Donnerstag, 28. März 2024
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Journalisten sind eben keine Politiker

Er hat blitzartig den Nachweis geliefert, dass man auch mit 62 noch den Job wechseln kann – auch wenn‘s eine haarige Angelegenheit wird: Eugen Freund, von der ORF-Führung mit Jahreswende in den Ruhestand versetzter „Zeit im Bild“-Moderator, soll der SPÖ bei den  EU-Wahlen möglichst viele Stimmen bringen.

[[image1]]Er war stets – gar keine Frage – ein  erfahrener, kompetenter, seriöser, kritischer engagierter und anständiger Journalist, der sich im Lauf der Jahre einen hohen Bekanntheitsgrad  sichern konnte. Eines ist aber ebenso klar: Freund ist bestimmt kein Politiker, schon gar kein Parteiapparatschik, und die ungeschriebenen Spielregeln und gängigen Mätzchen in diesem Metier sind ihm fremd. Deshalb ist seine überraschende Nominierung als EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten nur ambivalent zu beurteilen.

Für ihn selbst ist die neue Aufgabe gewiss eine spannende Herausforderung, die ihm den vorzeitigen Pensionsschock erspart und weiterhin Auftritte vor großem Publikum ermöglicht. Anderseits ist sie mit einem beträchtlichen Risiko verbunden, weil man eben an jeglicher Challenge auch umgehend scheitern kann. Das ist vergleichbar mit einem begnadeten Fußballstar, der erstmals den Versuch unternimmt, die Kitzbüheler Streif im Renntempo zu bezwingen. Für die Roten wiederum ist der Medienexperte auf Grund seines prominenten Namens, aber auch wegen seines in der Politik ungewöhnlichen Habitus‘ möglicherweise die Rettung vor einem Absturz am EU-Wahltag. Fürs Erste ist Freund als Stimmenfänger garantiert besser geeignet als etwa die derzeitigen SP-Mandatare im EU-Parlament, denn einen Jörg Leichtfried, eine Evelyne Regner oder einen Josef Weidenholzer kennen nur die wenigsten WählerInnen. Der durchaus clevere, aber ebenso opportunistische Schachzug von Werner Faymann kann allerdings auch schnell in die Hose gehen: So gut wie alle Parteien haben mit Kandidaten, die vom ORF oder einer Zeitung gekommen sind, schon mehr oder minder schlechte Erfahrungen gemacht, weil deren Promifaktor bisweilen das Einzige war, was sie für eine politische Funktion qualifiziert hat.

Zilk war der Beste

Die Liste jener Medienleute, die sich bereits in der Politik versucht haben, ist ziemlich lang: Sie reicht – wir tauchen tief in die Vergangenheit ein – von  Jörg Mauthe und dem seinerzeitigen „profil“-Aufdecker Alfred Worm, die in den Achtzigerjahren zu Erhard Buseks „Bunten Vögeln“ im Wiener Gemeinderat zählten, bis  zur ehemaligen ORF-Generaldirektorin Monika Lindner, die erst im Vorjahr als freie Abgeordnete einen Monat lang dem Nationalrat angehörte, ehe sie entnervt wieder das Handtuch warf. Es waren etliche mehr oder minder bekannte ORF-Journalisten darunter, etwa Hans-Jörg Schimanek, Theresia Zierler und Hans Kronberger, die allesamt in unterschiedlichen Funktionen bei der FPÖ andockten – als nieder-österreichischer Landesrat, Nationalrats-, später Landtagsab-geordnete oder aber EU-Parlamentarier.

Der einstige „Zeit im Bild“-Anchorman Josef Broukal indes versuchte sich im Auftrag der SPÖ sechs Jahre lang im Hohen Haus, seine Kolleginnen Ursula Stenzl und Gertrude Aubauer lebten dagegen ihre Sympathien zur Volkspartei aus, nachdem die ihnen ein Polit-Ticket in Brüssel und Straßburg bzw. im Nationalrat zugesichert hatte. Rasend erfolgreich waren  die drei Genannten freilich nicht unbedingt, weshalb Broukal seine Funktion 2008 wieder verlor und die beiden immer noch politisch tätigen Damen eher Nebenrollen spielen – Stenzl als Bezirksvorsteherin in Wien-Innere Stadt, Aubauer als unauffällige schwarze Abgeordnete. Der einstige Wirtschaftsredakteur Walter Sonnleitner fand beim BZÖ ebenso wenig die erhoffte Erfüllung wie die frühere ORF-Sportmoderatorin Ingrid Wendl als Seniorensprecherin der Volkspartei.

Nicht viel besser ging bzw. geht es einigen Printjournalisten, die dereinst mit hohen Erwartungen in die Politik eingestiegen sind: Der einstige „Standard“-Schreiber Peter Sichrovsky etwa war immerhin acht Jahre freiheitlicher EU-Mandatar und amtierte von 2000 bis 2002 sogar als FPÖ-Generalsekretär, ehe er aus der Partei austrat und in den früheren Beruf zurückkehrte. Der seinerzeitige „Kurier“-Chefredakteur Franz Ferdinand Wolf wiederum versuchte sich ein paar Jahre lang als Kultursprecher der Wiener ÖVP, fiel allerdings weitaus weniger auf als im Zuge seiner aktiven Karriere als erfolgreicher Blattmacher. Hans-Peter Martin schließlich, früher Wiener Korrespondent des „Spiegel“, war 1999 als politischer Quereinsteiger für die SPÖ als Spitzenkandidat bei den EU-Wahlen angetreten, übersiedelte sodann ins Europäische Parlament und zerkrachte sich fünf Jahre später mit den Roten. Seit damals führt der streitbare Vorarlberger seine eigene Liste an, wobei er mehrmals für Stunk mit diversen Kollegen sorgte, darunter die Ex-ORF-Redakteurin Karin Resetarits – nunmehr: Kraml, die Dolmetscherin Angelika Werthmann und der gelernte Koch Martin Ehrenhauser.

