Freitag, 29. März 2024
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Streit um die Bankenunion

Europas Steuerzahler sollen künftig nicht mehr für marode Banken aufkommen. Mit diesem Ziel errichtet die EU derzeit die Bankenunion, deren jüngsten, zentralen Baustein EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier in dieser Woche vorstellte. Seine Pläne zur Abwicklung von Banken sorgen allerdings für einen handfesten Streit zwischen Berlin und Brüssel. Es könnte eine Weile dauern, bis das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten zu einer gemeinsamen Haltung zu diesem Thema kommen.

[[image1]]Im größten EU-Mitgliedsland Deutschland ist die Erregung über den Kommissionsvorschlag groß. Schon am Mittwoch wies ein Regierungssprecher darauf hin, dass die EU-Kommission damit ihre Kompetenzen überschreite. Finanzminister Wolfgang Schäuble urteilt, der Vorschlag ruhe auf „tönernen Füßen“, weil die Rechtsgrundlage nicht gesichert sei.

Nazi-Vergleich sorgt für Aufruhr

Für großes Aufsehen im Ausland sorgte der Ausbruch von Stephan Götzl, dem Chef des Genossenschaftsverbands Bayern, der einen Vergleich mit der Nazi-Zeit zog. „Was die EU-Kommission gestern vorgelegt hat, ist in meinen Augen nichts anderes als ein Ermächtigungsgesetz – und mit Ermächtigungsgesetzen haben wir in Deutschland schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte der Präsident der bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken am Donnerstag bei einer Festveranstaltung seines Verbands.

In der EU-Kommission weiß man, dass nun schwierige Verhandlungen bevorstehen, auch wenn andere Länder wie Österreich den Plänen offener gegenüberstehen. EU-Parlament und Mitgliedsstaaten werden Nachbesserungen fordern.

Die deutsche Bundesregierung stört sich besonders an der Tatsache, dass die EU-Kommission nach dem aktuellen Stand die endgültige Entscheidung fällen soll, ob eine Bank überlebt oder geschlossen wird. Der von Barnier vorgeschlagene Abwicklungsmechanismus sieht vor, dass zunächst ein Board über die Zukunft der Bank entscheidet. In diesem Board sind die Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) vertreten sowie die nationalen Abwicklungsbehörden der Länder, in denen die betroffene Bank aktiv ist. Die Gastländer verfügen gemeinsam über eine Stimme genauso wie die anderen Mitglieder des Boards. In einem zweiten Schritt muss diese Entscheidung von der EU-Kommission bestätigt werden, um rechtsverbindlich zu werden. Da das neu zu schaffende Board nicht in den EU-Verträgen als Organ vorgesehen ist, kann es keine so weitreichende Entscheidung treffen.

Abwicklung soll schnell entschieden werden

In der Praxis sei es schwer vorstellbar, dass  die EU-Kommission zu einer anderen Schlussfolgerung als das Board komme, sagte ein hoher EU-Beamter. Aber theoretisch ist es möglich. Alleine diese Möglichkeit schürt in Deutschland und anderen Ländern die Angst, dass die Kommission künftig über das Schicksal von Banken entscheidet.

Die Kommission hat sich nach eigenen Angaben nicht um diese Aufgabe gedrängt. Die anderen rechtlich möglichen Optionen seien aber unattraktiv. Weder dem Europäischen Parlament noch dem Rat, also dem Gremium der Mitgliedsstaaten, traut die Kommission zu, eine Entscheidung schnell genug treffen zu können. Das Ziel ist, binnen eines Wochenendes zu einem Ergebnis zu kommen. Die EZB, die künftig die rund 130 größten Banken in der Eurozone beaufsichtigen wird, kommt wegen eines möglichen Interessenskonflikts nicht in Frage.

Wackelige Rechtsgrundlage

Die deutsche Bundesregierung kritisiert vor allem, dass Brüssel eine Rechtsgrundlage für den Abwicklungsmechanismus fehle. Im Kern geht es aber darum, dass Berlin die Kompetenz nicht nach Brüssel abgeben will. Das juristische Argument ist allerdings nicht banal. Die Kommission beruft sich auf Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, einer allgemeinen Ermächtigungsgrundlage für die Angleichung nationaler Gesetzes zugunsten des Binnenmarktes. Dass dies juristisch wackelig ist, leuchtet auch dem Laien ein: Die Kommission argumentiert mit dem Binnenmarkt, obwohl in diesem Fall mit der Eurozone nur ein Teil davon betroffen ist.

Die deutschen Einwände lassen sich allerdings nicht als juristische Kleinkrämerei abtun, wie das manche in Brüssel versuchen. Bei der Abwicklung einer Bank geht es um riesige Summen. Sollte ein Anteilseigner, der großen Schaden erlitten hat, hinterher gegen die Schließungsentscheidung klagen, so muss diese gerichtsfest sein.

Der deutsche Finanzminister Schäuble argumentiert, dass ein Zusammenschluss nationaler Abwicklungsbehörden die bessere Lösung sei. Allerdings fürchtet die EU-Kommission, dass sich an der aktuellen Situation nichts ändert. Und weiterhin zu viele Banken auf Kosten des Steuerzahlers am Leben gehalten würden.
 

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