Freitag, 29. März 2024
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Wahlen 2017: Attacke der Rechtspopulisten

in Frankreich bewirbt sich „Front National“-Chef Marine Le Pen in vermutlich zwei Durchgängen um das Präsidentenamt. © Bild: Foto-AG Gymnasium MelleBereits in wenigen Wochen finden zwei mit Hochspannung erwartete Wahlen statt: In den Niederlanden wird es am 15. März darum gehen, ob es der rechtsradikale Ober-Populist Geert Wilders mit seiner „PVV“ tatsächlich schafft, zur stimmen-stärksten Partei des Landes zu werden. Und in Frankreich bewirbt sich „Front National“-Chef Marine Le Pen in vermutlich zwei Durchgängen um das Präsidentenamt. Sollte sie es am 23. April und 7. Mai wirklich schaffen – wonach es gottlob nicht aussieht – , wird die Europäische Union ein massives Problem bekommen.

Die einschlägigen Meinungsforscher betätigen sich trotz des doppelten Debakels beim britischen Brexit-Referendum  und der amerikanischen Präsidenten-Wahl erneut als Propheten: Für Wilders sehen sie durchaus gute Chancen, dass er sein Ziel erreichen kann – was allerdings noch nicht heißen muss, dass er auch wirklich der nächste niederländische Premier wird, weil die übrigen Parteien alles versuchen dürften, um ihn von der Macht fernzuhalten. Le Pen wiederum könnte sich zwar im ersten Anlauf durchsetzen, bei der Stichwahl sollte sie jedoch eindeutig den Kürzeren ziehen: Die Frage ist offen, ob sie letztlich gegen Francois Fillon, den Kandidaten der  konservativen Partei „Les Républicains“, oder gegen Emmanuel Macron, den früheren Wirtschaftsminister im Kabinett von Francois Hollande, unterliegt. Während der 63-jährige Fillon, der einst Premier unter Nicolas Sarkozy gewesen ist, wegen der Affäre um eine angebliche Scheinanstellung seiner Ehefrau Penelope in den Umfragen deutlich absackt, spürt der erst 39-jährige Macron  als unabhängiger Kandidat plötzlich Rückenwind.

Es gilt als ausgemacht, dass die französischen Republikaner und die mit Benoit Hamon chancenlosen Sozialisten gemeinsam alles versuchen werden, um die 49-jährige Volkstribunin Le Pen zu verhindern. Die langjährige EU-Abgeordnete, die sich längst als Galionsfigur der extremen Rechten in Europa etabliert hat, verbreitet fast in ganz Europa Angst und Schrecken, weil sie einen Austritt der Grande Nation aus der Europäischen Union sowie der Nato anpeilt, ähnlich wie Donald Trump als militante Anhängerin des Protektionismus auftritt, ständig gegen alle Arten von Ausländern zu Felde zieht und schlussendlich selbst  nichts gegen die Einführung der Todesstrafe hätte.

Am Sprung nach oben

In den Niederlanden und Frankreich, in weiterer Folge bei der Bundestagswahl in Deutschland, womöglich auch bei Wahlgängen in Österreich und Italien, wird sich weisen, wie stark rechtsextreme, rechtsradikale, rechtspopulistische bzw. ultranationalistische, fremdenfeindliche Parteien werden können. Mit fünf rühmlichen Ausnahmen – Spanien, Portugal, Irland, Luxemburg, Kroatien und Malta – treiben derartige Gruppierungen längst in den EU-Mitgliedsländern ihr Unwesen. Ihre allesamt recht ähnlich gestrickten Galionsfiguren schöpfen mit immer den selben Parolen aus einem Wählerpotential, das – siehe Österreich – maximal bereits mehr als 30 Prozent ausmacht, im Schnitt allerdings deutlich darunter liegt. 

In einigen Staaten – etwa in Finnland, Lettland und der Slowakei – sitzen sie schon in Koalitionsregierungen, in anderen wiederum befinden sie sich am Sprung nach ganz oben: Die besten Beispiele hierfür sind Geert Wilders in den Niederlanden und  HC Strache in Österreich, die beim nächsten Wahltermin für unliebsame Überraschungen sorgen könnten. Das Schlimme daran ist zum einen, dass Parteiführer dieses Kalibers mit ihren politischen Strategien weitgehend auf der Linie des neuen US-Präsidenten Donald Trump liegen, den sie so wie Marine Le Pen neuerdings nachzuäffen versuchen. Zum anderen sollte es ein Alarmsignal sein, dass Europas extreme Populisten offensichtlich zugleich die Sympathien von Kreml-Boss Vladimir Putin genießen, manchmal auch seine Parteispenden.

