Donnerstag, 25. April 2024
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Spannung vor der Wahl in Deutschland

Kurz vor dem Schluss kam doch noch Spannung in den deutschen Wahlkampf, der über Wochen vor sich hin plätscherte. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als ob die Christdemokratin Angela Merkel mit ihrem liberalen Koalitionspartner weiter in Berlin regieren könne. Nun ist der Ausgang der Bundestagswahl am Sonntag doch wieder offen – und eine große Koalition von Christdemokraten und Sozialdemokraten  durchaus im Bereich des Möglichen.

[[image1]]Die Demoskopen tun sich diesmal mit ihren Prognosen besonders schwer. Vor allem die neue Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) können sie nicht recht einschätzen. AfD-Chef Bernd Lucke unterstellte dem Meinungsforschungsinstitut Forsa, seine Partei absichtlich schlecht zu rechnen, wogegen sich Forsa allerdings erfolgreich juristisch gewehrt hat. Bei neuen Protestbewegungen wie der AfD kommen Demoskopen mit ihren klassischen Methoden schlicht an den Rande ihrer Möglichkeiten. Schon in Italien sagte die rasant wachsende Gefolgschaft des Rebellen Beppe Grillo auf Facebook wesentlich mehr über den Wahlausgang aus, als die Zahlen der professionellen Demoskopen.

Der AfD profitiert nun im Endspurt ironischerweise von einer Prognose von Insa vom Donnerstag, die der Protestpartei fünf Prozent prognostiziert. Wenn die AfD eine reelle Chance hat, in den Bundestag einzuziehen, wird sie für Wähler attraktiver. Tendenziell dürfte sie Stimmen von Christdemokraten und Liberalen abziehen – die denen dann fehlen würden, um gemeinsam eine Koalition zu bilden.

Die Liberalen werden ihr Wahlergebnis von 2009 nicht wiederholen können

Die liberale FDP hat in dieser Woche noch einmal alles versucht, um sich als wirtschaftsfreundliche Partei zu profilieren, die den Deutschen Wohlstand sichert. Nachdem die Liberalen bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag in Bayern an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten und künftig im bayerischen Landtag nicht mehr vertreten sein werden, geht in der FDP-Spitze die Angst um. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Partei aus dem Bundestag ausziehen muss. Aber das Ergebnis von vor vier Jahren, als sie 14,6 Prozent der Stimmen holte, wird sich mit Sicherheit nicht wiederholen.

Was bedeutet der Wahlausgang für Europa? Im Wahlkampf spielten die EU und auch der Euro eine erstaunlich geringe Rolle. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen, die gerade im Zusammenhang mit der gemeinsamen Währung in den kommenden Monaten auf die Eurozone zukommen, war dies überraschend. Gleichzeitig war es kein Zufall, denn letztendlich war allen Parteien – außer der AfD – daran gelegen, das Thema Euro klein zu halten. Niemand – auch die AfD nicht – hat überzeugende Alternativen anzubieten.

Sollte es zu einer großen Koalition kommen, so ist beim Euro kein Kurswechsel der deutschen Regierung zu erwarten. In Griechenland hoffen manche, dass die SPD weniger für Austerität steht. Aber selbst wenn die SPD einen Finanzminister stellen sollte, der auf Amtsinhaber Wolfgang Schäuble folgt, so wird der mit großer Sicherheit weiterhin verlangen, dass die Programmländer ihre Staatshaushalte sanieren.

Merkel will Kompetenzen aus Brüssel in die Nationalstaaten verlagern

Unabhängig von der Konstellation, in der Kanzlerin Merkel in Zukunft regiert, stellen sich in Brüssel viele die Frage, wie sie ihre Forderung wahr machen wird, Kompetenzen in die Nationalstaaten zurückholen zu wollen. Dies hatte sie im Sommer in einem Radio-Interview angekündigt, was in Großbritannien und den Niederlanden mit großem Interesse aufgenommen wurde. Ganz überraschend kam Merkels Ansage nicht. Seit geraumer Zeit unterstreicht sie, dass nicht alles von Brüssel aus geregelt werden muss. Und bei den Euro-Rettungsaktionen haben ohnehin die nationalen Regierungen und nicht die EU-Kommission den Ton angegeben. Die Kommission hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr an Einfluss verloren.

Indirekt könnte die deutsche Wahl sogar einen Einfluss auf die neue Besetzung der EU-Kommission haben, die im kommenden Herbst ansteht. In den Koalitionsverhandlungen legen die Partner in Deutschland traditionsgemäß fest, welche Partei den EU-Kommissar stellt. Mit dem aktuellen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz verfügt die SPD über einen Kandidaten, der seine Ambitionen auf ein Kommissionsamt sehr offen zeigt. Er würde am liebsten das Erbe von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso antreten. Doch ob Merkel dem zustimmt, ist alles andere als gewiss.

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