Donnerstag, 28. März 2024
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Das Marketing-Desaster der EU

Protest gegen CETA in Brüssel. Bild ©CC BY-SA 4.0 M0tty/Wikimedia (Ausschnitt)

Ein Tenor zieht sich in Zusammenhang mit dem CETA-Theater durch die Kommentare in den europäischen Medien: Die EU hat es verabsäumt, eine offene Debatte zu führen. Das Beispiel CETA ist freilich nur die Spitze eines Eisbergs. Und dieser betrifft die generelle Kommunikationsarbeit der EU. Und damit ist nicht nur die Kommission gemeint.

Durch die diversen Umfragen in den letzten Tagen und Wochen, die sich mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada beschäftigt haben, zieht sich ein roter Faden. Nämlich die Klage der Bürger über die mangelnde bis nicht vorhandene Information. Laut einer Erhebung der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik fühlen sich 78 Prozent schlecht bis eher schlecht informiert. Und – so das GfK-Institut im Auftrag der Industriellenvereinigung – überhaupt nur 1 Prozent sagt, gut Bescheid zu wissen. Die Schuld an diesem desaströsen Votum trägt allen voran die EU, in weiterer Folge betrifft dies aber auch die Regierungen in den 28 EU-Staaten. „Oben“ wurde einfach verhandelt und „unten“ nicht daran gedacht, wie das Verhandlungsergebnis dem Durchschnittsbürger verständlich vermittelt werden kann. Dadurch wiederum wurde den Gegnern einer die Grenzen überschreitenden Wirtschaftskooperation und der Boulevardpresse geradezu der Boden aufbereitet, um mit billigen Schlagzeilen und beißender Polemik Stimmung machen zu können.

Eigenbrötelei statt Koordination

Seit sieben Jahren wurde CETA verhandelt, seit zwei Jahren, so die Experten, ist das Abkommen mehr oder weniger fertig, aber in der Öffentlichkeit besteht faktisch ein Null-Wissen. EU-Infothek hat es aufgedeckt. In Brüssel gibt es alles fertig an Unterlagen, um sowohl in Kurz- wie auch Langversionen den Bürgern zu erklären, worum es geht. Bloß haben diese Texte den Weg nicht an die Öffentlichkeit, nicht zu den Regierungen und schon gar nicht zu den Bürgern geschafft. CETA ist nur kein Einzelbeispiel. Vieles was so in der Öffentlichkeit an Geschichten, an Fehlmeinungen, an Vorwürfen über die Arbeit der EU-Kommission, des EU-Parlaments kursiert, hat seine Ursache in einer zu wenig bedachten Kommunikationsstrategie und fehlenden, unkoordinierten Öffentlichkeitsarbeit. Stattdessen wird auf allen Ebenen Eigenbrötelei betrieben.

Die Schuld liegt bei einem Systemfehler

Angesprochen auf diese Situation wird von den betroffenen Stellen in Brüssel auch sofort eingestanden, dass es immer wieder Verständigungsprobleme gibt, der „Verkauf“ der Leistungen schlecht organisiert ist,  das Vorbereiten wichtiger Entscheidungen schlichtweg unterbleibt und man weiß sogar, woran es eigentlich hapert: „Es handelt sich um einen Systemfehler“. Unter System versteht man, dass der EU-Rat als gewissermaßen oberste Institution die Richtlinien vorgibt, die EU-Kommission diese gewissermaßen in Regierungsbeschlüsse fasst, das Parlament die entsprechenden Gesetze beschließt – und dann die nationalen Regierungen für die Umsetzung in die Praxis sorgen (sollen). Wenn man so will, handelt es sich um ein Delegierungssystem. Dazu kommen noch im Umfeld der Brüsseler Zentrale alle möglichen Institutionen, die von den Interessensorganisationen bis hin zu den Regionen und Bundesländern eigene Vertretungskörper unterhalten – und mitunter ihre eigene europäische Politik betreiben.

Ein EU-Amt für Kommunikation und Information

Das aber ist nun einmal der derzeitige Aufbau der Europäischen Union, ein Bündnis von 28, bald nur noch 27 Staaten, dem noch viele Gemeinsamkeiten fehlen. Nicht nur eine gemeinsame Außen-, eine gemeinsame Verteidigungs- und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik sondern auch eine gemeinsame Marketing- und p.r.-Strategie. Jeder Ministerpräsident, jeder Kommissar, jede Parlamentsfraktion und fast jeder Abgeordnete hat einen eigenen Mitarbeiterstab und vor allem eigene Pressereferenten. Was fehlt, und das hört man in diesen Tagen immer wieder, ist eine zentrale Kommunikationszentrale, die die Verkaufsstrategien entwickelt, die die notwendigen Vorgaben für eine gemeinsame Spracheregelung erarbeitet, die Problemfeldern nachspürt. Die Schlussfolgerung eines bereits seit Jahren in Brüssel tätigen und sehr angesehenen Mediensprechers klingt bürokratisch, trifft aber den Kern: Die EU benötigt ein eigenes Amt, eine Art Kommandozentrale für Information.

 

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