Donnerstag, 28. März 2024
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EU-kritische Wähler schneiden sich ins eigene Fleisch

Die Kernwähler von FPÖ, BZÖ und Team Stronach profitieren am meisten vom Euro und dem gemeinsamen Wirtschaftsraum.

[[image1]9Mit zusammen mehr als 30 Prozent Stimmenanteil hat die EU- und Euro-kritische Fraktion einmal mehr Stärke gezeigt. Betrachtet man die Ergebnisse in den steirischen und oberösterreichischen Industriegebieten und nimmt man – bei aller Unsicherheit über die tatsächlichen Motive der Wähler – deren stärkste Wählergruppe, die jungen, niedrig-qualifizierten Männer als Maßstab, dann dürften die EU-Kritiker vermutlich von genau der Gruppe die meisten Stimmen bekommen haben, die am stärksten von EU und Euro profitiert.

Bundesrechnungsabschluss für 2012 legt die Zahlen auf den Tisch

Mit dem gerade veröffentlichten Bundesrechnungsabschluss für 2012 liegen nun allerdings die Zahlen auf dem Tisch, und die erscheinen auf den ersten Blick tatsächlich besorgniserregend: So wurden seit Mai 2010 mit Zustimmung Österreichs Stabilisierungsinstrumente im Volumen von insgesamt 750 Mrd. EUR beschlossen (440 Mrd. EUR für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF, 60 Mrd. für den Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus sowie 250 Mrd. EUR an Krediten des Internationalen Währungsfonds), von denen bislang aber erst ein Bruchteil zahlungswirksam wurde. So hat Österreich für das Griechenland-Hilfspaket tatsächlich bereits 1,547 Mrd. EUR ausbezahlt, wofür Griechenland im Jahr 2012 aber immerhin 19,80 Mio. EUR an Zinsenzahlungen geleistet hat.

1,336 Milliarden bereits überwiesen

Diese Zahlung bezog sich auf den Anteil Österreichs am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), im Vorjahr die Aufgaben des EFSM und der EFSF übernommen hat, und für dessen 700 Mrd. an gezeichnetem Kapital die EU-Staaten vorerst zusammen 80 Milliarden Euro cash bereitstellen müssen. Davon entfallen auf Österreich 2,7834 %, woraus sich das einzuzahlende Kapital von rund 2,23 Mrd. Euro ergibt, von dem drei Fünftel (1.336,03 Mio. Euro) bereits überwiesen wurden.

Bei voller Ausnutzung des Haftungsrahmens könnte Österreich insgesamt also mit maximal 19,5 Mrd. Euro belastet werden, das allerdings nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Haftungsrahmen voll ausgeschöpft und auf diese Kredithilfen weder Zinsen noch Tilgungen geleistet würden. Das erscheint aber insofern eher unrealistisch, weil bei den bisherigen Staatspleiten kaum ein Land letztendlich mit weniger als der Hälfte an Tilgungen davongekommen ist, was dann im Krisenfall wohl auch Griechenland, Portugal oder Irland stemmen müssten und vermutlich auch könnten.

Gefährlich könnte es allerdings werden, sollte auch ein großes EU-Land wie Italien zahlungsunfähig werden, womit die bestehenden EU-Fonds wohl rasch überfordert wären. Allerdings wären bei so einem Super-GAU wohl auch die bislang stabilen EU-Staaten nicht mehr bereit und imstande, diese Rechnung zu schultern, weshalb dann vermutlich die EZB beauftragt würde die Kosten zu monetarisieren, sie also mit der Notenpresse zu begleichen. Das würde dann zwar vermutlich die Gefahr steigender Inflationsraten bergen, würde die Funktionsfähigkeit der EZB aber in keiner Weise beeinträchtigen, die für ihre monetären Aufgaben schließlich keinerlei Eigenkapital benötigt.

Österreichs Zahlungsmaximum bei zehn Milliarden Euro?

Insofern ließe sich also vermuten, dass bei einer Eskalation der Eurozonenkrise das auf Österreich entfallende Zahlungsmaximum in der Gegend von insgesamt zehn Milliarden Euro liegen könnte, was bei maximalem Ausschöpfen der EU-Fonds wohl der Fall wäre. Lägen die Kosten jedoch höher, dann würden ohnehin andere Lösungen gesucht werden müssen, lägen sie niedriger, würden hingegen auch geringere Haftungen schlagend. Das wäre dann zwar jedenfalls eine gewaltige Belastung, würde aber sicherlich auf mehrere Jahre verteilt werden können und jährlich mit vielleicht zwei Milliarden Euro budgetwirksam werden.

Hingegen lagen die Zahlungen an den allgemeinen EU-Haushalt im Vorjahr bei 2.888,30 Milliarden Euro, denen allerdings Rückflüsse aus EU-Förderungen in Höhe von 1,479 Mrd. EUR sowie 59,04 Mio. EUR an Einhebungsvergütung für EU-Abgaben wie Zölle gegenüberstanden.

Positive Folgen von EU und Währungsunion

Während der vermehrte Zustrom an ausländischen Arbeitskräften vor allem in die Gastronomie, Bau und bei den Arbeitskräfteüberlassern laut WIFO kaum zu Lohn- und Sozialdumping geführt habe, stehen dem die positiven Effekte von EU und Eurozone gegenüber, die eine McKinsey-Studie bis 2010 mit einem kumulierten BIP-Zuwachs von 22 Mrd. Euro und jährlich rund 10.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen angegeben hat.

Das WIFO kommt hingegen auf einen Anstieg des realen BIP seit 1989 um + 0,9 % pro Jahr, was ausgehend vom realen BIP allein für 2011 rund 2,4 Mrd. Euro ausmachen soll. Insofern als dieses Wachstumsplus auf den Exporterfolgen der Industrie beruht, die dadurch heute mehr als 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze anbieten kann, lassen sich also nicht nur die laufenden Zahlungen an die EU und an die Hilfsfonds locker aus den dadurch verringerten Kosten für Arbeitslosigkeit und den höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen bestreiten. Denn diese sind wohl jährlich mit deutlich mehr als vier Milliarden Euro zu beziffern, womit auch die bereits geleisteten wie die vermutlich noch maximal anfallenden Kosten für die „Rettung“ der Eurozone aufbringen lassen sollten.

Scheitern des europäischen Projekts wäre enorm kostspielig

Vor allem die Kernwählern der FPÖ würden sich nun voraussichtlich auf die Kosten eines Scheiterns von EU und Eurozone  konzentrieren. So würde laut Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) ein Austritt Griechenlands aus dem Euroraum das heimische BIP bis zum Jahr 2016 um vier Milliarden Euro und die Exporte sogar um 5,33 Milliarden Euro reduzieren und 29.500 Arbeitsplätze kosten.

Der Austritt aller Krisenländer ließe das BIP bis 2016 sogar um 22,2 Milliarden Euro sinken und sollte 118.300 Jobs kosten, während bei einem völligen Zerfall der Eurozone mit einem um 31,4 Milliarden Euro geringeren BIP, einem Rückgang der Exporte um 45,58 Milliarden Euro sowie dem Verlust von 188.400 Arbeitsplätzen zu rechnen wäre.

Bild: lichtkunst.73 / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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