Donnerstag, 28. März 2024
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Kommen die Euro-Retter im Ferienflieger?

Rechtzeitig zu Beginn der Feriensaison reißt der trübe Konjunkturhimmel über den europäischen Krisenstaaten etwas auf: Griechenland erwartet einen regelrechten Touristen-Ansturm. Italien, Spanien und Portugal hoffen zumindest auf moderate Steigerungsraten. Doch mit dem EU-Beitritt Kroatiens kommt ein nicht zu unterschätzender Wettbewerber noch stärker als bisher ins Spiel.

[[image1]]Eine spannende Vorstellung: Werden es ausgerechnet die Touristen sein, die am Ende die Krisenstaaten und somit den Euro retten? Könnten sie mit ihrer Reiselust und ihrer Ausgabenfreude schaffen, woran die Troika mit bürokratischen Auflagen und Spardiktaten scheiterte, nämlich den Süden Europas aus der Rezession und dem Schuldensumpf zu ziehen? Noch lässt sich diese Frage nicht beantworten, doch zu Beginn der Reisesaison kommen positive Nachrichten aus Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Die dortigen Tourismusmanager rechnen mit zum Teil deutlich steigenden, zumindest aber stabilen Besucherzahlen.

Back to the roots: Nicht mehr eine aufgeblasene Immobilienwirtschaft wie in den letzten Jahren in Spanien oder ein überdimensionierter Finanzsektor wie auf Zypern soll den Südstaaten wieder auf die Beine helfen. Vielmehr setzen die Verantwortlichen auf einen Ausbau des traditionell ohnehin schon starken Tourismus-Geschäfts.

Der Optimismus des griechischen Unternehmensverbandes für den Tourismus ist derzeit kaum zu bremsen. Er erwartet in diesem Jahr rund 17 Millionen Besucher in Hellas, was einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 1,5 Millionen Touristen entspräche. Das würde einen neuen Rekord bedeuten. Allein die Buchungszahlen aus Russland stiegen in den letzten  Monaten um etwa 30 Prozent.

Preise um bis zu 20 Prozent gesunken

Einer der Gründe für die Renaissance dieser Branche: Infolge der Reformen am griechischen Arbeitsmarkt konnten die Hoteliers innerhalb von zwei Jahren die Übernachtungspreise um 20 Prozent senken. Darüber hinaus wurde in Qualität investiert. Etwa 40 Prozent aller griechischen Hotels haben heute mindestens vier Sterne. Im Jahr 2004, bei den olympischen Sommerspielen in Athen, waren es nur 25 Prozent.

Auch Spanien erwartet in diesem Jahr mehr Touristen, wenngleich die Steigerungsraten deutlich moderater als in Griechenland ausfallen dürften. Dafür verzeichnete das Land in den zurückliegenden Jahren allerdings keine vergleichbar starken Einbrüche im Tourismusgeschäft wie die griechische Konkurrenz. Im Gegenteil, im vergangenen Jahr kamen nach einer Statistik der Welttourismusorganisation (UNWTO) fast 58 Millionen ausländische Urlauber nach Spanien, 2,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Spanien-Touristen gaben die Rekordsumme von 55,6 Milliarden Euro aus. Ebenso wie Griechenland profitieren die Spanier von der Reiselust der Russen. Die Zahl der Besucher aus Russland hat sich in nur zwei Jahren etwa verdoppelt.

Die spanische Tourismus-Wirtschaft wird dabei fast ausschließlich von ausländischen Gästen getragen, denn die Spanier selbst leisten sich aufgrund der Wirtschaftskrise und der hohen Arbeitslosigkeit nur selten einen Hotel-Aufenthalt. Sie verbringen ihren Urlaub vor allem bei Freunden und Verwandten. So ist die Bilanz der Tourismus-Manager denn auch nicht ungetrübt. Nach Angaben des Branchenverbands Exceltur ging die Zahl der Beschäftigten im Tourismussektor 2012 um rund 23.000 zurück.

Im benachbarten Portugal trotzt der Tourismus ebenfalls weitgehend der Wirtschaftskrise. Im vergangenen Jahr kamen 27,3 Millionen Besucher in das iberische Land – ein Plus von fünf Prozent im Vergleich mit dem Vorjahr. Besonders deutlich fiel das Wachstum auf den Azoren aus. Die Inselgruppe im Atlantik, fast 1400 Kilometer vom Festland entfernt, ist vor allem bei deutschen Touristen zunehmend beliebt. Anfang Juni wird es in einem gemeinsamen Workshop der „Portuguese Association for Tourism Research and Development“ (APIDT) und des „Tourismo do Centro de Portugal“ um die Frage gehen, welche Rolle der Tourismus für die Wirtschaft des Landes künftig spielen wird. Die Antwort dürfte klar sein: eine zunehmend wichtigere.

Mit der Bahn nach Italien

Italien hat ebenfalls ambitionierte Ziele. Im vergangenen Jahr reisten nach Angaben der Weltorganisation für Tourismus rund 100 Millionen Menschen in den Apenninenstaat. Geht es nach Andrea Babbi, dem neuen Generaldirektor der italienischen Zentrale für Tourismus (Enit), dann sollen es künftig noch mehr werden. Um dieses Ziel zu erreichen, soll Italien auch mit dem Zug besser erreichbar sein.

Die Regierung Zyperns will nach dem weitgehenden Kollaps der Finanzbranche wieder stärker vom Tourismus profitieren. Allerdings herrscht auf der Mittelmeerinsel ein reichlich bizarr anmutender Wettbewerb. So forderte jetzt die Vereinigung von Reiseagenturen in Südzypern (ACTA) die „Isolation“ des türkischen Nordens. Der dortige Tourismusminister, Ünal Üstel, hat dem Süden derweil eine engere Zusammenarbeit angeboten. Der griechisch-zypriotische Süden beherbergt pro Jahr im Schnitt etwa drei Millionen Besucher, der türkische Norden nur 700.000.

Der Tourismus-Boom birgt für die Staaten Südeuropas allerdings Risiken. Im Bestreben, die Wirtschaftskrise zu überwinden, machen sich die Länder nicht nur gegenseitig zunehmend Konkurrenz, sie laufen darüber hinaus Gefahr, neue Monostrukturen aufzubauen. Zudem  kommt in den nächsten Jahren ein mächtiger Mitbewerber verstärkt ins Spiel. Kroatien will nach seinem EU-Beitritt zum 1. Juli noch mehr Urlauber ins Land locken. Gleiches gilt für Investoren, die verstärkt die touristische Infrastruktur des Landes modernisieren sollen. Schon heute macht der Tourismus rund 18 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts aus. Er ist damit für dieses Land ebenso wichtig wie für Griechenland (17 Prozent Tourismusanteil am BIP).

Schließlich schwebt nach wie vor das Damoklesschwert neuer Streiks und sozialer Unruhen vor allem über Griechenland und Spanien. Ob die „Euro-Retter“ in den nächsten Monaten im erhofften Umfang mit dem Ferienflieger einschweben werden, bleibt somit abzuwarten.

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