     


Wie groß die Gefahren, die von derartigen Polit-Lagern ausgehen, bereits sind und welche künftigen Optionen sich für sie abzeichnen, wollen wir – Land für Land – beim folgenden Streifzug durch Europa analysieren:

Niederlande

Am 15. März wird das Parlament neu gewählt.  Geert Wilders mit seiner rechtspopulistischen PVV („Partij voor de Vrijheid“), derzeit mit Prozent auf Platz 3, könnte seinen Stimmenanteil verdreifachen und damit stärkste Kraft werden. Wenn’s ganz blöd herginge, würde er um bis zu 17 Mandate zulegen, die die regierenden „VVD“ unter Ministerpräsident Mark Rutte verlieren dürfte. Deren Koalitionspartner, der sozialdemokratischen „PvdA“, droht sogar ein noch größeres Fiasko.

Bulgarien

In Bulgarien wird am 26. März gewählt. Die „Patriotische Front“, nationalistisch, rechtsextrem und EU-skeptisch, wird sich, nachdem es  die ähnlich geartete, nämlich ultranationalistische, fremdenfeinliche „Ataka“ bei den Wahlen  2014 endgültig zerrissen hat, unter dem neuen Label „Vereinigte Patrioten“ um das einschlägige Wählerpotenzial bemühen. Beim erstmaligen Antreten vor vier Jahren hatte sie 19 Mandate errungen, womit sie zur fünfstärksten Partei Bulgariens geworden ist.

Frankreich

Mit einer einzigen Ausnahme glauben alle Meinungs-Auguren, dass Marine Le Pen im ersten Wahlgang 24 bis 27 Prozent der Stimmen gewinnt und damit voran liegt. Laut jüngsten Umfragen liegt Emmanuel Macron mit 20 bis  23 Prozent auf Platz 2, Francois Fillon ist in den letzten Tagen auf 18 bis 21 Prozent abgestürzt. Bei der Stichwahl könnte es freilich ganz anders aussehen: Bei einem Duell Le Pen gegen Macron werden Letzterem mit 66 : 34 die besseren Chancen eingeräumt; Fillon würde die Front National-Chefin ebenfalls deutlich besiegen, auch wenn sein prognostizierter Stimmenanteil von 64 auf 59 Prozent geschrumpft ist. Falls aber  Macron und Fillon  ins Finale kämen, hieße der nächste französische Präsident Macron – meinen zumindest die Meinungsforscher, die bekanntlich oftmals total daneben liegen.

Deutschland

Am 17. September 2017 wird für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) die Stunde der Wahrheit schlagen: Während sie vor vier Jahren mit 4,7 Prozent der Stimmen den Einzug in den Bundestag verfehlt hatte, rechnet sie sich nunmehr beste Chancen aus. Die Meinungspropheten trauen ihr zu, dass sie im Schatten des Giganten-Duells Angela Merkel gegen Martin Schulz zehn bis vierzehn Prozent holen und damit unter Umständen auf einen Satz die Linken, die Grünen sowie die FDP überflügeln könnten.

Österreich

Die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) führt seit geraumer Zeit in sämtlichen Meinungsumfragen klar: Mit prognostizierten 32 bis 33 Prozent hält sie die Koalitionsparteien SPÖ (29 %) und ÖVP (19 bis 20 %) sowohl auf Distanz als auch auf Trab. Ob FPÖ-Obmann HC Strache sein Ziel, endlich Kanzler zu werden, jemals erreicht, wird vom Wahltermin, von der künftigen Performance seiner Gegenspieler und letztlich im Idealfall von seinem Geschick abhängen, einen Koalitionspartner ins Boot zu holen.

