Dienstag, 19. März 2024
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Syrer auf das Erdbeerfeld?

Bundeskanzler Kern will syrische Flüchtlinge in Österreich arbeiten lassen. Brüsseler Stellen träumen von Ernteeinsätzen in der Landwirtschaft. Was man machen kann, und was es kostet.

In Deutschland dürfen sich anerkannte Asylsuchende schon nach drei Monaten am Arbeitsmarkt umsehen, für jeden zehnten ist das von Erfolg gekrönt. Das könnte bald auch hierzulande gelten, geht es nach dem neuen Bundeskanzler.

Viele Medien schwärmen (verdächtig häufig) von der hervorragenden Ausbildung syrischer Zuwanderer, die nur noch von deren Arbeitswut übertroffen würde. Also alles kein Problem?

Fehl- oder unqualifiziert

Die meisten syrischen Flüchtlinge sind männlich und jünger als 35 Jahre. 55% geben an, über Matura oder Uni-Abschluss zu verfügen[1]. Das hat freilich niemand nachgeprüft – auch nicht das Niveau der Ausbildung.

Dabei sind solch Papiere ohnedies fast ohne Wert, denn ihre Inhaber sprechen kein Deutsch. Und selbst wenn sie es irgendwann einmal könnten – wer braucht syrische Verwaltungsbeamte, Lehrer für Englisch-Arabisch oder Juristen für islamisches Recht? Jene Ausbildungen, die in Europa aber händeringend gesucht werden – Ingenieure und Industriefacharbeiter – waren auch in Syrien Mangelware.  

Falsche Hoffnungen geweckt

Das Problem ist ein ganz anderes. Eines, das sich nicht in Zahlen fassen lässt. Die Öffnung deutscher Grenzen durch Bundeskanzlerin Merkel wurde von arabischen Medien als Hilferuf transportiert, vermeintlich menschenleere Landschaften in Europa mit neuem, arabischem Leben zu erfüllen. Als Dank sollten die Einwanderer mit teuren Ausbildungen, tollen Jobs und schicken Häusern belohnt werden.

Dass die Realität für sie aber eher Jobs als Abwäscher, Kloputzer und Krankenhelfer vorgesehen hat, ist vielen noch nicht ganz bewusst. Schon jetzt mehren sich Fälle, in denen Syrer körperlich harte Tätigkeiten (etwa in Sägewerken) oder „sozial niedrige“ im Reinigungsbereich (teilweise empört) ablehnen. Sie wollten lieber Medizin und BWL studieren.

Erntehelfer ausgetauscht

Die Idee, Syrer als Erntehelfer in der Landwirtschaft einzusetzen – flankiert von sozialen und finanziellen Maßnahmen – hat zugegebenermaßen Charme. Man hielte die jungen Männer von der Kriminalität fern, entlastete die Kommunen und gewöhnte sie an europäische Arbeitsrhythmen.

Unglücklicherweise sind alle einschlägigen Stellen in Europa aber längst besetzt. Im überwiegenden Fall von Polen oder Ungarn. Oft arbeiten diese schon in der zweiten Generation am selben Hof. Sie sprechen Deutsch und kommen mit der Agrartechnik gut zurecht – weil sie selber oft von Mini-Höfen stammen. Mit ihren Überweisungen (über)leben ganze Landstriche in Osteuropa. Regionen, in denen die Löhne geringer sind als sie es je in Syrien waren.

Syrer hier hinein-zu-subventionieren hieße bloß, „alte“ Zuwanderer durch „neue“ zu ersetzen.

Arbeitslosigkeit explodiert

Das passiert nämlich gerade in großem Stil. Die Einwandergenerationen der 70iger und 80iger-Jahre werden aktuell von neuen aus Rumänen, Ungarn und Polen überrollt. Mindestens 14 Millionen Bürger haben Osteuropa seit 1989 in Richtung Westen verlassen, schätzt Tomas Sobotka vom Vienna Institute of Demography. Allein in Mazedonien will jeder zweite Junge baldigst in den Westen wandern[2].

Dort treffen sie nun auf Flüchtlingsströme aus Afrika und dem arabischen Raum.   

Und auf ein Arbeitslosenheer. Fast jeder zehnte war hier im Winter ohne Job[3] (oder 500.000 Menschen). 50.000 trifft das Schicksal schon seit über einem Jahr, ihre Anzahl hat sich binnen Jahresfrist verdoppelt.[4]

Für Österreicher sind Syrer keine Konkurrenz – aber für die Langzeitarbeitslosen. Und von denen hat schon jeder Vierte einen fremden Pass. Bei stark steigender Tendenz.

Ausweg „Einschicht“?

Weil die Zuwanderung die Mieten in den Metropolen explodieren lässt, fordern deutsche Experten (des DIW[5]), Syrer bewusst in solchen Gegenden anzusiedeln, die von hoher Abwanderung geprägt sind. Etwa in der ehemaligen DDR.

Das Problem? Jene Großbetriebe mit Fließbandjobs, wie sie für ungebildete Syrer ohne Deutschkenntnisse in Frage kommen, sind dort gar nicht (mehr). Entweder sind sie längst in China – oder sie stehen in den überlaufenen Ballungszentren Süddeutschlands, des Rheintales oder des Ruhrpotts.

Mindestlöhne senken

Das Angebot an erprobten Lösungen ist breit – aber grausam. Einerseits könnte man die Mindestlöhne für Syrer einige Jahre lang absenken. Dann entspräche ihre geringe Produktivität den Arbeitskosten und sie kämen schnell in Lohn und Arbeit. Allerdings stiege dadurch die soziale Gefahr gewalttätiger Parallelgesellschaften wie in Frankreich oder England.

In einer anderen Variante könnte der Staat Teile der Lohnkosten übernehmen – ähnlich funktioniert das bei der Mindestsicherung, wo Geringverdiener Zuschüsse aus Steuergeld bekommen.

Scheckbuch-Integration

Von aufgeweichten Sozialstandards will man bei Österreichs Kanzlerpartei freilich gar nichts wissen. Und so bleibt nur der teuerste Weg: Die Integration mit dem Scheckbuch.

Wifo-Experte Scheiblecker schätzt die jährlichen Integrationskosten auf etwa vier Milliarden Euro[6]. Um diese hereinzubekommen, müsste man (Flug-)Benzin, Diesel und Heizöl mit 40 Cents je Liter besteuern. Die Deutschen planen unter Schäuble übrigens ähnliches.

Weniger ökologisch – dafür umso effizienter – wäre die sofortige Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters um drei Jahre. Von 58 auf 61 Jahre. Das hätte ähnlich viel hereingespielt, ohne in das Portemonnaie greifen zu müssen.

Vielleicht ist das endlich jener Druck von außen, der uns „Ösis“ zu Reformen zwingt. Und zu der Einsicht, dass es eine Integration syrischer Flüchtlinge, die sich „so nebenbei“ ganz von selber finanziert, nicht geben wird.



[1] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, In: „Arbeitsmarkt, Wohnungen, Finanzen: Wirtschaftsfaktor Flüchtling – was auf Deutschland zukommt“, Der Spiegel, 3.11.2015

[2] „Die vergessene Völkerwanderung“, Die Presse, 29.5.2016

[3] Oder in Schulungen

[4] AMS Übersicht, April 2016

[5] Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

[6] „Wifo: Flüchtlinge bringen netto mehr Geld, als sie kosten“, SN, 29.5.2016

 

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