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„Crowdfunding“ in Österreich und in der EU

Bild: © CC BY-SA 4.0 Bizking2u/Wikimedia (Ausschnitt)

Im Zuge der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise bzw aufgrund der verschärften Eigenkapitalvorschriften gemäß Basel III gerieten eine Reihe von Banken in eine Finanzklemme und konnten selbst positiv bilanzierenden klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) keine weiteren Kredite mehr gewähren.

[[image1]]Manche Unternehmen sahen sich daher gezwungen, alternative Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, ohne dabei aber zu berücksichtigen, dass der gewerbsmäßige Geldverleih in Österreich gemäß Bankwesengesetz (BWG),[1] Kapitalmarktgesetz (KMG)[2] und Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG)[3] als Bankgeschäft gilt, dementsprechend auch konzessionspflichtig ist und der Prospektpflicht unterliegt.

Was hat der Schuherzeuger Staudinger mit der Finanzmarktaufsicht zu tun?

Bedarf es in Österreich wirklich erst eines aufmüpfigen Waldviertler Schusters, um das Problem der immer schwieriger werdenden Kreditbeschaffung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu relevieren? Der Schremser Schuherzeuger Heinrich („Heini“) Staudinger, dessen Unternehmen (GEA) 1984 gegründet wurde, bekam Ende der 1990-Jahre von seiner Hausbank mitgeteilt, dass sein Kreditrahmen gekürzt wird, obwohl GEA schwarze Zahlen schrieb. Um weiterhin liquid zu sein, gründete er einen (GEA-)Sparverein, über den 192 Freunde, Bekannte und Geschäftspartner in das Unternehmen investierten und auf diese Weise in Summe 2,979 Millionen Euro aufbrachten. Für diese (Klein-)Kredite – die Mindesteinlage beträgt 3.000 Euro und die maximale Einlage 50.000 Euro, was einem Wochenumsatz des Unternehmens GEA entspricht[4] – zahlte Staudinger jährlich 4 Prozent Zinsen.

Er hatte aber die Rechnung ohne den Wirt – in diesem Falle die Finanzmarktaufsicht (FMA) – gemacht, die 2011 auf diese Konstruktion aufmerksam wurde und Staudinger zunächst mit einer Verwaltungsstrafe von 2.000 Euro belegte, gegen die Staudinger an den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) Wien Berufung einlegte. In der Folge forderte die FMA Staudinger bescheidmäßig auf, die „unerlaubte gewerbliche Entgegennahme fremder Gelder“ zu unterlassen und sein Finanzierungsmodell einer sogenannten „Schwarmfinanzierung“ („Crowdfunding“) in „eine gesetzeskonforme Form überzuführen“.[5] Seine Art von „Crowdfunding“ widerspreche nämlich den Prospekt- und Einlagensicherungsvorschriften sowohl des Bankwesen- und Kapitalmarktgesetzes, als auch denen des Wertpapieraufsichtsgesetzes. Demnach brauchen Unternehmen, die sich über Direktdarlehen finanzieren, ab 100.000 Euro bzw. ab einer Erfassung von mehr als 150 Interessenten einen transparenten Anlegerprospekt, dessen Erstellung  allerdings einen finanziellen Aufwand von 25.000 bis 50.000 Euro verursachen würde. Zugleich drohte ihm die FMA eine Beugestrafe in Höhe von 10.000 Euro an. Staudinger replizierte darauf mit einer Beschwerde beim VerfGH, dem Bescheid der FMA aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, was dieser aber im April 2013 ablehnte. Anfang Dezember 2013 bestätigte auch der VerwGH den FMA-Bescheid „vollinhaltlich“[6], worauf Staudinger Mitte Jänner 2014 eine meritorische VerfGH-Beschwerde gegen den Bescheid der FMA einlegte[7]. Ende Dezember 2013 entschied auch der UVS Wien gegen Staudinger.

