Freitag, 19. April 2024
Startseite / Allgemein / Anti-Korruptions-Kampagne als Spaßbremse

Anti-Korruptions-Kampagne als Spaßbremse

Die erfolgsverwöhnte Schweizer Uhrenindustrie musste im vergangenen Jahr kleinere Brötchen backen. Die Anti-Korruptions-Kampagne in China ließ das Wachstum deutlich schrumpfen. Dadurch gerieten vorübergehend auch die Aktienkurse unter Druck. Ins neue Jahr startete die Branche aber mit verhaltener Zuversicht. Einer der Gründe ist die stabile Nachfrage aus Europa. Sogar Griechen und Spanier greifen wieder zu.

[[image1]]Wenn Anfang Februar in Sotschi die Olympischen Winterspiele beginnen, wird ein bekannter Schweizer Markenname wieder tagelang mehr oder weniger diskret auf den Fernsehbildschirmen auftauchen: Der Uhrenhersteller Omega ist offizieller Zeitmesser bei diesem internationalen Sport-Highlight. Die zum Swatch-Konzern gehörende Marke schaffte es im vergangenen Jahr immerhin selbst, sich gleichsam eine Bronzemedaille zu sichern. Unter allen Nobeluhren-Marken belegte Omega Platz drei – hinter Rolex und Cartier.

Dennoch tickt die erfolgsverwöhnte Schweizer Uhrenindustrie seit Monaten etwas langsamer als in den von einer unglaublichen Dynamik geprägten Jahren zuvor. Sowohl in der Schweiz als auch in den Luxus-Manufakturen im deutschen Glashütte wächst langsam die Einsicht, dass die Zeiten ständiger und teilweise recht kräftiger Preiserhöhungen zunächst einmal zu Ende gehen könnten.

In einem insgesamt äußerst positiven Umfeld an den internationalen Börsen gaben die Aktien der Uhrenhersteller und Luxusgüterkonzerne in den vergangenen Wochen sogar nach, während wichtige Börsenindices wie der DAX ein Allzeithoch nach dem anderen erreichten. Der wichtigste Grund für das gebremste Wachstum der Luxus-Uhrenhersteller ist die anhaltende Anti-Korruptions-Kampagne der chinesischen Regierung. Bei seinem Amtsantritt  im Frühjahr hatte Präsident Xi Jinping die Korruption als Gefahr für die Zukunft der Partei bezeichnet und dem Kampf gegen diese Auswüchse höchste politische Priorität eingeräumt. Teuerste Luxusuhren eidgenössischer Provenienz waren jahrelang begehrte Bestechungs-Geschenke in China. Damit soll nun Schluss sein. Die Staats- und Parteiführung ruft zur „Genügsamkeit“ auf.

Keine „Korruptionswährung“ mehr

Die starke Nachfrage aus dem Fernen Osten hatte die Hersteller edler Zeitmesser in den letzten drei bis vier Jahren kräftig verdienen lassen. Selbst Nobelticker zu sechsstelligen Preisen fanden schnell zahlungskräftige Abnehmer. Davon profitierten nicht zuletzt die Aktionäre der drei führenden europäischen Luxusgüterhersteller, die mehrere starke Nobeluhren-Brands in ihren Portfolios haben. Die Aktie der Richemont-Gruppe (unter anderem Cartier, IWC, Lange & Söhne, Panerai und Jaeger LeCoultre) performte in den vergangenen fünf Jahren mit knapp 480 Prozent. Das Papier der Swatch-Group (Omega, Longines, Blancpain und Breguet) verteuerte sich im selben Zeitraum um über 427 Prozent. Der mit einem breiteren Luxus-Portfolio aufgestellte LMVH-Konzern (neben Louis Vuitton auch führende Champagner- und Spirituosenmarken sowie die Uhrenhersteller Hublot, TAG Heuer und Zenith) blieb mit einer Fünf-Jahres-Performance von knapp 205 Prozent hinter den Mitbewerbern zurück.

Im vergangenen Jahr hingegen mussten sich die Aktionäre in Bescheidenheit üben. Die Aktienkurse von Richemont und Swatch stiegen mit 9,23 beziehungsweise 4,98 Prozent nur noch zweistellig, die LMVH-Aktien sind auf Jahressicht sogar gefallen.

Die neue Bescheidenheit kommt nicht von ungefähr. Zwar stiegen die Schweizer Uhrenexporte in den ersten elf Monaten des Jahres 2013 erneut um 1,7 Prozent auf ein Volumen von etwa 16 Milliarden Euro, doch handelt es sich dabei um das schwächste Wachstum seit 2009. Im selben Zeitraum gingen die Exporte nach China um 8,5 Prozent zurück. Auf das gesamte Jahr bezogen, geht das Consulting-Unternehmen Bain & Company sogar von einem Rückgang von elf Prozent aus. In der Vergangenheit hatten Branchenkenner immer wieder gewarnt, die Schweizer Uhrenindustrie setze zu sehr auf den chinesischen Markt und bediene mit ihrem Design zunehmend den asiatischen Geschmack. Tatsächlich wird mehr als ein Viertel aller Schweizer Luxusuhren allein in China abgesetzt. Neben der Anti-Korruptions-Kampagne der Pekinger Regierung wirkten sich auch die nicht in vollem Umfang erfüllten Erwartungen in das mit China ausgehandelte Freihandelsabkommen dämpfend aus. Die Uhrenbranche rechnete mit einem stärkeren Abbau der Zölle. Derweil haben die Uhrenhersteller eine neue Zielgruppe ausgemacht: Die wachsende chinesische Mittelschicht soll in die Bresche springen – Uhren als private Statussymbole statt „Korruptionswährung“ also. „Die Chinesen bleiben die großen Liebhaber von Schweizer Uhren, aber sie bevorzugen günstigere Modelle“, sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie.

Stabile Nachfrage aus Europa

Von günstigen Preisen kann bei den großen Marken allerdings keine Rede sein. Viele  Hersteller haben im Renditerausch die Preise massiv angehoben. Für manche Modelle muss der Uhrenfreund heute fast das Doppelte bezahlen wie noch vor einigen Jahren.

Abgesehen von der chinesischen Spaßbremse machte sich in den Büchern der Hersteller auch der gegenüber dem Schweizer Franken schwache US-Dollar und der japanische Yen bemerkbar.

Freilich – allzu sehr muss man sich um die führenden Hersteller von Luxus-Uhren nicht sorgen, denn insgesamt laufen die Geschäfte gut, vor allem dank der stabilen Nachfrage aus den USA und Europa. Neben Deutschland und Österreich sind in der EU nicht zuletzt Italien und Großbritannien starke Märkte. Und wie zu hören ist, kaufen auch griechische und spanische Uhrenfreunde wieder häufiger Nobelticker. Swatch-Konzernchef Nick Hayek verspricht den Aktionären für 2014 schon mal ein zweistelliges Umsatzwachstum.
 

Bild: Lupo / pixelio.de/ © www.pixelio.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

Rufe nach mehr Geld für arbeitslose Jugendliche immer lauter

Mehr Investitionen, frisches Geld, Ankurbelung des Wachstums - das ist das Credo nicht nur von François Hollande in Mailand. Es will nicht zur Zurückhaltung Deutschlands auf dem EU-Jobgipfel passen.