Donnerstag, 18. April 2024
Startseite / Allgemein / Wahlkampf: Kein Platz für die EU

Wahlkampf: Kein Platz für die EU

Wenn es um die Europäische Union geht, kennt er keinen Pardon: Alt-Bundeskanzler Franz Vranitzky moniert mit großer Beharrlichkeit und immer wieder das Fehlen einer sichtbaren Europa-Politik in Österreich. Die Regierung verabsäume es seit Jahren, meint Vranitzky, den  Bürgerinnen und Bürgern das Projekt Europa zu erklären und gerade in turbulenten Zeiten sachliche Überzeugungsarbeit zu leisten.

[[image1]]Seine Kritik prallt jedoch an den Adressaten scheinbar ungehört ab. Auch wenn die Republik die übrigen Mitgliedsstaaten in Brüssel bisweilen ganz schön fektered, scheint die Welt der Union für Faymann, Spindelegger & Co. eine durchaus heile zu sein.

Der Kanzler, der bekanntlich zum glühenden EU-Fan konvertiert ist, zeigt sich beinahe stolz, dass Österreich etwa in Sachen Bankgeheimnis letztlich doch dem allgemeinen Druck nachgegeben hat und auf den gewünschten Kurs eingeschwenkt ist. Er erweckt zugleich, seit der letzten ORF-“Pressestunde“ offenbar mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet, gerne den Eindruck, dass die Europäische Union ohnedies nach Österreichs Pfeife tanze. Der Vizekanzler wiederum, bekanntlich immer schon ein überzeugter Europa-Befürworter, kommentiert die jüngste Bankrotterklärung der EU27, die sich betreff Waffenlieferungen an die syrische Opposition nicht und nicht zu einigen vermochten, mit weitgehend ratloser Miene, die lediglich verrät: Na da kann ma halt nix machen …

Franz Vranitzky, der die Republik im Jänner 1995 in die EU geführt hat, liegt jedenfalls mit seinen Wortmeldungen vollkommen richtig: In der Tat laboriert die rot/schwarze Koalition seit Jahren an einem gewaltigen Kommunikationsproblem. Sie ist einfach nicht in der Lage, den Wählerinnen und Wählern auch nur halbwegs transparent zu machen, was „die da“ in Brüssel alles aushecken, wie dieser Moloch EU eigentlich funktioniert und was ein vereintes Europa dem Land zu guter Letzt an Vorteilen bringt.

Symptomatisch ist beispielsweise, dass der eigens im Außenministerium installierte EU-Staatssekretär – zur Zeit heißt er übrigens Reinhold Lopatka – praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert. Bei seinem Amtsantritt im September 2012 hatte er noch vollmundig angekündigt, dass er die EU-Gegner bald „alt aussehen lassen“ werde und „die Menschen in das Projekt Europa wieder Vertrauen gewinnen“ müssten – doch seither sind von Herrn Lopatka herzlich wenige brauchbare Aussagen überliefert. Lediglich anlässlich des Europa-Tages am 9. Mai gelang ihm der Sager, dass „die EU auch die Herzen der Menschen erreichen“ müsse.

Faymann nach Brüssel?

Das wird sie allerdings zumindest bei jenen nicht schaffen, die etwa die merkwürdigen Auftritte unserer Finanzministerin auf der europäischen Bühne verfolgen: Maria Fekter, um schräge Ansagen haarscharf an der Grenze zur Skurrilität niemals verlegen, schafft unter Ausnützung aller zur Verfügung stehender Fettnäpfchen lediglich den Nachweis, dass sich Österreich im europäischen Konzert mit einer Statistenrolle zu begnügen hat – was gelegentlich sogar eine Fehleinschätzung ist. Faktum ist, dass die beim Thema Europa lethargisch wirkende Regierung populistischen Oppositionspolitikern wie HC Strache und Frank Stronach scheinbar freiwillig das Spielfeld überlässt. Diese tun sich relativ leicht dabei, die zahlreichen EU-Skeptiker in der Bevölkerung mit teilweise hanebüchenen Argumenten und grotesken Vorschlägen (wie „Zurück zum Schilling“) noch mehr zu verunsichern, wobei sie im medialen Boulevard zumeist einen treuen Verbündeten finden.