In der von Staudinger in diesem Zusammenhang Mitte 2013 in Österreich losgetretenen Diskussion über die Anhebung der Untergrenze der Prospektpflicht, schwankten die Vorstellungen zwischen 250.000 und 500.000 Euro (SPÖ und ÖVP), 750.000 Euro (WKÖ) und 5 Millionen Euro (Heini Staudinger). Nach Schätzungen von  Markus Roth von der Jungen Wirtschaft der WKÖ könnten rund ein Drittel der ca. 30.000 jährlichen Firmengründungen in Österreich vom „Crowdfunding“ profitieren.[8]

Neben der Jungen Wirtschaft in der WKÖ wünscht sich aber auch Volker Plass, der Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, die Entwicklung eines legalen Modells für „Crowdfunding“, das von der FMA nicht mehr als illegales Bankgeschäft beeinsprucht werden kann. Heini Staudinger kann sich aber auch über eine Online-Petition freuen, die laut Aussendung der Avaaz.org von Martin Schnell aus Salzburg eingerichtet wurde und bis Mitte November 2012 bereits mehr als 6.800 Unterstützer gesammelt hat. Darin werden die FMA sowie die führenden Politiker aller Parteien aufgefordert, „die Verfolgung der Waldviertler Schuhproduktion aufgrund ihres innovativen Finanzierungsmodells zu beenden und den Menschen die Verantwortung ihres Geldes stärker selbst zu überlassen.“[9]

Nachdem der Streit zwischen der FMA und Heini Staudinger beinahe zwei Jahre gedauert hatte, gewährte die FMA Staudinger eine Nachfrist bis Ende Jänner 2014, um entweder das geborgte Geld zurückzuzahlen oder alternative gesetzeskonforme Lösungen vorzulegen. Mitte Jänner 2014 bot Staudinger daher ein neues Finanzierungsmodell an, nämlich das sogenannte „Nachrangdarlehen“, bei dem die Anleger schriftlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihre Forderungen im Falle einer Insolvenz des Unternehmens bloß nachrangig sind. Für die FMA handelt es sich bei diesem Modell deswegen um einen erhöhten Gläubigerschutz, da den Anlegern damit ihre benachteiligte Stellung im Falle einer Zahlungsunfähigkeit drastisch vor Augen geführt wird, sodass sie um die Risiken ihrer Veranlagung genau Bescheid wissen. Staudinger sieht darin keinen besonderen Abschreckungseffekt und will seine Anleger mit einer privaten Bürgschaftserklärung zusätzlich absichern. Als weiteres Alternativmodell denkt Staudinger aber auch an die Ausnützung einer nicht öffentlichen Anleihe.

Vom „Crowdfunding“ zum „Crowdinvesting“

„Crowdsourcing“, ein Begriff, der erstmals 2006 von Jeff Howe verwendet wurde[10], soll den Effekt beschreiben, dass eine Masse oder ein „Schwarm“ von Menschen Ressourcen oder Wissen gebündelt zur Verfügung stellen. „Crowdsourcing“ kann dabei ganz allgemein entweder unternehmerischen Aktivitäten oder zivilgesellschaftlichen Projekten zugute kommen.

Im Rahmen des „Crowdsourcing“ werden verschiedene Unterkategorien unterschieden, wie zB ein spendenbasiertes „Crowdfunding“, ein „Crowdfunding“ mit entsprechender sozialer Anerkennung bzw. symbolischer „Belohnung“, zB in Form einer Schenkung oder des kostenlosen Erwerbs des neu entwickelten Produkts, oder als „Crowdfunding“ iSe echten Investments. Während sich die beteiligten Spender bei den beiden ersten Erscheinungsformen eines „reward based“ „Crowdfunding“ meist mit der bloßen Anerkennung oder kleinen Vergünstigungen begnügen, geht es beim „Crowdinvesting“ oder „Equity-Crowdfunding“ um reale Beteiligungen mit Risikokapital an „Start-ups“ oder Innovationsprojekten.

Dazu kommt noch das „Crowd-Lending“ als digitaler Weg zur raschen Erlangung von Privatkrediten, ein bislang ungeregelter Markt, der vor allem in Großbritannien boomt und sich dort seit 2010 auf gegenwärtig etwa 550 Millionen Pfund Sterling verdreifacht hat. 2016 soll er bereits eine Milliarde Pfund schwer sein.

