Donnerstag, 28. März 2024
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Brexit, Trump …und was kommt noch alles?

Bild © CC MIH83/Pixabay (Ausschnitt)

Das Endresultat der verrückten US-Wahl vom 8. November muss zu denken geben: Hillary Clinton hat  alles  in allem 668.483 Stimmen mehr erhalten als Donald Trump – und damit verloren. Das absurde Mehrheitswahlrecht plus das groteske Wahlmänner-System haben der  Demokratin lediglich 232, dem Republikaner jedoch 290 Wahlmänner gesichert, welche den Milliardär am 19. Dezember endgültig zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten küren werden – in den USA nennt man das „Demokratie“. Wäre es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten üblich, dass der, der mehr Stimmen erhält, auch tatsächlich gewinnt, hätte man sich Trump erspart. Und vor 16 Jahren wäre übrigens auch George W. Bush nicht Präsident geworden, sondern der demokratische Kandidat  Al Gore, der damals mit 543.000 Stimmen voran gelegen ist.

Die Supermacht Nummer Eins hat sich aber nicht bloß wegen des irren Wahlmodus, der schleunigst abgeschafft werden müsste, der weltweiten Lächerlichkeit ausgesetzt. Ähnlich wie beim unverständlichen „Brexit“-Referendum vom 23. Juni, als 51,9 Prozent der teilnehmenden Briten für „Leave“  votierten, zeichnen sich in den Staaten nach diesem brutalen Wahlkampf und dem unerwarteten Resultat mehrere politische Trends ab, die in Hinkunft auch in anderen Weltgegenden relevant sein dürften:

1. Die Rechtspopulisten sind deutlich im Vormarsch und haben bei kommenden Wahlgängen die besten Karten. Der Triumph von Donald Trump, der Demagogie, Populismus und Nationalismus zu seiner schrecklichen Trademark kombiniert hat, signalisiert, dass derartige Kaliber künftig leichtes Spiel haben werden – auch wenn sie sich wie Ukip-Chef Nigel Frage nach der angerichteten Katastrophe prompt wieder verduften. Marine Le Pen darf sich für die französischen Präsidentschaftswahlen 2017 gute Chancen ausrechnen, der Niederländer Gert Wilders spürt deutlichen Rückenwind, in Deutschland  setzt die AfD zum Sprung nach vorne an,  die Schwedendemokraten profitieren von einem Aufwärtstrend, die Freiheitliche Partei Österreichs befindet sich auf der Siegerstraße.

2. Die Wahlkämpfe  werden zusehends brutaler werden, weil Rechtspopulisten primär auf Diffamierung ihrer Mitbewerber, auf Lügen, leere Versprechen, gängige Primitiv-Parolen, geballte Aggressivität und opportunistische Mätzchen setzen, und zugleich auf  Respekt vor anderen Kandidaten, aber selbst die eigene Glaubwürdigkeit und so etwas wie Verantwortungsbewusstsein verzichten. Trump, dem Charisma nicht abzusprechen ist, hat es vorexerziert, wie man seine dem bösen Establishment zugehörige Rivalin allein mit Worten fertigmacht.

3. Rechtspopulisten brauchen in der Regel keine durchdachten politischen Konzepte, weil es ihnen zumeist schon genügt, bei breiten Wählerschichten mit Fremdenfeindlichkeit, Kritik an etablierten Parteien, der so genannten politischen Elite, sowie dem Schüren von Ängsten – egal, ob die sich auf Sicherheit oder  Jobverlust beziehen – hinreichend zu punkten.  Trump, der bei seinen Auftritten vor Publikum medial deutlich besser rüberkam als Hillary, vergraulte zwar mit sexistischen Ansagen oder dem angedrohten Mauerbau gegen Mexiko viele vernünftige Wählerinnen und Wähler, aber letztlich hat ihn das alles dennoch stärker gemacht.

4. Bei kommenden Wahlgängen – egal wo – wird es so wie in den USA kaum oder deutlich weniger um politische Inhalte gehen denn um Emotionen. Amerika wieder stark zu machen, die Bürgerinnen und Bürger vor illegalen bzw. kriminellen Immigranten zu schützen, das Schlagwort „Change“ – all das kam in den Köpfen speziell von Amerikanern mit niedrigerem Bildungsstand und geringerem Einkommen als Kernbotschaft des Polit-Amateurs exzellent an. Der Milliardär Trump, der möglichst wenig Steuern zu zahlen pflegt, hat es sogar verstanden, sich zum Schutzpatron des kleinen, bevorzugt weißen Mannes hochzustilisieren.

5. Breite Wählerschichten sind immer weniger in der Lage, sich kritisch mit derartigen Volkstribunen auseinanderzusetzen: Dass der Immobilien-Tycoon etwa  bereits mehrere Konkurse gebaut hat, war für viele ebenso kein Thema wie seine hinlänglich bekannten sexistischen Ausrutscher.  Offenbar wurde ihm auch seine zahlreichen Lügen und Fehlinformationen nicht übel genommen – darunter der entsetzliche Sager, dass er laut eigener Auffassung auf der Straße jemanden erschießen könnte und trotzdem keine einzige Wählerstimme verlieren würde. Ein Mensch, der  sich derart im Ton vergreift, sollte eigentlich in einer psychiatrischen Klinik landen und nicht im Weißen Haus.

