Mittwoch, 24. April 2024
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EU verlangt von Beitrittskandidaten ein Bekenntnis zu den europäischen Werten

Die Brücke von Mostar gilt seit Jahrhunderten als die symbolische Brücke zwischen Ost und West, zwischen der Welt des Christentum und Islam. Foto © CC Mhare/Wikipedia (Ausschnitt)

 

Bei der EU-Kommission in Brüssel hat man nun offenbar erkannt, dass die „Europäische Union“ mehr ist als ein wirtschaftliches und politisches Bündnis von Staaten, sondern dass es sehr wohl auch um ein europäisches Werteverständnis geht, das es zu bewahren und pflegen gilt.

Im Februar 2018 wird die EU-Kommission eine eigene Westbalkanstrategie präsentieren. Damit wird gewissermaßen die 2013 beschlossene Donauraum-Strategie abgelöst. Erwartet wird, dass sich insbesondere Österreich dabei engagieren wird. Und in Brüssel erinnert man daran, dass bereits bei den Beitrittsverhandlungen 1992 die Pflege der Beziehungen zu den so genannten „Oststaaten“ als ein wesentliches Kriterium für die Aufnahme Österreichs in die EU galt.

 

Westbalkanstrategie auch ein Offert an Österreich

Das, was sich jetzt bei den Bewerbungen um die EU-Arzneimittelagentur und die EU-Bankenaufsicht als ein wesentliches Manko erwiesen hat, nämlich dass Österreich derzeit keinem Block angehört, könnte damit der Vergangenheit angehören. Diese europäische Mittel-Süd-Ost-Achse wäre schon eine beachtliche Interessensgemeinschaft und damit innerhalb der EU ein politischer Faktor. Man denke etwa an das Bündnis der skandinavischen und der Benelux-Staaten.

Diese Westbalkanstrategie ist ein Schritt weiter auf dem Weg, die EU zu vervollständigen. Denn darüber, dass diese Region zu Europa gehören muss, besteht Einigkeit. Offen ist der Zeitpunkt und die Reihenfolge, soll heißen, wer wann mit dem Eintritt in den Club der 27 (Großbritannien scheidet 2019 ja aus) rechnen darf.

 

Ein „Fingerzeig“ an die Balkanländer

Vier Kandidatenländer stehen am Westbalkan fest, nämlich Albanien, Montenegro, Mazedonien und Serbien. Belgrad, das sich als Musterschüler der Beitrittsverhandlungen präsentiert, wurde als Beitrittstermin bereits das Jahr 2025 signalisiert. Zwei weitere, vorerst noch potentielle Kandidaten sind Bosnien-Herzegowina sowie der Kosovo. Bei beiden stehen aber noch eine Fülle von Hausaufgaben an.

Interessant ist nun, dass in Zusammenhang mit der neuen Westbalkanstrategie, die federführend vom österreichischen für Erweiterungsfragen zuständigen EU-Kommissar Johannes Hahn betrieben wird, ein besonderer „Fingerzeig“ vorgesehen ist. Werden doch die im EU-Warteraum befindlichen Westbalkan-Staaten expressis verbis darauf hingewiesen, dass es bei der EU-Mitgliedschaft nicht nur darum geht, am wirtschaftlichen Erfolg Europas zu partizipieren. Insbesondere wird ihnen vorgehalten, dass es auch darum geht, die europäischen Werte sowie die europäische Kultur anzuerkennen, zu bereichern und weiter zu pflegen.

 

Europa ruht auf drei Säulen

Offenbar beginnt man sich an der Spitze der EU doch auch verstärkt der Tatsache zu erinnern, dass Europa eigentlich auf drei Säulen ruht. Diese werden durch drei Städtenamen symbolisiert. Nämlich: Athen für Demokratie, Rom für Recht und Jerusalem für die drei monotheistischen Weltreligionen, insbesondere für das Christentum. Unverändert ein Faktum ist, dass das parlamentarisch demokratische System, das Rechtsverständnis sowie vor allem die christliche Religion (mit dem Prinzip der Toleranz) den europäischen Kontinent auszeichnen, anziehend und unverwechselbar machen.

