Dienstag, 23. April 2024
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Anleihen-Crash 2018: Reißt er Europa in die Tiefe?

Bankenkrach Berlin 1931 © CC Georg Pahl/Deutsches Bundesarchiv Koblenz/Wikimedia (Ausschnitt)

 

Mario Dragis EZB druckt monatlich 60 Milliarden Euro [1], um v.a. Staatsanleihen seiner maroden Heimat anzukaufen. Dadurch muss diese nur 1,8% Zinsen bezahlen – während es bei Top-Schuldnern wie den USA 2,4% sind [2]. Ein Crash wie anno 1929 ist heute nicht mehr ausgeschlossen.

Der „Finanzblasen-Beauftragte der Europäischen Union“, Mario Draghi, schmückt das ahnungslose Europa neben einer Aktien-, einer Immobilien- nun auch mit einer drohenden Anleihenblase. David Folkerts-Landau, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank und eher Freund der leisen Worte, bringt es auf den Punkt: „Wir erleben zurzeit die größte Anleihen-Blase in der Geschichte der Menschheit. Es gibt keine historischen Vorläufer“ [3]. Alan Greenspan, ehemaliger Chef der US-Notenbank „Fed“ (und selbst stolzer Schöpfer einer großen Blase), stieß im Sommer in das gleiche Horn [4].

Draghi hilft Italien

Um 2.300 Milliarden Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) schon Anleihen v.a. jener Euro-Länder angekauft, die ihre Schulden am freien Markt nicht mehr oder nur zu hohen Zinsen unterbrächten. Die Bonität der Länder scheint der EZB egal zu sein.

Damit hat sie das Zinsniveau alleine der fünf „Wackelkandidaten“ Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal [5] und Spanien (mit 6.363 Milliarden Euro Schulden [6] auf ein Niveau gesenkt, das bis vor 20 Jahren nur Vorzeigeökonomien wie der BRD vorbehalten war.

Perpetuum Mobile des Finanzwohlstandes

Dabei druckt die staatliche EZB schon seit sieben Jahren Banknotenberge in epischem Ausmaß. Diese verleiht sie dann an jede Bank, die will. Und das zu „0%“. Die Banken fügen den 0%-Zinsen dann 1 bis 2 Prozent an Bankspanne hinzu und leihen dann an Firmen und Private weiter.

Erstmals in der Geschichte können Privatbanken auf Spareinlagen verzichten, denn die staatliche EZB druckt Geld ja jederzeit zum Nulltarif. Viele Sparer kennen Sparbuchzinsen nur mehr aus Geschichtebüchern, verzweifelt suchen sie nach Anlagemöglichkeiten, die sie in Staatsanleihen finden. Dabei begnügen sie sich bei deutschen Bundesanleihen mit 0,35% im Jahr und mit 0,5% bei österreichischen [7]. Und dies bei mindestens 2 Prozent Inflation.

Manche Bank nimmt da den kurzen Weg: Sie borgt sich bei der EU das Geld um 0 Prozent, kauft damit portugiesische Anleihen, die mit 1,84 Prozent rentieren (und für deren Tilgung die EU ja garantiert) und macht 1,84 Prozent Profit aus nichts heraus.

Das ist jener Stoff, aus dem die Börsencrashs der Welt gestrickt sind.

Billigzinsen verhindern Reformen – im Süden

Sind Politiker sich gewiss, unkontrolliert (und billig) Schulden aufnehmen zu können, um damit den Wohlfahrtstaat aufzublasen und Wahlen zu gewinnen, dann tun sie es. Dann unterlassen sie jene Arbeitsmarkt- und Pensionsreformen, die Nordeuropa in den Nullerjahren („Harz IV“) nicht erspart geblieben waren.

Schon mit 56 erfreuen sich Franzosen an der Frühpension, für Lehrer ist bei 17 Wochenstunden Schluss. Und Griechenland (mit seinen Abertausenden an Soziologen) harrt noch immer seines ersten Tüftlers, der es dann zum Fabrikanten bringt.

Und trotzdem können sie sich alle die (prozentuell) größten Beamtenapparate der nördlichen Hemisphäre leisten (25% sind beim Staat beschäftigt), finanziert durch Billig-Staatsanleihen.

Wie Anleihen ticken

Gibt die Regierung eines Landes (wie Österreich im Jahr 2017) 77 Milliarden Euro aus, nimmt aber nur knapp 73 Milliarden Euro ein, dann muss sie den Fehlbetrag von vier Milliarden durch neue Schulden finanzieren. Sie druckt Schuldscheine („begibt Anleihen“), stückelt sie zu je 1.000 Euro und verkauft sie gegen Bares an Pensionsfonds, Banken, Firmen oder Bürger. Für die Dauer der Laufzeit erhalten die Investoren dann jährlich fixe Zinsen (zurzeit 0,5%).

