Dienstag, 19. März 2024
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Lohn- und Sozialdumping: Ein Trara der Sonderklasse

Das Kürzel LSD-BG ist der jüngste Nachweis, wie lustvoll Österreichs Unternehmen von der Politik gequält werden. Mit der 36-seitigen Novelle zum  Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, die auf dem Mist des Sozialministeriums gewachsen ist und demnächst im Parlament beschlossen werden soll, wird es gelingen, in-, aber auch gleich ausländischen Firmen noch mehr bürokratische Nadelstiche zu verabreichen. Auf Geheiß der Europäischen Union, der es ein Anliegen ist, dass Arbeitnehmer, die von Betrieben ins Ausland versandt werden, gleich viel verdienen wie die dortigen Branchen-kollegen,  wird dieses gesetzliche Oeuvre bereits zum zweiten Mal innerhalb von sechs Jahren verschärft.

Im Grunde genommen waren die seit 2011 im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz AVRAG enthaltenen Spielregeln zum Schutz von österreichischen Unternehmen gedacht. Schwarze Schafe im In-, aber vor allem im benachbarten Ausland sollten davon abgehalten werden, den rot-weiß-roten Markt mit Diskontofferten zu überrollen und damit den Wettbewerb zu verzerren. Damit konnten – kurz vor der Öffnung des Arbeitsmarktes für zehn ost- und südosteuropäische EU-Länder – sowohl die Sozialpartner als auch alle Unternehmen, die nicht gegen kollektivvertraglich geregelte Mindestlöhne verstießen, recht gut leben. Anfang 2015 trat jedoch – offiziell zwecks Schließung einiger Schlupflöcher – eine novellierte Version der  Anti-Lohndumping-Bestimmungen in Kraft, mit der die Strafsätze bei Unterentlohnung deutlich erhöht wurden  – ein diesbezüglicher Verstoß kann mit bis zu 10.000 € geahndet werden. Obendrein wurden damals die Behörden angehalten, selbst beim geringsten Verdacht auf Schummeleien tätig zu werden.

Dieser bürokratische Druck soll nun neuerdings erhöht werden, obwohl in diesem Land ohnedies bereits die europaweit schärfsten Bestimmungen zum Lohn- und Sozialdumping bzw. zu dessen  Bekämpfung gelten. Der EU geht es primär darum, die so genannte  Entsenderichtlinie auf alle Branchen sowie auf Leih-, Heim-  oder LandarbeiterInnen auszuweiten – bislang standen indes in erster Linie die Baufirmen im Visier, die beispielsweise aus Ungarn oder der Slowakei in Österreich einrückten. Die Republik ändert folglich etwa das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993,  das Heimarbeitsgesetz 1960,  das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz,  das Betriebspensionsgesetz,  das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ab und bleibt damit für Brüssel ein Musterschüler. Die auffälligste Novität ist die Erhöhung der Strafsätze: Eine Firma, die beispielsweise mehr als drei Arbeitnehmer unterbezahlt, muss künftig bis zu 20.000 Euro pro Kopf und Nase, im Wiederholungsfall sogar bis zu 50.000 Euro für jeden Einzelfall blechen – falls sie auffliegt.

Nur Alois Stöger ist happy

Im Zuge des Begutachtungsverfahrens, bei dem rund 40 Institutionen – selbst die Bischofskonferenz – ihre Meinung zum Entwurf kundtaten, stellte sich heraus, dass praktisch niemand mit dem neuen Gesetz restlos glücklich ist. Die Industriellenvereinigung etwa ließ auf 14 Manusseiten ihren Frust ab – die Kernkritik: „Die bestehenden  gesetzlichen Regelungen verursachen für die Unternehmen in der  Breite und im hohen Ausmaß zusätzliche Bürokratie (…) Die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen im Entsendungskontext ist äußerst ressourcen-, zeit- und kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund ist der Abbau von überzogenen Bestimmungen und Rechtsunklarheiten sowie die deutliche Verringerung von bestehenden Verwaltungshürden im LSD-BG aus Sicht der Industriellenvereinigung dringend geboten“.