Um mögliche gesetzeskonforme Spielarten dieser alternativen Finanzierungsform auszuloten, gründete Reinhard Willfort 2009 in Österreich eine „Crowdsourcing-Website“, auf der als „Crowdfunding“-Plattform alle innovativen Ideen zur Diskussion gestellt werden, die von den zwischenzeitlich bereits 6.500 Personen der „Schwarm-Community“ sukzessive eingegangen sind. In der Folge wurde im April 2012 vom Innovations-Beratungsunternehmen ISN unter der Geschäftsführung von Reinhard Willfort mit „1.000×1.000.at“, eine Plattform für Projektideen gegründet, die zugleich Hilfe anbietet, diese Projekte auch entsprechend „schwarmartig“ zu finanzieren.[11]

Um nicht mit den Erfordernissen des Bankwesengesetzes zu kollidieren, wird die jeweilige Projektfinanzierung über eine Bank abgewickelt, bei der jeder Beteiligte – das heißt sowohl der  Geldgeber als auch der Geldsucher – ein Konto unterhält, über das Genussscheine ausgegeben werden, die mindestens fünf Jahre gehalten werden müssen. Sobald genügend Geld für ein Projekt zusammengekommen ist, wird die Finanzierung über die Bank abgewickelt, wobei die Plattform „1.000×1.000.at“ an diesem Geschäft nichts verdient.

Das erste Projekt, ein „Spin-off“ der ISN, heißt Neurovation GmbH und entwickelt eine Software, mit der über verschiedene Standorte verstreute Mitarbeiter einer Firma gemeinsame Ideen und Projekte ausarbeiten können. Für die Umsetzung dieses Projekts sind mindestens 50.000 Euro nötig, maximal sollen 99.900 Euro aufgenommen werden können. Die Plattform „1.000×1.000.at“ hat bisher 120 registrierte Mikroinvestoren, die sich an Projekten mit Einlagen zwischen 250 und 5.000 Euro beteiligen können. Laut Geschäftsführer Reinhard Willfort sollen 50 Projekte „in der Warteschleife“ sein.[12]

Obwohl es sich bei Projekten, für die eine „Schwarmfinanzierung“ im Sinn eines „Social Lendings“ ins Auge gefasst wird, grundsätzlich um lokale Projekte handelt, ist deren globale Dimension nicht zu vernachlässigen. So wurden im Jahr 2011 weltweit bereits 452 „Crowdfunding“-Plattformen gezählt, mittels derer 1,4 Milliarden Dollar akquiriert werden konnten. 2012 flossen über etwa 550 solcher Online-Plattformen bereits knapp zwei Milliarden Dollar in alternative Finanzierungskanäle und 2013 wurde dank der gut 20-prozentigen Wachstumsrate von „Crowdfunding“ bereits die 3 Milliarden Dollar-Grenze überschritten, wobei ein Drittel dieser Summe laut Schätzungen der Europäischen Kommission in Europa anfiel.[13] Besonders attraktiv war diese Finanzierungsform für Start-up-Firmen sowie für KMU – von denen allein in der EU 23 Millionen existieren – die in Summe 99,8 Prozent aller Unternehmen (ohne Finanzdienstleistungsunternehmen) in Europa repräsentieren, denen gegenüber die Kommerzbanken in ihrer Kreditgewährung aber besonders zurückhaltend eingestellt sind.

Die international erfolgreichsten Online-Anbieter von „Crowdfunding“-Aktivitäten sind „Kickstarter“ in den USA und „Seedmatch“,[14] „Innovestment“[15] und „Companisto“[16] in der Bundesrepublik, die zusammen 93 Prozent des Finanzierungsvolumens in Deutschland auf sich vereinigen. Allein im zweiten Quartal 2012 wurden in der Bundesrepublik auf diese Weise 3,4 Millionen Euro investiert und damit 74 „Start-ups“ bei ihrer Gründung unterstützt. Für 2013 rechnet das Branchenportal „für-gründer.de“ insgesamt mit einem Volumen zwischen 13 und 15 Millionen Euro.

In Österreich verdient vor allem die Plattform „respekt-net“ Erwähnung, die bisher für 337 zivilgesellschaftliche Projekte rund 485.000 Euro eingesammelt hat.

Allein der 2009 gegründete Branchenprimus „Kickstarter“ verteilte in den beiden ersten Jahren seiner operativen Tätigkeit rund 100 Millionen Dollar Investitionskapital aus dem Schwarm an kapitalbedürftige Unternehmen.