6. Auf Grund der typischen Bauchentscheidungen, die offenbar automatisch die Gehirne ausschalten, ist die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler – siehe Brexit, siehe US-Wahl – genauso unberechenbar geworden wie jene Stimmenfänger, der sie auf den Leim gegangen sind, weshalb sich die Meinungsforscher mit ihren Falschprognosen stets auf peinliche Weise blamieren. Vorschlag: Die Ergebnisse von Meinungsumfragen vor Wahlen zu veröffentlichen und damit unter Umständen das Meinungsklima zu beeinflussen sollte in allen demokratischen Staaten gesetzlich verboten werden.

7. Die Rolle der klassischen Medien hat sich bei derartigen Wahlgängen massiv verändert. In den USA war Trump mit allen seinen entbehrlichen Ausrutschern monatelang in sämtlichen TV-Stationen und Tageszeitungen permanent präsent,  sodass er sich sündteure Wahl-Spots und Inserate weitgehend sparen  konnte. Dass er allerdings fast überall starken medialen Gegenwind zu spüren bekam, weil nahezu alle Kommentatoren einen Sieg Clintons erhofften, schadete ihm letztlich kaum. Wohl deshalb nicht, weil die sozialen Medien diesmal einen besonders starken Einfluss auf das Wählerverhalten hatten, was dem emsigen Twitter-Freak zweifellos zugute gekommen ist.

8. Das Gros der Wähler ist freilich weder in Großbritannien noch in den Staaten in der Lage gewesen, die Konsequenzen ihrer Entscheidung auch nur halbwegs präzise einschätzen zu können. Beim „Brexit“-Referendum soll ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft gar nicht gewusst haben, worum es wirklich ging, womit die künftigen Nachteile, die dem Königreich nunmehr drohen, von den Befürwortern des Austritts außer Acht gelassen wurden. In den USA wiederum ist etwa Trumps hanebüchener Feldzug gegen die Globalisierung mit Sicherheit von den meisten seiner Anhänger nicht hinterfragt worden, sodass ihnen auch nicht klar wurde, was ein Comeback des Protektionismus bedeuten muss. Dass der Polit-Amateur dem Land mit etlichen seiner weiteren Pläne schweren Schaden zufügen könnte, wird sich auch erst allmählich herumsprechen.

9. Von George Bernard Shaw stammt das Zitat „Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen“.  Die Crux besteht darin, dass immer mehr Staatsbürger an demokratischen Entscheidungsprozessen gar nicht mehr teilnehmen wollen – teils aus Ignoranz und Desinteresse, teils aber auch wegen des zunehmenden Frusts, für den die oft bürgerfernen Politiker an der Macht sorgen. In Großbritannien haben im Juni immerhin 28 Prozent der Wahlberechtigten am Referendum nicht teilgenommen – sie hätten das Desaster locker vermeiden können. In den USA wiederum betrug die Wahlbeteiligung zuletzt bloß 51,3 Prozent, womit Donald Trump – durchgerechnet – von lediglich 23,8 Prozent der Wahlberechtigten ins Amt gehievt wurde. Eine Minderheit diktierte damit der überwiegend schweigenden Mehrheit, was zu geschehen hat und was mit ihr passieren wird.

10. Der Wahlsieg Trumps ist schließlich Wasser auf den Mühlen jener autoritären Machthaber in anderen Staaten, die sich wenig um Demokratie scheren: Ein Recep Tayyip Erdogan, ein Viktor Orban, ein Jaroslaw Kaczynski und wie sie alle heißen werden sich jedenfalls freuen, dass auch in den Vereinigten Staaten nunmehr ein autoritär auftretender Populist und Hardliner an die Macht kommt, der so ähnlich zu ticken scheint wie sie selbst. Etliche Alarmsignale sind aber anderswo ebenfalls nicht mehr zu übersehen: Wenn etwa die neue britische Premierministerin Theresa May die Ansicht vertritt, dass der Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ohne Anhörung des Londoner Parlaments erfolgen solle, ist das sehr besorgniserregend. Die Ausschaltung von Institutionen, die Missachtung des Rechtsstaates oder die Bekämpfung freier Medien – alles etwa in der Türkei, Ungarn oder Polen traurige Realität – all das macht diese Länder zu politischen Pulverfässern, die am Beginn des dritten Jahrtausends keinen Platz mehr haben dürfen. Man kann nur inständig darauf hoffen, dass die genannten Diktatoren bei nächster Gelegenheit die Rechnung seitens ihres Volkes präsentiert bekommen – und dass in den USA in vier Jahren wieder ein vernünftiger Präsident bzw. eine  Präsidentin gewählt wird. Falls das nicht eintreffen sollte, wird Johann Nestroy wohl oder übel mit seiner Prognose recht behalten: Die Welt steht auf kan Fall mehr lang…

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