Dienstag, 19. März 2024
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Das wird ein heißer Herbst

Jetzt geht‘s los: In den  kommenden Monaten ist für politisch Interessierte auf mehrfache Weise Hochspannung garantiert. Es stehen etliche Weichenstellungen, Entscheidungen und Kurswechsel an, die für die Europäische Union kurz-, mittel- und langfristig von großer Bedeutung sein könnten. Wir fassen das Wichtigste dessen, was uns demnächst erwartet, in zehn Punkten zusammen.

USA

Der 8. November ist für die ganze Welt wohl der wichtigste Stichtag:  Wenn es Hillary Clinton schafft, ins Weiße Haus einzuziehen, wäre freilich sogleich Entwarnung angesagt. Falls jedoch der unberechenbare Milliardär Donald Trump  – im Grunde genommen wider Erwarten – zum US-Präsidenten gewählt wird, wäre  Alarmstufe Rot die logische Konsequenz. Der hart an der Grenze zum Wahnsinn agierende Immobilientycoon wäre in dieser Rolle zum einen für die US-Bürger ein gefährlicher Hasardspieler, zum anderen für den Weltfrieden ein Risikofaktor ersten Ranges. Es ist zu hoffen, dass das amerikanische Volk diesem ebenso aggressiven wie radikalen Egomanen ohne jedwede politische Erfahrung eine klare Abfuhr erteilt.

Syrien

Am globalen Krisenherd Nummer Eins sollte  sich in  absehbarer Zeit abzeichnen, ob für den blutigen Bürgerkrieg  doch noch eine friedliche Lösung  denkbar oder aber mit einer jahrelangen  Prolongation dieses Dramas zu rechnen ist. Die jüngsten militärischen Interventionen der Türkei reduzieren jedenfalls die Hoffnung auf Optimismus – auch wenn die Außenminister Russlands und der USA wieder einmal über  eine Waffenruhe verhandeln möchten. Leider klaffen die Positionen der vielen involvierten Streitparteien – etwa in der Frage, was mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad geschehen soll – noch meilenweit auseinander. Die baldige Beendigung dieses irrwitzigen Konflikts mag im Moment nicht mehr als ein frommer Wunsch sein – für alle, nicht zuletzt für Europa, wäre die Realisierung dieses Traums indes von zentraler Bedeutung.

Türkei

Von Recep Tayyip Erdogan, einem Keyplayer in dieser Krisenregion,  hängt enorm viel ab. Schon in den kommenden Wochen wird sich beispielsweise abzeichnen, ob er im eigenen Land seine diktatorischen Ambitionen umsetzen will oder nicht. Und davon hängt wiederum ab, wie sich die künftigen Beziehungen der Türkei zur EU – Stichworte: Visa-Freiheit und Flüchtlings-Pakt – gestalten. Der türkische Präsident steht jedenfalls wie kaum ein anderer Top-Politiker permanent im Visier der  Weltöffentlichkeit. Falls Erdogan alles seinem persönlichen Machtstreben unterordnet und dabei etwa die Einführung der Todesstrafe durchsetzt, wird er sich selbst in eine dramatische Isolation manövrieren und zugleich der Zukunft jenes Landes   schweren Schaden zufügen, das   2023  seine   vor 100 Jahren erfolgte Staatsgründung  durch Mustafa Kemal Atatürk feiern  möchte.

Flüchtlinge

Falls die Türkei  auf stur schalten sollte  und  zig-, ja hunderttausende Flüchtlinge  gen Europa  schickt, wäre das nächste Migrations-Fiasko unabwendbar. Trotz der Schließung der Balkan-Route  würde  es schon sehr rasch zu einem Flüchtlingsstrom  ungeahnten Ausmaßes kommen. Deutschland, bislang beliebtestes Ziel der Asylanten, rechnet damit, heuer  bestenfalls 250.000 bis 300.000 Flüchtlinge  (wovon das Gros schon da ist) aufnehmen zu müssen. Alle übrigen EU-Mitgliedsländer – inklusive Österreich – setzen unisono auf eine restriktive Einwanderungspolitik, sodass ein Chaos unausweichlich wäre. Die Lage spitzt sich auch deshalb zu, weil der Zustrom an Flüchtlinge aus Richtung Afrika stark im Ansteigen begriffen ist.

Europäische Union

Brüssel steht damit erneut vor der praktisch unlösbaren Aufgabe,  den Mitgliedsstaaten einen praktikablen Lösungsvorschlag   schmackhaft zu machen, wo  noch mehr  Einwanderer eine neue Heimat finden könnten – bekanntlich ist die Kommission mit ihrem ersten  Aufteilungsschlüssel grandios gescheitert. Dass ihre Chancen nunmehr, also im SOS-Fall, besser stünden, muss angesichts des unsolidarischen Starrsinns insbesonders der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei), aber auch wegen der unkooperativen Haltung weiterer egoistisch argumentierender Nationalstaaten stark bezweifelt werden. Die Union, für die das Migrationsproblem neben dem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus oberste Priorität haben müsste, steht nicht zuletzt vor der Mega-Aufgabe, den nach dem Brexit-Votum dringend nötig gewordenen inneren Reformprozess einzuleiten und voranzutreiben. Man darf gespannt sein, ob es im Herbst bereits erste sichtbare Signale geben wird.