„Crowdfunding“ in der EU

„Crowdfunding“ verzeichnete 2012 im Vergleich zum Vorjahr in Europa einen Zuwachs von 65 Prozent und erreichte in Summe den Betrag von 735 Millionen Euro.[17] 2012 schätzte man auch einen Bestand von mehr als 200 „Crowdfunding“-Plattformen in ganz Europa.[18] Nach einer von der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank im April 2013 durchgeführten Untersuchung über die Finanzierungsengpässe von KMU[19], legt die Europäische Kommission verstärktes Augenmerk auf das Potential und die Risiken der alternativen Finanzierungsform des „Crowdfunding“[20] sowie der dieser zugrundeliegenden mitgliedstaatlichen Rahmenbedingungen, um den möglichen Mehrwert einer einschlägigen europäischen Politikmaßnahme in diesem Bereich abschätzen zu können.

Im Anschluss an den am 3. Juni 2013 in Brüssel abgehaltenen Workshop mit über 250 Teilnehmern zum Thema „Crowdfunding“[21] startete die Europäische Kommission am 3. Oktober 2013 eine Konsultation, die bis zum 31. Dezember 2013 lief, und in deren Rahmen alle Interessenten – sowohl Bürger, die sich eventuell an „Crowdfunding“-Projekten beteiligen wollen, als auch Unternehmen, die selbst ein derartiges Projekt ins Leben rufen möchten –  eingeladen waren, einen Online-Fragebogen[22] auszufüllen. Ebenso wurden nationale Behörden und bestehende „Crowdfunding“-Plattformen um entsprechende Reaktionen gebeten. Dabei ging es vor allem um die Feststellung des Mehrwertes alternativer Finanzierungsmodelle sowie um die möglichen Vorteile und Risiken des „Crowdfunding“ an sich. Auch sollte die Meinung der europäischen Öffentlichkeit zur Konzeption eines optimalen politischen Rahmens für die Erschließung des Potentials dieser neuen Finanzierungsform eingeholt werden. Zum besseren Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge veröffentlichte die Kommission am 3. Oktober 2013 ein informatives Konsultationspapier[23], in dem sie die wichtigsten Informationen bereitstellte und vor allem die möglichen einschlägigen Auswirkungen des bestehenden Sekundärrechts in der EU auf die Ausgestaltung und Kontrolle alternativer Finanzierungsmodelle hin untersuchte, wobei sie auf folgende Rechtsakte näher einging: Richtlinie 2000/31/EG des EP und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr[24], dritte Anti-Geldwäsche Richtlinie[25], Richtlinie 2003/71/EG über den Wertpapierprospekt[26], Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (MIFID-RL)[27], Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt[28], Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge[29] sowie die Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge[30].

Anlässlich der Eröffnung der Konsultationsphase merkte das für den Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissionsmitglied, Michel Barnier, dazu an: „Crowdfunding als alternative kollektive, partizipatorische und interaktive Methode der Mittelbeschaffung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es kann die Finanzierungslücken, denen sich viele Start-up-Unternehmen gegenübersehen, schließen und Anreize für Unternehmensgründungen schaffen. Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Crowdfunding und der Unterschiedlichkeit der rechtlichen, aufsichtlichen, finanzpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen innerhalb der EU stellt sich die Frage, ob wir nicht einen einheitlichen EU-Rahmen brauchen, um einerseits all jene zu unterstützen, die Crowdfunding-Plattformen entwickeln, und andererseits die Risiken für all jene zu mindern, die derartige Plattformen für die Finanzierung ihrer Projekte nutzen“.[31

Es muss jetzt abgewartet werden, wie die Kommission die im Rahmen der Konsultation bei ihr eingegangenen Anregungen auswertet und diese schlussendlich in einer neuen Rechtsetzungsinitiative konsolidiert. Auf das Ergebnis dieser Überlegungen kann man sehr gespannt sein, gilt es doch eine tragfähige Balance zwischen den Finanzierungsinteressen von KMU und den Sicherheitsinteressen der Anleger am Wert ihrer Einlage zu finden.

