Donnerstag, 18. April 2024
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Die Abrechnung mit der Troika

Die neue griechische Regierung muss also klein beigeben: Erstmals macht sie in Athen exakt das, was sie seit Wochen strikt ablehnte – mit der Troika zu verhandeln.

Die Herrschaften, die dieses Bündnis aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds repräsentieren, sind wieder vor Ort um mit gestrengem Blick nach dem Rechten zu sehen und tunlichst eine Staatspleite Griechenlands erneut abzuwenden. Sie treten zwar wunschgemäß unter neuer Bezeichnung auf – jetzt heißen sie „die drei Institutionen“ – , doch ansonst hat sich nichts geändert. Die Griechen hassen diese Institution, die ihnen einen brutalen Sparkurs aufgezwungen und die Bürgerinnen und Bürger massenhaft in die Armut gedrängt hat, wie die Pest. Doch der neue Premier Alexis Tsipras und sein schräger Finanzminister Giannis Varoufakis, die große Töne gespuckt haben, was sie denn nicht alles verbessern wollen, haben endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass ohne dieses Kontrollgremium gar nichts mehr gehen wird.

Die bisherige Rolle der Troika ist durchaus kritisch zu betrachten. Das Europäische Parlament hat bereits im März vorigen Jahres in einem Bericht kritisiert, dass dieses SOS-Gremium „einseitig auf Sparmaßnahmen gesetzt und Wachstumsimpulse vernachlässigt“ habe. Schon damals war davon die Rede, diese unkontrollierte, ohne juristische und demokratische Legitimation agierende Konstrukt schrittweise abzuschaffen. Vor wenigen Tagen wurde im deutschen Fernsehen der Report „Die Spur der Troika: Macht ohne Kontrolle“ ausgestrahlt, der die Wogen endgültig hoch gehen ließ: Arpad Bondy und Harald Schumann skizzieren in dieser Dokumentation, für die sie monatelang in mehreren Ländern recherchiert haben, die fragwürdige Vorgangsweise der Troika-Beamten: Der Deutsche Matthias Mors, als Volkswirtschaftler für die EU-Kommission tätig, der Deutsche Klaus Masuch, Abteilungsleiter der Europäischen Zentralbank, und der Däne Poul Mathias Thomsen, der seit 30 Jahren für den IWF arbeitet, seien „nicht gewählte, von niemandem kontrollierte Technokraten“, die in den Krisenländern plötzlich an den Machthebeln saßen. Abgesehen von Griechenland übernahmen sie auch in Irland, Portugal und Zypern die Krisen-Regie – und ihre Therapie war überall dieselbe: Die finanzmaroden Schuldnerstaaten, die mehr als 500 Milliarden Euro geliehen bekamen, mussten harsche Sparprogramme, Lohnsenkungen und andere beinharte Auflagen akzeptieren, um langfristig wieder halbwegs ins Lot gelangen zu können.

„Dauerverschuldung ohne Ende“

Die erwünschten Reformschübe nach dem Willen der Gläubiger sorgten im Laufe der Zeit überall für dramatische Konsequenzen: In Portugal beispielsweise sind die Löhne um bis zu 20 Prozent gesunken, die Mindesttarife auf 485 Euro reduziert und die Kollektivverträge großteils abgeschafft worden – mit dem Effekt, dass es heute nur noch Jobs am Mindestniveau gibt. Selbst gut ausgebildete junge Akademiker finden keine Stellen mehr, die Jugendlichen verlassen folglich in Scharen das Land um anderswo Arbeit zu suchen – etwa in Australien. In Griechenland ein ähnliches Horrorszenario: Eine frühere Regierung, die unter großem Druck des gestrengen Triumvirats gestanden war, musste den damaligen Mindestlohn von 751 Euro per Regierungsdekret auf 586 Euro reduzieren;  im Athener Parlament wurde darüber nicht einmal abgestimmt, aus Furcht, dass die Troika die Geldflüsse stoppen würde, falls sich die Abgeordneten mehrheitlich quergelegt hätten. Unzählige Griechen verloren ihren Arbeitsplatz, die Konsumausgaben brachen massiv ein, Geschäfte gingen reihenweise bankrott, die wirtschaftliche Rezession löste eine schlimme Depression aus, und letztlich sind – trotz aller Anstrengungen, das Land zu reformieren – die griechischen Staatsschulden weiter angestiegen.