Nach Ablauf der Anleihe in zehn Jahren (2027) holt sich die Republik an der Börse („Bond-Markt“ [8]) wieder vier Milliarden durch den Verkauf einer neuen Anleihe (zum dann neuen, womöglich höheren Festzins) und tilgt damit die alte aus dem Jahr 2017 [9].

Billig korrumpiert

Mit ihrer Nullzinspolitik hat es die EZB geschafft, dass weder Staaten, Konzerne noch Private heute nennenswerte Zinsen für ihre Schulden bezahlen müssen. Das führt volkswirtschaftlich zur „Fehltallokation von Ressourcen“, also der Fehllenkung von Kapital.

Will heißen: Sind Kredite (und Anleihen) zu billig, investieren Firmen, Staaten und Bürger leichtfertig in zweifelhafte Projekte. Spekulieren mit Rohstoffen oder Oldtimern, bauen Eisenbahntunnels, die sich niemals rechnen oder versprechen Renten, die es dann zu finanzieren gilt, wenn das BIP vielleicht um zehn Prozent gesunken ist.

Bringt Zinswende „Schwarzen Freitag“?

Problem Eins: Steigt das internationale Zinsniveau weiter an (in Amerika tut es das seit 2015) und wäre Europa gezwungen, Zinsen ruckartig zu erhöhen, dann verlören alle alten Anleihen (das sind mittlerweile zehntausende Milliarden Euro!) über Nacht massiv an Wert. Niemand würde noch die alten Anleihen kaufen, wenn die neuen höhere Zinsen brächten. Die Kursverluste würden sich dramatisch in den Bilanzen niederschlagen, was Kapitalgesellschaften zu Wertberichtigungen zwingen würde. Das hinterließe Blutspuren an den Aktienmärkten, denn Großkonzerne mit Verlusten mag da niemand. Der Börsenausverkauf begänne.

Problem Zwei: Anleihen werden traditionell zur Besicherung von Krediten verwendet. Durch die Kursverluste käme es zu Unterdeckungen. Die Banken wären gezwungen, neue Sicherheiten zu fordern oder Kredite fällig zu stellen. „1929“ lässt grüßen.

Europa in Gefahr

Das dritte und größte Problem liegt aber bei den Schuldenökonomien Südeuropas. Länder wie Italien oder Portugal, von Griechenland einmal ganz zu schweigen, könnten sich höhere Zinsen für ihre „Schulden-Himalayagebirge“ schlicht nicht leisten. Soziale Revolten durch Sozialeinschnitte oder Zahlungsausfälle wären die Folge.

Griechenland hoch zwanzig. Deutschland kann das nicht mehr schultern. Die Pleite Italiens hätte auch die Pleite seiner Währung zur Folge, die leider auch die „unsere“ ist. Und nun wäre ganz schnell alles offen – aber nur in Richtung „Süd“. Oder, wie Alan Greenspan es letztens formulierte: „Es sieht solide aus, bis es dann nicht mehr solide ist“ [10].


[1] Ab Jänner 2018 „nur“ mehr 30 Milliarden. Mit der Option, den Betrag spontan wieder auf 60 Milliarden steigern zu können.

[2] „Rendite für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ausgewählter Länder weltweit im Dezember 2017“, Statista.de, abgerufen am 20.1.2018.

[3] „Chef-Ökonom Deutscher Bank besorgt wegen Ungleichheit – ‚Anleihe-Blase’“, www.finanzen.net, 6.12.2017.

[4] „Anleihen-Blase wird wegen „absurd niedriger“ Zinsen platzen“, www.investor-verlag.de, 9.8.2017.

[5] Die EZB kaufte sogar portugiesische Anleihen mit 182 Jahren Laufzeit!

[6] „Schuldenuhr Europas“, www.smava.de, abgerufen am 20.1.2018.

[7] „Rendite für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ausgewählter Länder weltweit im Dezember 2017“, Statista.de, abgerufen am 20.1.2018.

[8] „Bond“ ist das englische Wort für Anleihe.

[9] Richtig gedacht: Einmal gemachte Schulden werden nie wieder getilgt. Läuft die Anleihe aus, wird sie durch eine „neue“ getilgt. Einzig die Schweiz, Norwegen (und neuerdings Deutschland) zahlen Anleihen endgültig zurück.

[10] „Anleihen-Blase wird wegen absurd niedriger Zinsen platzen“, www.investor-verlag.de, 9.8.2017

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