Wie die erste Insolvenz eines „Start-up“-Unternehmens, nämlich des Hotelbuchungsportals „betandsleep“, im Jahre 2013 zeigt – in der 161 Investoren ihre Beteiligungen von insgesamt 100.000 Euro, die sie 2012 getätigt hatten, nur ein Jahr später wieder verloren haben – scheitert diese Anlageform zumeist an der fehlenden Anschlussfinanzierung der jungen Unternehmen, sodass man in praxi davon ausgeht, dass jedes dritte (!) „Start-up“-Unternehmen in den ersten drei Jahren seines Bestehens in finanzelle Turbulenzen kommen wird. Damit ist aber die finanzielle Situation der Investoren alles andere als rosig. Die stille Einlage dieser alternativen Investmentform wird gegenüber anderen Gläubigern, wie zB Banken, nachrangig behandelt, und findet damit in der Konkursmasse des Öfteren keine Bedeckung. Noch dazu haben die stillen Teilhaber gesellschaftsrechtlich kaum Mitspracherechte, sodass sie auch nicht entsprechend an der Weiterentwicklung des jungen Unternehmens teilnehmen können. Wer in dieser Form in junge Unternehmen investiert, geht dabei bewusst große Risiken ein, setzt dafür aber auf hohe Renditen, die in der Regel mindestens 100 Prozent betragen.[32]

Für die Investoren bleibt „Crowdinvesting“ jedenfalls ein Risikoinvestment und sollte daher nur von Anlegern genutzt werde, die auch einen Totalausfall ihrer Einlage verkraften können.

Fazit

Als innovatives Konzept wurde „Crowdfunding“ als Alternative zur traditionellen Kapitalaufbringung über Bankkredite entwickelt. „Crowdfunding“-Modelle laufen zunächst laut Bankwesengesetz Gefahr, beim Geldnehmer als bankkonzessionspflichtiges Einlagengeschäft qualifiziert zu werden, wobei es auf den Zweck der Entgegennahme fremder Gelder nicht ankommt. Die Konzessionspflicht umfasst daher nicht nur Fälle, in denen das Einlagengeschäft der Ansammlung liquider Mittel für die Finanzierung eines Kreditinstituts dient, sondern es sind davon auch solche Modelle betroffen, bei denen Kapital eingesammelt wird, um dieses – wie beim „Crowdfunding“ – für realwirtschaftliche Tätigkeiten weiterzuverwenden. Um dieser „Konzessionsfalle“ zu entgehen, wurden bereits phantasievolle Umgehungskonstruktionen entwickelt, wie zB Beteiligungsmodelle an einer Gesellschaft und die Entgegennahme und Verwaltung von Eigenkapital durch diese Gesellschaft sowie die Entgegennahme von Geldern durch die Begebung handelbarer Anleihen, die Gründung einer Genossenschaft usw.[33]

Laut Kapitalmarktgesetz wiederum ist ab einer Einlagenhöhe von über 100.000 Euro bzw. einer Erfassung von mehr als 150 Personen eine Prospektpflicht gegeben, wobei die Erstellung eines Kapitalmarktprospekts nicht unerhebliche Kosten verursacht. Selbst wenn man versucht, die Schwelle von 100.000 Euro nicht zu überschreiten, so erscheint es illusorisch, bei einem „Crowdfunding“-Aufruf über das Internet die zweite Schwelle, nämlich die Limitierung des Interessentenkreises, einhalten zu können.

Obwohl das österreichische Recht durchaus einige theoretische Möglichkeiten für die Konstruktion legaler „Crowdfunding“-Modelle eröffnen würde, sollte es in absehbarer Zeit zu einer speziellen gesetzlichen Regelung dieser alternativen Finanzierungsformen unter Aufrechterhaltung bestimmter Mindeststandards zum Anlegerschutz und der Schaffung adäquater Ausnahmetatbestände von den Erfordernissen konzessionspflichtiger Bankgeschäfte sowie der Erstellung von Kapitalmarktprospekten kommen. Vor allem „Start-ups“ und KMU würden solche alternativen Finanzierungsmodelle sehr zugute kommen.

Um sicherzustellen, dass die alternative Finanzierungsform des „Crowdfunding“ aber nicht nur eine vorübergehende Erscheinung darstellt, sondern auch zu einer nachhaltigen Finanzierungsquelle werden kann, müssen neben der Schaffung der juristischen Grundlagen aber noch gewisse Akzeptanz- und Sicherheitskriterien geschaffen werden, um damit das Vertrauen der (Klein-)Anleger in diese neue Finanzierungsform zu gewinnen.


[1] BGBl. 532/1993 idF BGBl. I 184/2013.