Italien

Unter den diversen populistischen Parteien steht die „Lega Nord“ unter Matteo Salvini  am weitesten rechts, sie kommt allerdings über 14 Prozent, die ihr in Umfragen mit Blickrichtung nächste Wahlen attestiert werden, nicht hinaus. Weitaus bessere Chancen werden der „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo eingeräumt – nämlich fast an die 30 Prozent, was im günstigsten Fall Platz 1 bedeuten könnte. Die nationalkonservativ bis rechtsextreme Gruppierung „Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale“ käme laut aktuellen Prognosen hingegen gottlob auf nicht einmal fünf Prozent. Der nächste Wahlgang muss spätestens Ende Mai 2018 stattfinden.

Polen

Die polnische Regierungspartei „Prawo i Sprawiedliwość“ (PiS), die seit Oktober 2015 mit ihren Hardliner-Maßnahmen Angst und Schrecken verbreitet, darf mit Fug und Recht als  nationalkonservativ, rechtspopulistisch und EU-skeptisch bezeichnet werden. Jarosław Kaczyński  steht als Regisseur im Hintergrund für einen Kurs, der zumindest europa-weit auf massive Widerstände stößt. Im Vergleich zur PiS wirken die kleineren rechtsextremen bzw. rechtsradikalen Gruppierungen – „Kukiz’15“ als drittstärkste Partei und die mit ihr verbandelte   „Ruch Narodowy“ (RN)   – als geradezu harmlos. Kukiz ist mit 36 Mandataren im Sejm präsent, RN mit sechs – die regierende PiS dagegen mit nicht weniger als 235.

Finnland

Die rechtspopulistische, EU-skeptische „Perussuomalaiset“ (auf deutsch: Die Finnen) wurde 2015 mit 18 Prozent der Stimmen und 38 Abgeordneten die drittstärkste Partei. Sie kämpft zwar u.a. gegen das Establishment, darf aber dennoch in der regierenden Mitte-Rechts-Koalition sitzen. Auch wenn es beim letzten Wahlgang ein Minus setzte, hofft die Partei auf den steilen Aufwärtstrend seit 16 Jahren.

Lettland

Seit  Oktober 2014 behauptet sich die rechtsradikale „Nationale Allianz“  (NA) mit 17 von insgesamt 100 Parlamentssitzen auf Rang 4. Sie ist in der Koalition unter Ministerpräsident  Māris Kučinskis mit drei Ministern vertreten. Ihre Chefs wollen das Wählerpotenzial – derzeit rund 14 Prozent – beim nächsten Mal, 2018, deutlich ausbauen.

Slowakei

Bei der letzten Wahl im März 2016 konnte die  nationalistische „Slowakische Nationalpartei“ (SNS) wieder ins Parlament einziehen, wo  sie mit 15 Mandaten viertstärkste Partei ist. Die SNS hat es zugleich geschafft, Koalitionspartner von Ministerpräsident Robert Fico zu werden. Überdies mischt in der Slowakei erstmals auch die rechtsextreme „ĽSNS“ von Marian Kotleba mit 14 Abgeordneten mit. Die beiden Parteien halten auf Grund ihres zusammen fast 17prozentigen Stimmenanteils nahezu ein Fünftel der 150 Parlamentssitze.

Dänemark

Im Mai 2015 katapultierte sich die rechtspopulistische „Dänische Volkspartei“ vom dritten auf den zweiten Platz. Mit 21 Prozent der Stimmen und 37 Mandaten eindeutig im Aufwärtstrend, ging sie mit Ministerpräsident Lars Lokke  Rasmussen dennoch keine Koalition ein, sondern stützt bloß dessen „Venstre“-Minderheitsregierung. Für 2019 peilt sie den nächsten Sprung nach vorne an –  doch die dänischen Meinungsforscher sehen sie derzeit nur bei 16 Prozent.

Ungarn

Die rechtsextreme Partei „Jobbik“ ist beim letzten Wahlgang im Jahr 2014 mit 20 Prozent der Stimmen wieder drittstärkste Partei geworden und verfügt seither über 23 der 199 Mandate. Gerne als „Neonazi-Partei“ abgestempelt, lauert sie in Opposition auf ihre Chance – was allerdings angesichts des autoritären Regierungschefs Viktor Orbán, der an der Spitze der als Volkspartei getarnten „Fidesz“ EU-weit zum rechten Rand des politischen Spektrums zählt, gar nicht so einfach ist.

