Dienstag, 19. März 2024
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Die EU-Kommission sorgt für Frust – und taucht geschlossen in den Urlaub ab

Wer sich in diesen Tagen spaßhalber auf www.ec.europa.eu, der Homepage der EU-Kommission,  umschaut, der braucht wahrlich Nerven wie Drahtseile. An einem einzigen Tag – am 22. Juli – wurden dort nämlich gleich sechs Pressemeldungen online gestellt, die einen verständnislos, fassungslos und  hoffnungslos zugleich stimmen. Aber sehen Sie selbst…

Fall Eins:

Die Europäische Kommission wird Österreich beim Gerichtshof der Europäischen Union verklagen, weil zwei rot-weiß-rote Bundesländer Skilehrern aus anderen EU-Staaten bestimmte Beschränkungen auferlegen. Ausländische Skilehrer, die beispielsweise in Tirol nur dann in Erscheinung treten dürfen, wenn sie mit Kunden aus ihrer Heimat angereist sind, würden ungerechtfertigterweise diskriminiert werden, heißt es. Auch in der Steiermark würden Skischulen, die so manche Qualifikationen ausländischer Betreuer nicht anerkennen, gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verstoßen.

Fall Zwei:

Die Europäische Kommission verklagt die Tschechische Republik vor dem Gerichtshof, weil sie 20.000 Tonnen gefährliche Abfälle, die ein tschechisches Unternehmen vor sechs Jahren angeblich illegal nach Katowice in Polen verbracht hatte, nicht zurücknehmen möchte. Das transportierte Gut – eine Mischung aus Säureteer aus der Erdölraffination, Kohlenstaub und Branntkalk – sei  ohne Zustimmung seitens der Polen geliefert worden. In der Folge wurde es vom  Ursprungsland nicht zugenommen, weil es sich laut tschechischer Darstellung gar nicht um Abfall gehandelt habe.

Fall Drei:

Die Europäische Kommission zerrt auch Bulgarien vor den Europäischen Gerichtshof, weil das Land gefährdete Vogelarten im dortigen Rila-Gebirge angeblich nicht ausreichend zu schützen bereit sei. Die bulgarischen Behörden hätten nämlich ein als besonders geeignet eingestuftes Schutzgebiet nicht ausgeweitet, was für rund 20 teilweise vom Aussterben bedrohte wilde Vogelarten sehr zum Nachteil gereiche. Deshalb wären dort insbesonders Arten wie der  Raufußkauz, der Sperlingskauz oder der Weißrückenspecht akut gefährdet.

 

Fall Vier:

Die Kommission hat obendrein eine Klage gegen Griechenland, Luxemburg und Rumänien beschlossen, weil diese Länder eine Brüsseler Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnraumes noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Die hohen Richter werden ersucht, diesen Mitgliedsstaaten ein tägliches „Zwangsgeld“ bis zu 30.000 Euro aufzubrummen, bis sie die sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen erfüllen.

Fall Fünf:

Die Kommission nimmt Luxemburg ein zweites Mal ins Visier, weil das Großherzogtum eine EU-Richtlinie über Kennzeichnung und Verpackung chemischer Stoffe seit gut einem Jahr ignoriere. In diesem Fall solle der Verstoß auf Vorschlag der Kommission mit einem täglichen Zwangsgeld von 8.710 Euro bestraft werden.

 

Fall Sechs:

Die Kommission legt sich schließlich nochmals mit Griechenland an, weil dort eine laut Ansicht der EU vor vielen Jahren unzulässig verabreichte staatliche Beihilfe an Hellenic Shipyards trotz eines bereits 2008 ergangenen Gerichtsurteils noch immer nicht zurückgefordert wurde. Die Geldbuße für diese Schlamperei soll laut Wunsch der kommissarischen Aufpasser sechs Millionen Euro betragen.

 

Die PR-Arbeit ist katastrophal

Dort, wo die Kommission normalerweise gleich in 24 Sprachen ihre diversen Aktivitäten zu verkünden pflegt, lieferte sie mit derartigen Meldungen wieder einmal den Wahrheitsbeweis, dass ihre Kritiker so falsch nicht liegen. Gerade in einer höchst dramatischen Situation – Brexit, Terror, Türkei etc. – hat sie offenbar nichts Besseres zu tun, als sechs ihrer Mitgliedsländer zu verklagen. Noch dazu aus für Normalsterbliche schwer nachvollziehbaren Motiven: Was die Causa Österreich anlangt, muss man sich etwa die Frage stellen, was es denn für einen Sinn hätte, in Tirol und der Steiermark mehr Skilehrer aus – sagen wir – Portugal, Zypern oder Malta zu beschäftigen. Bezweckt die Kommission damit eigentlich, dass rot-weiß-rote Skilehrer, die dann ihren Job los wären, in den südlichen Ländern als Badewaschel beginnen sollten ? – und wären sie dort überhaupt willkommen?