[2] BGBl. 625/1991 idF BGBl. I 184/2013.

[3] BGBl. I 60/2007 idF BGBl. I 184/2013.

[4] Kuriose FMA-Jagd auf Öko-Banker, //www.format.at/articles/1242/525/344480/kuriose-fma-jagd

[5] FMA-Bescheid vom 30. November 2012, GZ FMA-UB0001.200/0017-BUG/2012.

[6] Staudinger blitzte auch bei Höchstgericht gegen FMA ab, //kurier.at, vom 5. Dezember 2013.

[7] Staudinger vs. FMA – Vorerst 10.000 Euro Strafe für GEA-Chef, //www.format.at/articles/1305/930/351353/staudinger-fma-vor

[9] Gea-Chef Staudinger sammelt Unterstützer, //derstandard.at, vom 14. November 2012.

[10] Howe, J. The Rise of Crowdsourcing und Look Who’s Crowdsourcing, in: WIRED Juni 2006.

[11] Vgl. Rom, D. Crowdfunding: Masse für die Kasse, //derstandard.at, vom 29. Oktober 2012.

[13] Alles was Sie über Crowdfunding wissen müssen…, www.format.at/articles/1332/946/363685/alles-sie-crowdfunding.

[14] „Seedmatch“ wurde 2011 als GmbH gegründet und ist mit fast 8 Millionen Euro investiertem Kapital Branchenführer mit fast 70 Prozent Marktanteil; Moritz, R. Crowdinvesting: Die Suche nach dem nächsten großen Wurf, handelsblatt.com, vom 9. September 2013.

[15] „Innovestment“ wurde 2011 gegründet und verfügt über 15 Prozent Marktanteil; Moritz, R. Crowdinvesting: Die Suche nach dem nächsten großen Wurf, handelsblatt.com, vom 9. September 2013.

[16] „Companisto“ verfügt über einen Marktanteil von 13 Prozent; Moritz, R. Crowdinvesting: Die Suche nach dem nächsten großen Wurf, handelsblatt.com, vom 9. September 2013.

[17] Massolution 2013 „Crowdfunding Industrie Report“ unter: //research.crowdsourcing.org/2013cf-crowdfunding-industry-report

[18] De Buysere ua (Hrsg.), A framework for European crowdfunding (2012).

[19] European Commission – ECB Survey on the Access to Finance of Small and Medium-sized Enterprises (SAFE), Press Release 26 April 2013.

[20] Vgl. dazu den Aktionsplan Unternehmertum 2020 – Den Unternehmergeist in Europa neu entfachen (KOM(2012) 795 endg. vom 9. Jänner 2012), das Grünbuch Langfristige Finanzierung der Europäischen Wirtschaft (KOM(2013) 150 endg. vom 25. März 2013) sowie die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 27./28. Juni 2013 in Brüssel.

[21] Siehe //ec.europa.eu/internal_market/finances/crowdfunding/index_en.htm

[23] Consultation Document. Crowdfunding in the EU – Exploring the added value of potential EU action; unter //ec.europa.eu/internal_market/consultDocementations/2013/crowdfunding/index_de.htm abrufbar.

[24] ABl. 2000, L 178, S. 1 ff.

[25] Vgl. KOM(2013) 45 endg. vom 5. Februar 2013.

[26] ABl. 2003, L 345, S. 64 f idF der Richtlinie 2010/73/EU (ABl. 2010, L 327, S. 1 ff.).

[27] ABl. 2004, L 145, S. 1 ff.

[28] ABl. 2007, L 319, S. 1 ff.

[29] ABl. 2008, L 133, S. 66 ff.

[30] KOM(2011) 142 endg. vom 31. März 2011; am 11. Dezember 2013 stimmte das Europäische Parlament nach einer langen Verzögerung dieser Richtlinie zu.

[31] Crowdfunding in Europa – Untersuchung des Mehrwertes potenzieller Maßnahmen der EU, IP/13/906, vom 3. Oktober 2013.

[32] Moritz, R. Crowdinvesting: Die Suche nach dem nächsten großen Wurf, handelsblatt.com, vom 9. September 2013.

[33] Vgl. Brandl, E. Crowdsourcing: Geldsammeln im Minenfeld, //derstandard, vom 19. Februar 2013.

 

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