen die beiden letzten zyklischen Tops der Aktienkurse rund acht Jahre auseinander, was zwar einen der längsten Aktienzyklen seit dem 2. Weltkrieg darstellte, aber wesentlich kürzer war, als die Dauer eines durchschnittlichen Rohstoffzyklus, dessen beiden letzten Höhepunkte fast dreißig Jahre auseinander lagen. Noch länger dauert der Anleihenzyklus, der jedoch von stark ausgeprägten drei- bis fünfjährigen Zyklen überlagert wird.

Aktienboom geht die Luft aus

Nun ist jede Einschätzung der aktuellen Position innerhalb eines laufenden Zyklus stets anfällig für Überraschungen, der aktuelle Aktienzyklus, für den seit dem 2. Weltkrieg der marktbreite US-Aktienindex S&P 500 als Maßstab gilt, dürfte nach aller historischer Erfahrung aber wohl nicht mehr weit von seinem Top entfernt sein.

So hat er von seinem jüngsten unteren Wendepunkt im März 2009 inzwischen 146 Prozent zugelegt, womit dieser inzwischen 53monatige Bullen-Markt die durchschnittliche Dauer, die Aktien-Aufschwungphasen laut Bloomberg News seit 1946 im Schnitt dauerten, bereits um vier Monate übertroffen hat. Allerdings liegt dessen aktuelle Bewertung gemessen an den Unternehmensgewinnen (Kurs/Gewinn-Verhältnis) derzeit noch immer rund zehn Prozent unter dem langjährigen Schnitt am Kurshöhepunk, weshalb etliche Analysten meinen, dass es durchaus noch weiter nach oben gehen könne.

Demnach liege der Kurs des S&P 500 am Top im Schnitt beim 17,4fachen der Jahresgewinne, wobei das KGV des letzten Tops vom 9. Oktober 2007 bei 17,5 lag und das vorletzte Top während des New Economy Booms im März 2000 sogar 31 betragen hatte. Andere vermuten hingegen dass das zyklische Hoch gut auch schon diesen August erreicht worden sein könnte, und auch wenn es noch einige Monate nach oben gehen sollte, drängt sich bei einem Blick auf den langfristigen Chart jedenfalls die Vermutung auf, dass der nächste Wendepunkt nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

Anleihenzyklus seit letztem Sommer im Abschwung

Für den Anleihenzyklus, dessen wichtigste Benchmark traditionell die 10jährigen US-Staatsanleihen darstellen, bestehen indes wenig Zweifel, dass der Wendepunkt des langen Zyklus bereits vergangenen Sommer erreicht wurde. Seither haben sich die Dollar-Langfristzinsen (die sich invers zu den Anleihepreisen verhalten) annähernd verdoppelt, während auch die Euro-Benchmark, die 10jährige deutsche Bundesanleihe, inzwischen bereits erheblich verloren hat.

Zyklischer Aufholprozess der Rohstoffe am Ende

Bleibt als letzte grundlegende Investmentkategorie (sieht man von Immobilien ab, für die sich kaum globale Zyklen feststellen lassen) nur noch der Rohstoffsektor, der sich in den letzten zehn Jahren zu einer eigenständigen Investmentkategorie entwickelt hat.

Grund für das frisch erwachte Interesse der Finanzmärkte war ein anhaltender Preisauftrieb vor allem bei nicht-nachwachsenden Rohstoffen, der laut David Jacks, Ökonom an der kanadischen Simon Fraser University, aber gerade dabei sein könnte, zu Ende zu gehen. So hat Jacks auf Basis umfangreicher statistischer Daten auch an den Rohstoffmärkte deutliche Zyklen identifiziert und argumentiert nun, dass die überdurchschnittlichen Preissteigerungen in so gut wie allen Rohstoffkategorien nichts weiter waren, als eine Erholung von den langjährigen und teilweise jahrzehntelangen zyklischen Tiefstständen, die um das Jahr 2000 verzeichnet wurden. Dieser Aufholprozess gehe nun jedoch zu Ende, weshalb es bald auch bei den Rohstoffen mit den überdurchschnittlichen Preissteigerungen vorbei sein werde.

Trifft all dies aber zu, dann stehen den Finanzmärkten jedenfalls schwere Zeiten bevor, wobei die Realwirtschaft wohl nur hoffen kann, dass die Abschwünge möglichst rasch vorüberziehen und nicht allzu viel Schaden anrichten.

Dabei könnte sich die internationale Wettbewerbsposition des rohstoffarmen Europas durch die Beruhigung der Rohstoffpreise zwar ein wenig verbessern und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Aktieninvestoren, bevor sie den Sektor ganz verlassen, noch Gelder von US-Aktien und den Emerging Markets in europäische Titel umschichten.

Wen zudem die stetig zunehmende Ungleichverteilung der Vermögen stört, der könnte sich auch darüber freuen, dass die Vermögensbesitzer von generell rückgängigen Aktien- und Anleihepreisen naturgemäß stärker direkt betroffen sein werden, als die Habenichtse.

Allerdings gehen mit sinkenden Vermögenspreisen in der Regel auch die Ausgaben der Vermögensbesitzer und die Investitionen der Unternehmen zurück, weshalb der Kuchen insgesamt deutlich kleiner werden sollte. Selbst wenn Europa – das aufgrund der Eurozonenkrise den zaghaften Aufschwung der Weltwirtschaft seit 2009 schlicht versäumt hat – kurzfristig also einen größeren Anteil davon beanspruchen könnte, würde sich Europa einem globalen Abschwung der Finanzmärkte wohl kaum entziehen können.

 

Titelbild: BirgitH / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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