Donnerstag, 28. März 2024
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Spindelegger: „Müssen den Bürgern klar machen, dass die Entscheidungen der EU in ihr tägliches Leben einfließen“

Die Politischen Parteien rüsten für die EU-Wahlen im kommenden Mai. Im Gespräch mit der EU-Infothek erläutert ÖVP-Chef Vizekanzler Michael Spindelegger, mit welchen Argumenten man die Österreicher überzeugen will.

[[image1]]Wie lautet das Wahlziel der ÖVP bei den EU-Wahlen 2014?

Unser klares Ziel ist es, Platz eins zu verteidigen. Wir haben mit Othmar Karas einen hervorragenden Spitzenkandidaten und einen fundierten Kenner der EU-Politik, der sich über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung erarbeitet hat. Das zeigt er auch als Vizepräsident des EU-Parlaments. Damit ist er der derzeit hochrangigste österreichische Politiker im EU-Parlament.

Erwarten Sie, dass nach den Turbulenzen der letzten Jahre EU- und Euro-kritische Parteien eher Wähler mobilisieren können als Pro-Europa-Parteien?

2014 wird ein Schlüsseljahr für ganz Europa, denn die Wahlen zum Europäischen Parlament finden erstmals unter den Regeln des Vertrags von Lissabon statt. Als Europapartei Österreichs ist es für die ÖVP von zentraler Bedeutung, den Zukunftsbereich Europa zu thematisieren und als starke Stimme aufzutreten. Populistische Parteien machen es sich immer leicht. Sie schimpfen über Missstände, reißen Dinge aus dem Kontext und vergessen dabei völlig darauf, realistische Alternativen vorzulegen.  Man muss stattdessen Überzeugungsarbeit leisten, dass wir die besseren Konzepte für Europa haben, als die rechten Hetzer, die ständig versuchen, Angst zu schüren.

Mit welchen Themen will ÖVP bei den Österreichern punkten?

Wir wollen für Österreich in Europa mitgestalten und uns zu einer aktiven Europa- und Außenpolitik verpflichten. Aber immer mit einer klaren österreichischen Handschrift. Die Herausforderungen in Europa sind groß: Konsolidierung der Haushalte, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, in der Weltpolitik mit geeinter Stimme auftreten, unseren gemeinsamen Werten weltweit Beachtung verschaffen. Um unsere europäischen Freiheiten auch in Zukunft zu haben, brauchen wir jetzt zusätzliche europäische Sicherheiten. Die gilt es aufzubauen, zur Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität. Österreich hat hier vielfach eine Vorbildfunktion. Und daher eine besondere Verantwortung, europäische Politik aktiv mitzugestalten.

Welche Maßnahmen sollten gesetzt werden, um die Zustimmung der Österreicher zu erhöhen?

Wir müssen versuchen, den Bürgern klar zu machen, dass die Entscheidungen der Europäischen Union nicht weit entfernt sind und nichts mit ihren Lebensrealitäten zu tun haben, sondern in ihrem täglichen Leben einfließen. Sei es durch das Fallen der innereuropäischen Passkontrollen, den niedrigen Roaming-Gebühren, den einheitlichen Verbraucherrechten, der freien Wahl der Energieversorger, der erleichterten Bildungsmobilität oder dem freien Handel. Mittels eines europäischen Konvents, dem weiteren Ausbau der EU-Gemeinderäteinitiative und einem stärkeren Fokus auf Subsidiarität wollen wir den Bürgern die Europäische Union näher bringen. 

Viele Menschen in Österreich verstehen nicht, warum so viel Steuergeld in die Kärntner Hypo fließt, während für Zukunftsbereiche kein zusätzliches Geld vorhanden ist?

Vernünftig haushalten heißt, nicht über seine Verhältnisse zu leben. Wir haben viele Maßnahmen vorgesehen, um das Budget zu konsolidieren und uns einen Spielraum für Zukunftsprojekte zu erwirtschaften. Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, Familie und Wachstum sind notwendig. Gerade erst ist es bei der Regierungsklausur gelungen, ein Familienpaket zu schnüren. Mit 830 Millionen Euro mehr für die Familien geben wir ein klares Bekenntnis ab: Dort wo der Schuh drückt, wird geholfen.

Lässt sich der weitere Finanzbedarf der verstaatlichten Bank aus heutiger Sicht bereits beziffern?

Es braucht rasch die bestmögliche Lösung – im Sinne der Steuerzahler und des Finanzstandortes. Dafür haben wir eine Task Force aus den wichtigsten Experten auf diesem Gebiet gebildet und gehen jetzt Schritt für Schritt vor.