Trotzdem erbringt Martin, der sich mit schrägen Aktionen gerne selbst zu demontieren pflegt, angesichts der Tatsache, dass er letztlich schon fast 15 Jahre im Europa-Parlament ausharrt, den seltenen Nachweis, dass sich zumindest ein paar Medienleute in der Politik doch irgendwie behaupten konnten: Die bislang beste Figur in dieser Rolle machte zweifellos der ehemalige TV-Direktor und „Krone“-Ombudsmann Helmut Zilk, der 1979 als SPÖ-Stadtrat für Kultur ins Wiener Rathaus einzog, vier Jahre später kurzfristig Unterrichtsminister wurde, ehe er bis 1994 als Wiener Bürgermeister amtierte. Gar nicht so miserabel hat sich auch der einstige Informationsintendant des ORF-Fernsehens, Franz Kreuzer, geschlagen, der 1985 zum Gesundheits- und Umweltminister berufen worden war. Sein Pech war jedoch, dass ihn die Katastrophe von Tschernobyl am falschen Fuß erwischte, weshalb die politische Karriere bald abrupt endete. Auf einem roten Ticket schaffte es schließlich – ungefähr zwei politische Etagen darunter – der frühere Bonn-Korrespondent des ORF, Gerhard Seifried, 1998 zum Bürgermeister der Stadt Wolfsberg gewählt zu werden. Auch er hat seine Sache nicht schlecht gemacht, trat allerdings im März 2011 zurück: Er musste letztlich frustriert feststellen, dass er in einem Land wie Kärnten nichts mehr bewegen konnte. Seifried ist seither als Geschäftsführer eines Unternehmens im Gesundheitsbereich tätig.

Ein Tanz auf dünnem Eis

Nur wenige haben jedenfalls den Rollentausch geschafft, die meisten hingegen konnten sich nicht gerade mit Ruhm bekleckern – auch wenn sie das in der Retrospektive subjektiv zumeist ganz anders sehen: Josef Broukal beispielsweise erweckte bei der sonntägigen TV-Diskussion „Im Zentrum“ den Eindruck, als sei er der ruhmreiche Erfinder der österreichischen Wissenschaftspolitik, demnach recht effizient unterwegs gewesen. Tatsächlich standen die meisten medialen Gastarbeiter in der Politik nicht im Zentrum, sondern als eine Art externe Lehrlinge ziemlich im Abseits. Sie bringen zwar in der Regel etliche Grundvoraussetzungen mit, ohne die Politiker aufgeschmissen sind – darunter rhetorische Talente, eine rasche Auffassungsgabe, den Blick für das Wesentliche  oder die Fähigkeit, sich und ihre Inhalte auf geeignete Weise zu präsentieren – , doch es fehlt ihnen, abgesehen von der Erfahrung, der parteipolitische Rückhalt, die lebensnotwendigen Kontakte und nicht zuletzt die harte Schale, die Berufpolitiker unbedingt benötigen. Wer als Journalist gewohnt war, nach links und rechts verbale Watschen auszuteilen, wird rasch feststellen, wie weh es tut, solche von allen Seiten selbst zu erhalten.

Das raue Klima im Tagesgeschäft, der enorme Konkurrenzdruck und die gängigen Manöver zwischen den Parteien, denen es oft nicht um Sachthemen geht, sondern mehr um billige Schlagzeilen – das alles ist in der Politik deutlich brutaler als im Medienbusiness. Genau deshalb darben die meisten Journalisten, die mit viel Klimbim von einer Partei geholt wurden und sodann erst das Handwerk einigermaßen lernen mussten, in den meisten Fällen ein paar Jährchen lang unterhalb der Wahrnehmungs-schwelle in der Politik, ohne über eine Statistenrolle hinauszukommen. Und irgendwann werden sie dann, nicht selten ganz unauffällig, wieder entsorgt, kehren – wie Broukal – entweder in ihren urspünglichen Beruf zurück, oder werden – wie Zierler – ausgerechnet Politikberaterin, manche ziehen sich – wohl die Monika Lindner – endgültig in die Pension zurück, und einige starten erst danach ihre wahre Karriere. Bestes Beispiel: Helga Rabl-Stadler, ursprünglich beim „Kurier“, hat es in der Politik immerhin zwölf Jahre ausgehalten, vier davon sogar als ÖVP-Bundesobmann-Stellvertreterin. 1995 trat sie auf eigenen Wunsch den Rückzug an, um sich fortan als Präsidentin um die Salzburger Festspiele zu kümmern.

Fazit: Im Normalfall brauchen Journalisten, die sich als Politiker versuchen wollen, schon eine riesige Portion Masochismus,  um dieses meist eilige Experiment zu wagen. Nachdem sie aber durchwegs keine praktische Erfahrung mitbringen, ist ihnen nur anzuraten, nicht blauäugig aufs Eis tanzen zu gehen, sondern lieber bei ihren Leisten  zu bleiben. Was Eugen Freund anlangt, kann man ihm eigentlich nur Freundschaft wünschen -dass es ihm besser ergehen wird als den meisten Kollegen, die sich bislang auf den Polit-Trip eingelassen haben – für ihn gibt es ohnedies kein Zurück mehr …

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