Freitag, 19. April 2024
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Zuviel an „CETA und Mordio“

Protest gegen CETA in Brüssel. Bild ©CC BY-SA 4.0 M0tty/Wikimedia (Ausschnitt)

Österreich gilt derzeit als ein schwieriger Partner innerhalb der EU. Der Grund sind vor allem immer wieder geäußerte Sonderwünsche und Extratouren. Mit dem Opponieren gegen das CETA-Abkommen, noch dazu durch den Bundeskanzler hat man dieses Image noch gestärkt.

27 EU-Regierungen haben bereits signalisiert, dass sie dem CETA-Abkommen ihr Placet für die feierliche Unterzeichnung am 27. Oktober auf einem EU-Kanada-Gipfel geben werden. Alles wartet nur noch auf das erlösende Zeichen aus Österreich. Oder besser gesagt von der SPÖ, die noch den sprichwörtlichen Eiertanz mit einem Beschluss des Parteipräsidiums beenden muss. Die ÖVP mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat sich schon längst auf die Zustimmung festgelegt.

Man darf Anlehnung bei einer Redewendung nehmen, die ursprünglich der mittelalterlichen Gerichtspraxis entstammt. „Zeter und Mordio“ stand dabei für den dringenden oder lauten Ruf nach Hilfe. Dass von der SPÖ und Bundeskanzler Christian Kern inszenierte „CETA und Mordio“ hält einer objektiven und kritischen Analyse nicht stand und wirkt vordergründig entlarvend.

„Österreichischer Klamauk“

Sich von einer Medienkampagne treiben zu lassen, ist in der Politik ein riskantes Unterfangen. Das musste jetzt auch Christian Kern erfahren. In der Hoffnung, seine Popularitätswerte steigern zu können, setzte er sich noch vor dem Sommer voll auf die Anti-CETA-Kampagne der Boulevardzeitungen und verlangte, dass das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada von den nationalen Parlamenten verabschiedet werden müsse. Was damals EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker zum Rüffel Richtung Wien veranlasste:  „Hören Sie mit dem österreichischen Klamauk auf“.

Kern ließ sich davon nicht beirren und ließ sich auf das nächste Abenteuer ein und eine Befragung der Parteimitglieder veranstalten. Diese Abstimmung führte genau genommen zu einem desaströsen Ergebnis: Gerade nur sieben Prozent nahmen diese Gelegenheit wahr und sprachen sich mit 88 Prozent gegen CETA ab. Ein Resultat, das irgendwie an die Flüchtlingsvolksabstimmung in Ungarn erinnert. Wie Viktor Orban glaubte auch Kern, sich über die niedrige Wahlbeteiligung hinwegsetzen zu können und strich daher das hohe Nein-Votum hervor. Was ihn zu guter Letzt noch veranlasste, einen Blitzbesuch bei Juncker in Straßburg zu absolvieren, um so den Eindruck vermitteln zu können, als sei er nun derjenige dem es gelingt, dem Abkommen die scharfen Zähne zu ziehen.Parteiumfrage ohne Relevanz

Bloß eine Präambel

Juncker verwehrte dem Kanzler keinen Termin, wollte ihm offenbar helfen, das Gesicht zu wahren, aber im Grunde war alles bereits auf Schiene und auch schon fertig formuliert. Denn noch am selben Tag, nur kurz nach dem Treffen der beiden Politiker wurde die so genannte Zusatzvereinbarung an alle EU-Regierungen verschickt. Auf fünf Seiten wurden bloß noch einmal – der Text erinnert an eine Präambel und nicht einen Nachtrag – jene Punkte festgehalten, die besonders wichtig für das Selbstverständnis der EU sind und auch einige der Kritiker befriedigen sollen. Es hat daher auch keine Änderungen des Vertrags gegeben sondern einige Vertragsteile wurden nur noch einmal unterstrichen.

Greenpeace & Co. verharren bei der Kritik

Durch einen Leak wurden fünf Seiten der CETA-Zusatzvereinbarung veröffentlicht, die am 18. Oktober alle EU-Mitgliedstaaten auf einem Ratstreffen in Bratislva annehmen sollen. Aus dem Text geht, wie es aus Kommissions-Kreisen heißt, „eindeutige Aussagen zu einer Reihe von CETA-Vorschriften, die für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich sein werden“. Laut dem vorliegenden Dokument kommt es unter anderem zu Anpassungen in den Bereichen gesetzliche Regulierung und Zusammenarbeit, Investitions – und Umweltschutz sowie bei der stärkeren Einbeziehung von Stakeholdern zur Kontrolle der Einhaltung der Abkommens kommen. Für die Gegner, wie Greenpeace, sind die Klarstellungen erwartungsgemäß nicht ausreichend. Auch die Opposition, von den Grünen bis zur FPÖ, wollen mit einem schwierigen, aber wichtigen Kapitel der EU-Politik weiterhin auf Stimmenfang gehen.

Die 3 Kernpunkte der Kritik

·         Da ist einmal die Notwendigkeit von Schiedsgerichten, zeigt doch die gelebte Praxis, dass im bilateralen Handelsverkehr wenn es zu Streitfragen kommt, mit nationalen Gerichten kein Auslangen zu finden ist. Daher ist eine eigene Instanz einfach nötig.

·         Selbstverständlich ist auch, dass Privatisierungen dem jeweiligen Land vorbehalten bleiben und das Schüren der Angst, dass auf die Wasser- Ressourcen etwa in den Alpen von „fremden Mächten“ zugegriffen werden kann, nur eine Propagandamasche ist.

·         Nicht gerüttelt wird auch an den Sozial- und Ökologiestandards, wobei übersehen wird, dass der EU mittelfristig eine Anpassung der 27 Sozialsysteme nicht erspart bleiben wird und Naturschutz sowie Bioanbau auch in Übersee eine hohe Wertigkeit haben

Eine vordergründige P.R.-Aktion

Dass der Regierungschef das Zusatzpapier noch nicht kommentieren will, sich ziert seine Zustimmung zu geben, hat den speziellen Hintergrund, den Schwenk vom Nein zum Ja nicht nur den Parteimitgliedern sondern vor allem der Boulevardpresse, die massiv gegen CETA polemisiert hat, begreiflich zu machen. Und damit wird erst Recht das ganze Szenario als eine P.R.-Aktion entlarvt. Das jüngste Gerücht dazu besagt auch schon, dass es sich dabei um die erste Arbeit eines neu von Kern und der SPÖ engagierten Beraterteams handeln würde.

Hauptproblem ist Informationsdefizit

Jene, die in die über sieben Jahre dauernden Verhandlungen direkt involviert waren, sagen heute, dass es beim CETA-Abkommen eines der besten Vertragswerke handeln würde. Es gibt kaum ein Argument, das nicht diskutiert, kein ernsthafter Einwand, der nicht berücksichtigt worden wäre. Für die EU-Kommission stellt der CETA-Vertrag ein Abkommen darf, das auch für weitere künftige Vertragswerke Vorbildwirkung haben wird. Auf das eigentliche Problem macht die Umfrage der Industriellenvereinigung aufmerksam. Demnach fühlen sich nur 17 Prozent der Befragten ausreichend, gar nur ein Prozent sehr gut informiert. Hingegen sagen 72 (!) Prozent, nur sehr wenig darüber zu wissen, was in dem 1.600 Seiten starken Konvolut steht. Einmal mehr hat sich ein Informationsdefizit als ein Hindernis für eine an sich effiziente Arbeit der EU erwiesen.

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