Es ist schon viele Jahre her, da machte sich eine US-Diplomatin auf dem Weg zu einer Erkundungsreise auf den Balkan. Als sie zurückkam, berichtete sie erstaunt dem ehemaligen und heuer verstorbenen Außenminister Alois Mock: „Da überschreitet man ja fast alle 200 Kilometer eine Grenze, spricht in jedem Land eine andere Sprache. Nicht nur das, es gibt sogar Länder mit fremden Schriftzeichen. Und schließlich trifft man da auf Katholiken, Orthodoxe, Muslime und Juden“.

 

Die Suche nach einem „europäischen Islam“

Genau an dieser Erkenntnis zeigt sich die Vielfalt Europas. Aber man muss dabei auch sehen und eingestehen, dass Europa nicht nur ein „christliches“ Abendland ist. Hier gibt es schon seit Jahrhunderten (nicht nur in Bosnien-Herzegowina) auch eine ansässige muslimische Bevölkerung. Daher hat ja Österreich als einziges europäisches Land schon seit 1912, also seit der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, ein eigenes Islam-Gesetz, weil hier der Islam eine anerkannte Religionsgemeinschaft ist.

Genau genommen gibt es schon längst den europäischen Islam. Wenn man mit muslimischen Würdenträgern am Balkan spricht, so wird man sehr oft darauf stoßen, dass die Bevölkerung von Bosnien bis Albanien mit dem kämpferischen Islam wenig bis nichts am sprichwörtlichen Hut hat. Sich davon auch distanziert. Dass seit einiger Zeit Investoren aus der arabischen Welt sich hier sesshaft machen wollen, der Rundfunksender Al Jazeera von Sarajewo aus eine Informationsberieselung für den Balkan betreibt, stört allerdings dieses Bild. Und würde nicht nur mehr Aufmerksamt verdienen, sondern auch nach einer gewissen Gegenbewegung verlangen. Konkret wäre eine europäische Rundfunkanstalt auch am Balkan gefragt.

 

Papst sieht falsch verstandene Toleranz

Nachdem in einigen europäischen Staaten, bedingt durch die Zuwanderung und die Flüchtlingsbewegung, der Anteil der muslimischen Bevölkerung beträchtlich angestiegen ist, die Versuche des türkischen Ministerpräsidenten seine Landsleute auch im europäischen Ausland für den politischen Islam zu motivieren, auf Kritik und Abwehr gestoßen sind, wird seit einiger Zeit immer wieder die Forderung nach einem so genannten „europäischen Islam“ erhoben.

Vor einiger Zeit hat Papst Franziskus bei einer Privataudienz für österreichische Pilger aufhorchen lassen. Er ließ die Anwesenden wissen, dass er „nichts von falsch verstandener Toleranz“ halte und ihm „das Missionarische bei dieser Debatte“ fehle. Seine größte Sorge sei nämlich nicht die Ausbreitung des Islam selbst, sondern die „indifferente Haltung“ der Katholiken zu ihrem eigenen Glauben, auf der diese falsch verstandene Toleranz beruhe.

 

Es geht um das „europäische Gesellschaftsmodell“

Tatsächlich gibt es nämlich DEN Islam nicht, sondern es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen „Traditionen“, soll heißen: Richtungen. Was man sich von Europa erwartet, wäre eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islam. Diese würde aber mehr Festigkeit im Auftreten und im Glauben verlangen. Nicht nur das, auch die Europäer selbst wären dazu angehalten, das „europäische Gesellschaftsmodell“ glaubhaft vorzuleben und zu praktizieren.

Von daher wird es in einigen europäischen Staatskanzleien und Parteizentralen als ein begrüßenswerter Ansatz gesehen, gerade die in die EU drängenden Völker am Westbalkan daran zu erinnern, dass ihr Beitritt mit Auflagen versehen ist. Konkret, dass man von ihnen erwartet, die europäische Werteorientierung, die Menschenrechte, das Rechts- und Demokratieverständnis nicht nur zu achten, sondern auch zu übernehmen. Und das bei voller Wahrung der Religionsfreiheit.

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