Schweden

Beim letzten Urnengang, im September 2014,  errang die rechtspopulistische Partei „Schwedendemokraten“ 49 Sitze im Reichstag und war damit der große Wahlsieger. Stimmenmäßig  hält sie freilich erst bei rund 13 Prozent – was 2018 ausgebaut werden soll. In aktuellen  Umfragen liegen sie im Moment bei 18 Prozent.

Großbritannien

Die „UK Independence Party“ (UKIP), der das Königreich den Brexit verdanken kann, hat bei den Unterhaus-Wahlen im Mai 2015 zwar 12 Prozent der Stimmen erzielt, doch auf Grund des  relativen Mehrheitswahlrechts gerade mal einen von 650 Wahlkreisen gewonnen. Einen Triumph hatte sie indes bei der Europa-Wahl im Jahr davor geschafft, als sie mit 28 Prozent der Stimmen stärkste britische Partei wurde und folglich 24 Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden durfte. Der damalige UKIP-Chef  Nigel Farage setzte sodann alles daran, dass das Brexit-Referendum so ausging, wie es eben ausging – und prompt schmiss er den Job hin. Ob sich UKIP künftig im Aufwind befindet oder von frustrierten Wählern boykottiert werden wird, ist eine Elfer-Frage.

Estland

Die populistische „Konservative Volkspartei“ muss sich seit März 2015 mit sieben von insgesamt 101 Parlamentssitzen begnügen, was ihr freilich kaum jemand zugetraut hatte. Als sechstgrößte Partei setzt sie zwar in bewährter Manier auf einschlägige Themen, fällt jedoch nichts sonderlich auf. Die Wahl 2019 wird für die  Nationalkonservativen jedenfalls eine große Bewährungsprobe sein.

Belgien

Von den elf Parteien in der Abgeordnetenkammer verdient die Nummer Eins in Flandern, die „N-VA“, das Prädikat „nationalistisch“ – und sie legte im Mai 2014 auch kräftig auf 33 Sitze zu. Die rechtsextreme, separatistische Regionalpartei „Vlaams Belang“ hingegen, die ihre erfolgreichste Zeit längst hinter sich hat, kämpft gegen Wählerschwund und brachte es zuletzt nur noch auf drei Mandate im belgischen und sechs im flämischen Parlament. Im Augenblick ist sie bloß die Nummer 10 im Königreich.

Griechenland

Die neonazistische „Goldene Morgenröte“, die im September 2015 mit sieben Prozent der Wählerstimmen Rang 3 bekleidet hat, und die nationalkonservativ-rechtspopulistische „Anel“, die immerhin auf fast vier Prozent kam, stellen alles in allem 28 von 300 Abgeordnete, doch sie hoffen inständig auf mehr Wähler beim nächsten Wahlgang.

Litauen

Die „Partei für Ordnung und Gerechtigkeit“ (kurz: TT) rangiert nach Stimmenverlusten bei der Wahl im Oktober 2016 mit 5,3 Prozent nur auf Platz 7, doch die Meinungsforscher im Lande trauen ihr derzeit bis zu acht Prozent zu. Der nächste Urnengang soll freilich erst  2020 stattfinden.

Rumänien

Die rechtsradikale Partei „Vereinigtes Rumänien“ rangiert mit 2,8 Prozent der Wählerstimmen abgeschlagen auf Rang 7 – also genau so unter Ferner liefen wie die noch winzigere rechtsextreme  „Partidul România Mare“ (was so viel heißt wie  Großrumänien-Partei). Von der aktuellen Regierungskrise so knapp nach den Dezember-Wahlen werden die Extrem-Populisten, wie’s aussieht, wohl nicht profitieren können.

Slowenien

Die „Slowenische Nationale Partei“, die bis 2011 im Parlament vertreten war, spielt seither praktisch keine Rolle mehr.

Tschechien

Die 2013 von einem Touristunternehmer gegründete „Usvit“ (auf deutsch: Morgendämmerung) war und ist praktisch eine Totgeburt, auf Grund interner Dauerstreitereien nie im Stande, ihre populistischen Parolen (z.B. gegen Roma) an den Mann zu bringen.

Zypern

Die rechtsextreme „Nationale Volksfront“, die nicht im Parlament sitzt, muss auf der Insel mit der Lupe gesucht werden.
 

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