Deutschland

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist – auch wenn sie es offenbar nicht wahrhaben will – schwer angeschlagen.  Sie wird nicht nur EU-weit wegen ihrer „Willkommenspolitik“ in Sachen Migration heftig kritisiert, sondern sogar schon  von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, vom Koalitionspartner SPD  sowie  selbst in der eigenen Partei. Europas bislang mächtigster Politikerin   wird speziell von der   Jung-Partei AfD (Alternative für Deutschland) vorgeworfen, dass   die lange  unkontrollierte  Masseneinwanderung zu verheerenden Terrorschlägen geführt habe.  Während AfD-Anführerin  Frauke Petry  merklich an Rückhalt gewinnt, verheißen die jüngsten Meinungsumfragen der Kanzlerin wenig Gutes. Die Flüchtlingskrise hat in Deutschland so etwas wie eine Führungskrise ausgelöst. Ob die „Mutti der Nation“ bei der Bundestagswahl 2017 erneut antritt, muss zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden.

Terror

Eines ist klar: Der nächste Anschlag  kommt bestimmt – und die Angst vor IS- und sonstigen Terroristen  ist aus ganz Europa folglich nicht mehr wegzudenken. Nach den schrecklichen Attentaten in Paris,  Brüssel,  Nizza oder Würzburg müsste endlich allen klar geworden sein, dass dieser Kampf nur gemeinsam geführt werden kann – egal, ob gegen  gewaltbereite Netzwerke oder einsame Wölfe, also Einzeltäter. Die EU-Bürger erwarten zu Recht, dass sich die Kommission viel stärker als bisher mit dem Thema Sicherheit befassen sollte. Die – übrigens längst fällige – Schaffung eines Portfolios für eine „Sicherheitsunion“, das kürzlich dem Briten Julian King anvertraut wurde, wird allein bei Weitem nicht reichen. Jetzt wären  rasch  konkrete weitere Maßnahmen vorzulegen, wie potenzielle Attentäter etwa aus dem radikal-islamistischen  Eck‘ wirksam verfolgt werden könnten. Brüssel müsste es beispielsweise schaffen, dass die europäischen Geheimdienste besser zusammenarbeiten – ob das gelingt oder nicht, wird man in Bälde erkennen.

Großbritannien

Die britische Premierministerin Theresa May steht unter extremem Zeitdruck. Sie muss im Blitztempo die aus Sicht ihres Landes optimale Strategie für die Brexit-Verhandlungen  fixieren – ob es das Austrittsgesuch im nächsten Jahr  wie von ihr geplant ohne Abstimmung im Londoner Parlament geben wird, muss erst das Oberste Gericht des Inselstaates entscheiden. Es sind jedenfalls jede Menge Hürden zu nehmen: Die  Missstimmung der Bevölkerung etwa in Schottland wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen. May muss sich daher auch um das interne Horrorszenario kümmern,: Für sie geht es darum, eine Abspaltung  der Schotten  vom Vereinigten Königreich nach der Abspaltung Großbritanniens  von der Europäischen Union  zu  verhindern, so kompliziert das auch sein wird…

Frankreich

Turbulente Zeiten stehen auch den Franzosen bevor, deren Präsident Francois Hollande nur noch als Auslaufmodell zu betrachten ist. Die Chefin des extremen Front National, Marine Le Pen, rechnet sich für  den Urnengang im April 2017 gute Chancen aus. Obendrein will der konservative Ex-Premier Nicolas Sarkozy um ein Comeback im Elysée Palast  kämpfen, wo er schon mal den Beweis erbrachte, dass ihn dieser Job deutlich überforderte. In der Republikanischen Partei  findet derzeit freilich der frühere Premierminister und einstige Außenminister in der Sarkozy-Ära, Alain Juppé, deutlich mehr Unterstützung, doch der Bürgermeister von Bordeaux   ist mit 71 nicht mehr der Jüngste. Ein monatelanger Machtkampf  wird der auch von latenter Terror-Angst geprägten Grande Nation in mehrfacher Hinsicht sehr zu schaffen machen.

Österreich

Die Bundespräsidentenwahl am 2. Oktober wird für die Republik eine brisante Richtungsentscheidung darstellen:  Falls Alexander Van der Bellen seinen Sieg vom letzten Mal nicht wiederholen kann,  wird das  politische Klima im Lande garantiert rauer werden. Und dass der FPÖ-Mann  Norbert  Hofer  als  Wahlsieger  für unliebsame politische und mediale  Reaktionen im Ausland sorgen würde, wäre eben so sicher wie das Amen im Gebet. Obendrein steht die Stabilität und Leistungsbereitschaft der  angeschlagenen rot/schwarzen Bundesregierung  längst am Spiel. Ob sie überhaupt – und wenn ja, wann – in der Lage sein wird, die anstehenden Reformen in Gang zu bringen, ist vorerst eine Elfer-Frage. Und damit verbunden ist ihr Ablaufdatum…
 

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