Die detaillierten Sparprogramme, die von der Troika verordnet worden waren – so etwa mussten die Putzfrauen in den Ministerien rausgeschmissen werden – , trafen die Bevölkerung schwer. Millionen Familien rutschten in die Armut, viele haben keine Krankenversicherung mehr, und auch das Gesundheitssystem brach, nachdem 40 Prozent aller Krankenhäuser geschlossen bzw. zigtausende Ärzte und Pflegerinnen entlassen wurden, wie vieles andere zusammen. Im Gegensatz zur  Clique der steinreichen Griechen, die sich im Zuge des Privatisierungs-prozesses ungehemmt bedienen konnte, wurde die übrige Bevölkerung von der Troika alles andere als verschont, ja im Stich gelassen. Die griechischen Bürger bekamen nämlich von den Milliarden und Aber-Milliarden, die Griechenland bewilligt worden sind, absolut nichts zu sehen: Diese Gelder landeten beispielsweise bei französischen Banken, denen mit 20 Milliarden Euro aus der Patsche geholfen wurde, und bei deutschen Kreditinstituten, die sich immerhin über 17 Milliarden Euro freuen durften. Die drei Institutionen, die sich so großzügig wie bei karitativen Maßnahmen anstellten, waren ursprünglich bei den Hilfsmaßnahmen gar nicht einig: Der IWF in Washington wollte nicht mitmachen, wurde aber von dessen damaligem Boss Dominique Strauss-Kahn aus höchst persönlichen Gründen auf Linie gebracht: Der Mann, der damals nächster französischer Staatspräsident hatte werden wollen, konnte damit befreundeten Bankiers in Paris immerhin einen netten Gefallen erweisen.

Dass Griechenland im Jahr 2010 überhaupt Finanzhilfe und keinen Schuldenerlass erhielt, wo doch absehbar war, dass es diesen monströsen Schuldenberg wohl niemals abbauen können werde, empörte etwa Giannis Varoufakis schon lange, bevor er Finanzminister wurde. In der ARD-Dokumentation war der streitbare Professor mit einem scharfen Zitat aus dem Vorjahr vertreten: „Die klugen Leute in Brüssel, Frankfurt und auch Berlin haben damals so getan, als sei Griechenland nicht bankrott, sondern habe nur gerade nicht genug flüssige Mittel. Aber: In dieser Lage dem insolventesten aller Staaten den größten Kredit der Geschichte zu geben, wie drittklassige korrupte Banker, das war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Damit zwangen sie Griechenland  in eine Dauerverschuldung ohne Ende“.

Keine Konsequenzen

Die Empörung der siegreichen Syriza-Partei, dass sich Griechenland der Troika jahrelang unterwerfen musste, ist letztlich ohne Wirkung geblieben – jetzt muss mit Technokraten der umbenannten Institution weiter verhandelt werden. Das Image dieser machtbewussten Beamten, die letztlich großes Leid zu verantworten haben, ist allerdings massiv angekratzt – wiewohl keiner zur Verantwortung gezogen wird. Österreichs EU-Parlamentarier Othmar Karas antwortete im zitierten ARD-Report auf die Frage, ob es einen U-Ausschuss geben werde, der sich mit der Strategie der Troika zu befassen hätte, so: „Nein, weil es keinen Anlass gibt. Die Tätigkeit der Troika war ein großer Erfolg – und dazu gab es keine Alternative. Also muss niemand zur Verantwortung gezogen werden“. Und was bleibt als Resumé? Die EU – das war für Griechenland, das gewiss viele Fehler gemacht hat, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Trotz der monströsen Rettungsaktion ist die soziale Lage der griechischen Bevölkerung indes prekärer denn je: Die Troika-Beamten haben den Griechen jede Hoffnung genommen…

 

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