Noch vor wenigen Wochen war, als Reaktion auf das katastrophale Brexit-Votum im Vereinigten Königreich, aus dem Munde hochrangiger Politiker und in intelligenten Zeitungskolumnen zu vernehmen, dass sich die Europäische Union schleunigst grundlegend ändern müsse. Sie solle sich künftig, hieß es, nicht mehr um tausend Nebensächlichkeiten, sondern viel mehr um die europaweit wirklich wichtigen Angelegenheiten kümmern, etwa um den Schutz der Außengrenzen, die Aufteilung hunderttausender Migranten und ähnliches mehr. Es sei auch dringend erforderlich, all das, was in Brüssel passiert,  plausibler bzw. erst verständlich zu machen, kurzum: besser zu „verkaufen“, weiters bürgernäher zu agieren und auf die diversen Anliegen und Probleme von mehr als 500 Millionen Einwohnern deutlich mehr einzugehen. Schon jetzt, wegen der PR-Pannenserie vom 22. Juli, sind durchaus Zweifel angebracht, ob die Kommission dazu jemals im Stande  sein wird – zumindest so lange sie sich beispielsweise für bulgarische Vögel so sehr ins Zeug legt.

Wenn der oberste Boss Jean-Claude Juncker – bei ihm beginnt das Dilemma – unentwegt sämtliche Kollegen, bisweilen sogar Minusmänner wie Nigel Farage, abzubusseln pflegt – seine zahllosen freundlichen Gesten werden vielerorts als unangebracht interpretiert – ist das noch längst kein Signal für Bürgernähe. Der leutselige Präsident ist folglich ziemlich schlecht beraten, als Küsserkönig aufzutreten, denn von ihm werden völlig andere Stärken wie Durchsetzungskraft erwartet, die er freilich wohl nicht in ausreichendem Maße besitzt. Der joviale Luxemburger hätte obendrein schon längst erkennen müssen, dass die PR-Arbeit der Union zumeist dilettantisch ist, um nicht zu sagen grottenschlecht.

Obwohl die EU-Granden allein in der Brüsseler Zentrale ein Heer von Pressesprechern,  -referenten und -assistenten beschäftigen, ist die Öffentlichkeitsarbeit der Union, wie man gerade wieder feststellen konnte, in inhaltlich-qualitativer Hinsicht ziemlich dürftig: Sechs kontraproduktive Horrormeldungen an einem Tag! – so als ob es das oberste Ziel der  Staatengemeinschaft wäre, die Mitgliedsländer ebenso zu frustrieren wie die Bürgerinnen und Bürger, die so etwas aus den Zeitungen erfahren müssen. Juncker und seine Kommissare hätten eine derart unprofessionelle Vorgangsweise schon längst erkennen und abstellen müssen. Oberstes Ziel von Public Relations sollte es immer noch sein, sich zu wichtigen Themen und Ereignissen in optimaler Form zu äußern – und nicht, sich ins eigene Knie zu schießen.

Die dürren offiziellen Statements in jüngster Zeit –  sieben Zeilen zum Terror in Nizza, neun Zeilen zum Putsch in der Türkei, jedoch kein einziges Wort zum Amoklauf in München – lassen erkennen, wie sehr die Informationspolitik im Argen liegt. Das jüngste PR-Fiasko könnte freilich – positiv betrachtet – mit dem Faktum zu tun haben, dass sich die Kommission bereits in Ferienstimmung befindet: Juncker und sein Team packen derzeit gerade Badesachen, Bergschuhe und sonstige Urlaubsutensilien ein, um – wie jedes Jahr – den vollen August über geschlossen auszuspannen. Die auch an dieser Stelle alljährlich kritisierte kollektive Sommerpause in Brüssel mag zwar heuer besonders grotesk anmuten, weil es enorm viel zu tun gäbe, doch selbst an dieser schrägen Urlaubsplanung wird sich vermutlich nie etwas ändern. Der August ist und bleibt EU-frei… und deshalb wird es auf www.ec.europa.eu hoffentlich auch keine Presseaussendungen geben, über die man sich zur wundern kann…

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