Freitag, 19. April 2024
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Merkels Triumph

Angela Merkel konnte damit rechnen, deutsche Bundeskanzlerin zu bleiben. Ihr klarer Sieg bei den Bundestagswahlen am Sonntag ist aber gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

[[image1]]Mit ihrem dritten Wahlsieg in Folge erreicht sie etwas, das in der eigenen Partei nur ganz wenigen gelang. Sie nähert sich ihrem einstigen Ziehvater Helmut Kohl an, der Deutschland 16 Jahre regierte. Merkel überholt vor allem Margaret Thatcher, die als britische Premierministerin bisher den Rekord für die längste Regierungszeit einer Frau in Europa hielt. Und das in einer Zeit, in der überall in Europa die Regierenden abgewählt werden, sei es in Frankreich, Spanien, Italien oder den Niederlanden.

Merkels Triumpf überrascht, weil sie und ihre Parteistrategen den Wahlkampf ganz auf ihre Person zugeschnitten hatten. Inhaltliche Debatten fanden kaum statt. Merkel wurde belächelt, weil sie sich im TV-Duell mit Steinbrück mit den Worten „Sie kennen mich“ an die Wähler gewandt hatte. Doch genau dieser Appell hat bei den Wählern gezogen. In den vergangenen vier Jahren haben sie Merkel als eine Politikerin wahrgenommen, die deutsche Interessen vertritt und auch auf dem Höhepunkt der Eurokrise Ruhe und Rationalität ausstrahlte.

Historische Schlappe der FDP

Historisch ist dagegen die Schlappe von Merkels bisherigem Koalitionspartner FDP. Die Liberalen werden erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg nicht im deutschen Parlament vertreten sein. Merkel für diese Niederlage verantwortlich zu machen, wie internationale Kommentartoren dies am Tag nach der Wahl tun, ist allerdings unfair.

Die Partei hat sich zu Beginn der Koalition hervorgetan, indem sie Klientelpolitik betrieb und eine Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie durchsetzte. Mit dem Aufflackern der Eurokrise entstand in der FDP ein euroskeptischer Flügel, der Merkel mitunter die Unterstützung für die Eurorettung versagte. In den vergangenen Jahren war Merkel immer wieder auf die Stimmen der SPD angewiesen, um etwa die Hilfspakete für Griechenland auf den Weg zu bringen und den europäischen Rettungsmechanismus ESM zu schaffen.

In Griechenland kam besonders schlecht an, dass Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler im Sommer 2012 einen Austritt Griechenlands aus dem Euro als möglich bezeichnete. Seiner Einschätzung war weniger von ökonomischer Sachkenntnis getrieben, sondern ein Versuch bei den Regionalwahlen in Berlin zu punkten. Die Strategie ging damals nicht auf. Die FDP zeigte aber, dass ihr Machterhalt wichtiger war als Inhalte.

Was bedeutet das Wahlergebnis vom Sonntag? Merkel muss sich nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag einen neuen Koalitionspartner suchen. Aller Voraussicht nach wird das die SPD sein, auch wenn die sich bisher noch ziert. Die Zurückhaltung ist mit Taktik zu erklären: Die Sozialdemokraten wollen von der Kanzlerin Zugeständnisse. Es fällt allerdings auf, wie viele Glückwünsche Merkel in diesen Tagen bekommt. Alle führenden Sozialdemokraten gratulierten ihr nach dem Wahlsieg fast schon überschwänglich, auch Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, der auf einen Posten in der Europäischen Kommission schielt.

Auch SPD wird deutsche Interessen wahren

In Europa wird bereits fleißig spekuliert, welche Auswirkungen eine große Koalition auf die künftige Euro-Politik haben wird. „Eurobonds werden kommen“, glaubt etwa der konservative spanische Außenminister José-Manuel García Margallo. Doch alle, die einen radikalen Kurswechsel erwarten, werden sich wundern. Die SPD mag eine nicht ganz so harsche Austeritätsrhetorik pflegen. Aber auch sie sieht sich als Anwalt deutscher Interessen und wird sich gegen eine Europäisierung der Staatsschulden wehren. Gerade weil die Anti-Europa-Partei AfD mit 4,7 Prozent sehr nahe an die Fünf-Prozent-Hürde gekommen ist, wird sich eine Große Koalition hüten, auch nur den Eindruck zu erwecken, leichtfertig mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers umzugehen.

Mit Spannung wird nun das neue Personaltableau erwartet. Weil die SPD mehr Stimmen als die FDP in der vorherigen Koalition mitbringt, wird sie mehr Ministerämter als die Liberalen beanspruchen und möglicherweise wieder Schlüsselposten wie das Außenministerium und das Finanzministerium wie in der Großen Koalition von 2005 bis 2009.

Zunächst einmal ist allerdings Geduld angesagt. Koalitionsverhandlungen dauern für gewöhnlich eine Weile. Bei der letzten Großen Koalition verstrichen 65 Tage, ehe sich die Bündnispartner einig wurden – mehr als doppelt so lange wie 2009. Es könnte also Dezember werden, ehe Deutschland eine neue Regierung hat.
 

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