Bedauerlicherweise liegen keinerlei Signale vor, dass die Regierung im Hinblick auf die nächsten Europa-Wahlen im Mai 2014 etwas unternehmen möchte, um all jene wieder ins Boot zu holen, die die Europäische Union – wie es Vranitzky zu formulieren pflegt – bereits mit den Worten „Versteh‘ ich nicht, brauch‘ ich nicht, will ich nicht“ ad acta gelegt haben. Der Fokus aller Parteien reicht derzeit allerdings bloß bis zur Nationalratswahl am 29. September, und bis zu diesem Zeitpunkt werden sie gnadenlos um alle möglichen Themen rangeln – die EU wird aber bestensfalls am Rande auftauchen. Das ist schade: Rot und Schwarz, in der jetzigen Konstellation womöglich ein Auslaufmodell, verpassen damit nämlich eine riesige Chance. Europa ist für die Zukunft des Landes allemal mindestens ebenso wichtig wie die vermutlichen Wahl-Knüller Skandalbewältigung, Wohnungspreise und Ausländer.

In diesem Zusammenhang sollte auch eine Personalie zu denken geben, die unlängst bekannt geworden ist: Der langgediente Europa-Abgeordnete der SPÖ, Hannes Swoboda, wird nicht mehr kandidieren, sondern sich mit 66 in den Ruhestand begeben. Damit verlieren die Sozialdemokraten ihren erfahrensten EU-Mann, der zuletzt auch als Fraktionschef der zweitstärksten Gruppierung im Europa-Parlament, der europäischen Roten, einen exzellenten Job gemacht hat. Swoboda hat eine steile Karriere hinter sich, obzwar er es parteiintern nicht immer leicht hatte, beispielsweise mit Ex-Kanzler Viktor Klima. Dieses Schicksal musste er mit seinem Pendant bei den Schwarzen,  Othmar Karas, teilen, dem Josef Pröll seinerzeit ausgerechnet einen gewissen Ernst Strasser vor die Nase setzte. Beide haben die Demütigungen gottlob überwunden und als bedingungslose Proeuropäer für Österreich eine Menge Positives geleistet. Speziell die SPÖ wäre nunmehr gut beraten, mit der Suche nach einem geeigneten Swoboda-Nachfolger zu beginnen – aber auch von der ÖVP, die vermutlich weiter auf Othmar Karas setzen wird, ist zu hoffen, dass sie möglichst bald bestens geeignete Kandidaten nominiert.

Im EU-Parlament sollten nämlich künftig nicht – was bislang gelegentlich so war – rot-weiß-rote Abgeordnete sitzen, für die man im Lande letztlich keine Verwendung fand. Vielmehr müssten die Parteien schon jetzt eine exzellente Truppe der besten Köpfe aufbauen, die das Land in Zukunft optimal repräsentieren würde. Und wer weiß, vielleicht landen – falls im September alle Stricke reißen – auch Werner Faymann und Michael Spindelegger nach der EU-Wahl in Brüssel und Straßburg – eine gewisse Erfahrung bringen die beiden ja zweifellos mit …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

Länder-Image: Kanada ist top, Österreich Zwölfter, die USA enttäuschen und Russland ist letztklassig

Das renommierte Reputation Institute in New York hat soeben, wie alljährlich, eine Studie präsentiert, die das Image von 55 Staaten untersucht. Heuer wird darin Kanada - nicht zum ersten Mal - die weltweit beste Reputation bescheinigt. Im „2015 Country RepTrak“ des Instituts, der auf 48.000 Interviews mit Menschen aus den G8-Ländern basiert, liegen Norwegen, Schweden, die Schweiz und Australien im Spitzenfeld. Österreich rangiert immerhin - trotz eines kleinen Rückfalls - an zwölfter Stelle, Deutschland dagegen ist auf Rang 15 abgerutscht.