Die Wirtschaftskammer Österreich wiederum setzte sich u. a. für die Entschärfung der Strafhöhe ein: „Der vorliegende Entwurf verwirklicht nicht nur das Kumulations-, sondern eine Art Potenzierungsprinzip: Denn der hohe Strafrahmen droht nicht nur je betroffenem Arbeitnehmer, sondern verdoppelt sich sogar bei Betroffenheit von mehr als drei Arbeitnehmern. Die Wirtschaftskammer hält schon das Kumulationsprinzip, das etwa im StGB nicht gilt, für überzogen. Die zusätzliche Verdoppelung ist aber ganz inakzeptabel und angesichts von Strafrahmen und Kumulierung nicht notwendig. Zumindest die Verdoppelung ist daher zu streichen“. Auch die Wiener Landesregierung meldete Einspruch an, weil ihr die vorgesehene Haftung von Auftraggebern von Bauaufträgen  im Falle  von unterbezahlten Arbeitern auf Seite des meist ausländischen Auftragnehmers gegen den Strich geht „Nicht nachvollziehbar und entschieden abzulehnen ist, dass die Haftung der öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber für Entgeltansprüche der Arbeitnehmer der Subunternehmer bedingungslos und verschuldens-unabhängig eintreten soll“.

Der  parlamentarische Sozialausschuss gab zwar Mitte Mai grünes Licht für das neue Gesetz, aber eitel Wonne herrschte dort keineswegs: Von Seiten der  FPÖ, die natürlich wie immer dagegen ist,  wurde kritisiert, dass die neuen Bestimmungen „zahnlos bleiben werden“, weil die Vorgaben „unkontrollierbar“ seien. Deshalb solle man die Entsendung ausländischer ArbeitnehmerInnen nach Österreich lieber gleich vorübergehend stoppen. Für die Neos dagegen gehe es nicht an, den heimischen Arbeitsmarkt vor Unternehmen abzuschotten, die korrekt vorgehen würden. Österreich nütze ohnedies die Spielräume der EU-Entsenderrichtlinie „bis zum Exzess aus, um sich vor ausländischen Unternehmen zu schützen“. Die Grünen sahen das alles viel lockerer und positiver: Sie stellten den Antrag, dass die Finanzpolizei in personeller und finanzieller Hinsicht besser auszustatten wäre. Das Team Stronach schließlich freute sich, dass man Billigstbietern aus dem Ausland das Handwerk legen wolle.

Wo ist der große Wurf?

Ganz und gar nicht happy zeigte sich Arbeiterkammer-Boss Rudolf Kaske, bei dem vorrangig die EU-Kommission als eigentlicher Motor der jetzigen Initiative ihr Fett abbekam: In der kürzlich von Brüssel überarbeiteten Entsenderichtlinie finde er „an keiner Stelle einen Fortschritt im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping“. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka warf darob zur rot-weiß-roten Regierungsvorlage die Frage auf, „wo denn da der große Erfolg“ sei. Dennoch zeigt sich Kurzzeit-Sozialminister Alois Stöger felsenfest davon überzeugt, dass ihm mit diesem Gesetzeswerk ein großer Wurf gelingen werde. Schließlich seien im Vorjahr 134.000 ArbeitnehmerInnen nach Österreich entsendet worden, wobei in 1.167 Fällen Bescheide wegen zu geringer Entlohnung erlassen wurden. Die betroffenen Firmen mussten für ihre Übeltaten insgesamt 11,2 Millionen Euro Strafe zahlen.

Nach monatelangem Trara und endlosen Feilschereien um Formulierungen, Änderungswünsche, ja selbst um Beistriche, hat der Nationalrat am Mittwoch, dem 18. Mai, dem neuen Gesetz zugestimmt – es soll am 1. Jänner 2017 in Kraft treten. Was  es – außer zusätzlicher Bürokratie – tatsächlich bringen wird, ist naturgemäß ungewiss. Bliebe die Frage zu klären, ob es für Österreichs  Parlamentarier, die derzeit etwa auch das Forst-, Vermessungs-, Gedenkstätten-, Börse-, Patent-, Führerschein-, Kraftfahr-,  Fernsprechentgeltzuschuss-, Strafprozessrechtsänderungs-, Rundfunkgebühren-  sowie das Tuberkulose- und Epidemiegesetz abändern, nicht weitaus wichtigere Themen gäbe, denen sie ihre Energie widmen sollten, als Lohn- und Sozialdumping.

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