Bankenunion nimmt Eigentümer von Banken in die Pflicht

Die EU hat infolge der Finanzkrise den Bankensektor stark reguliert. Sind noch weitere Maßnahmen notwendig, um künftige Schieflagen von Banken zu verhindern, die den Steuerzahler teuer kommen könnten?

Gerade erst vor kurzem wurde eine Grundsatzeinigung über eine Bankenunion getroffen. Diese neue Bankenunion wird dafür sorgen, dass künftig in erster Linie die Eigentümer der Bank zur Verantwortung gezogen werden und nicht der Steuerzahler aufkommen muss. Spareinlagen bis 100.000 Euro bleiben dabei wie bisher gesichert. Das gibt den Sparern Sicherheit. Im Zusammenspiel mit der Europäischen Bankenaufsicht haben wir somit einen Rahmen für mehr Finanzstabilität in der EU geschaffen und ein starkes Zeichen gesetzt.

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist zuletzt ins Stocken geraten. Wie schätzen Sie die Chancen auf eine Realisierung ein?

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf internationaler Ebene wird im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit weiter vorangetrieben. Das steht auch so im Regierungsprogramm. Um dem Finanzplatz Österreich nicht zu schaden, wollen wir eine möglichst weltweite Umsetzung der Finanztransaktionssteuer erreichen.

Balkan-Länder sollen Weg in die EU finden

Soll die EU bei der Erweiterung eher Tempo machen oder auf der Bremse stehen?

Österreich wird die Erweiterung der Europäischen Union um weitere Nachbarn am Balkan unterstützen. Auch unsere Unterstützungs- und Ermunterungspolitik für die einzelnen Balkanstaaten wollen wir selbstverständlich fortsetzen. Es liegt im Interesse der Region, der EU und ganz besonders auch Österreichs, dass diese Länder den Weg nach Europa finden. Klar ist aber auch, dass die betreffenden Staaten zuerst alle festgelegten Kriterien erreichen müssen.

Welche Bilanz ziehen Sie für Österreich aus zehn Jahren EU-Erweiterung 2014?

Aus österreichischer Sicht war die EU-Erweiterung eine absolute Erfolgsstory. Österreichische Unternehmen erwirtschaften heute einen beträchtlichen Teil ihres Gewinns in jenen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind. Das heißt, immerhin jeder zweite Arbeitsplatz hängt am Export, 6 von 10 Euro werden im Export erwirtschaftet.  Sie sehen, EU wirkt sich bis heute spürbar positiv auf unsere heimische Wirtschaft und damit auf die Beschäftigung und unseren Wohlstand aus. Gerade für eine exportorientierte Wirtschaft wie die unsere war die Erweiterung ein ganz zentraler Schritt.

Sie haben im Wahlkampf versprochen, die heimische Wirtschaft entfesseln zu wollen. Welche Maßnahmen dazu wird die neue Bundesregierung setzen?

Eine der größten Herausforderungen dieser Regierung ist die Situation am Arbeitsmarkt. Wir liegen immer noch im EU-Spitzenfeld, aber gleichzeitig die heimischen Unternehmer jene sind, die Arbeitsplätze schaffen. Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf geeinigt, verstärkt Akzente in Richtung Wachstum zu setzen. Dazu wollen wir die Arbeitswelt moderner und flexiblerer gestalten. Mittels Arbeitszeitflexibilisierung sollen Unternehmen und Arbeitnehmern Planbarkeit erleichtert werden, durch eine stärkere freiwillige Mitarbeitererfolgsbeteiligung, sollen Arbeitnehmer motiviert und ihnen finanzielle Anreize geboten werden. Zudem werden wir die Lohnnebenkosten senken und Maßnahmen setzen, um eine neue Gründerwelle auszulösen und die Unternehmensfinanzierung zu erleichtern. Ebenfalls ein Anliegen ist es mir, Unternehmen von Bürokratie zu befreien. Beispiel Unternehmensbeauftragte, wo man hinterfragen sollte ob es wirklich für jeden Bereich einen eigenen Beauftragten braucht.

Ihre beiden  Vorgänger  als ÖVP-Chef hat die Dreifachbelastung Parteiobmann, Finanzminister und Vizekanzler schwer zu schaffen gemacht. Was wollen Sie anders  bzw. besser machen?

Unbestritten ist das eine große Herausforderung, allein die Tatsache, dass der Tag 24 Stunden und nicht mehr hat. Entscheidend ist, Schwerpunkte gezielt zu setzen und in Ruhe vorzugehen. Mit dem richtigen Team ist jede Herausforderung zu händeln.

 

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