Donnerstag, 28. März 2024
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Ägypten: Catherine Ashtons Mission Impossible

Die zumeist ziemlich unauffällige EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton kann sich in diesen Sommer-Wochen  über  Mangel an Hektik  wahrlich nicht beklagen:  Brüssels Hohe Repräsentantin – so heißt das, wenn man für die ohnedies illusorische gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union zuständig ist – erlebt auf Grund der dramatischen Ereignisse in Ägypten, aber auch in Syrien, Stress pur in Permanenz.

[[image1]]Bereits im Juli hat sie zwei Mal Kairo besucht, mit  dem Übergangspräsidenten Nabil Fahmi konferiert, mit dem Armeekommandeur General Abdel Fattah al-Sisi ebenso wie mit Repräsentanten der Muslimbrüder gesprochen und letztlich sogar den gestürzten Präsidenten in seiner Haft besucht. Doch mehr als die Freilassung von Mohammed Mursi zu fordern, zum Gewaltverzicht aufzurufen und das Blutvergießen zu verurteilen, war ihr nicht gelungen.

Die britische Baroness musste einmal mehr zur Kenntnis nehmen, dass die EU in Krisenfällen lediglich einen ohnmächtigen Eindruck vermittelt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die 28 Außenminister in einer Sondersitzung vorige Woche den Beschluss fassten, die europäischen Waffenexporte nach Ägypten vorübergehend auszusetzen. Mit einem totalen Stopp der Finanzhilfen wollte allerdings – mit der unrühmlichen Ausnahme des österreichischen Außenministers Michael Spindelegger – keiner drohen, weil das bloß die notleidende Bevölkerung treffen würde. Auch ein Handelsembargo stand nicht zur Diskussion, weil das letztlich dem Militärregime genauso egal wäre wie den gewaltbereiten Anhängern des entmachteten islamistischen Präsidenten.

Die EU ist nun mal seit 2004 dank eines Assoziierungsabkommens der wichtigste Wirtschaftspartner Ägyptens. Seit damals hat sich das bilaterale Handelsvolumen mehr als verdoppelt – auf rund 24 Milliarden Euro. Nicht zuletzt deshalb versprach die Kommission, die Mursis Triumph bei den ersten demokratischen Präsidentenwahlen durchaus begrüßt hatte, dem Land am Nil im November 2012 eine Geldspritze in Höhe von fünf Milliarden Euro. Diese Summe sollte aus verschiedenen Quellen – darunter die EIB (Europäische Investment Bank) sowie die EBRD  (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) – fließen, um Ägypten möglichst rasch wieder auf die Beine zu helfen. Die Hilfsgelder flossen dann allerdings nur spärlich, weil das Land mit der Entmachtung Mursis erneut in ein blutiges Dilemma taumelte. Die Union befindet sich jedenfalls in einem veritablen Dilemma, und ihr Spielraum ist gering: Eine komplette Aussetzung der Finanzhilfen wäre nämlich sinnlos, weil dann etwa unzählige Projekte von NGOs eingestellt werden müssten. Obendrein hat der saudiarabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal bereits angekündigt, dass sein Land, aber auch Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, eventuell ausfallende Hilfszahlungen des Westens mit neun Milliarden Euro zu kompensieren bereit sind.

Ein harm- und zahnloser Verein

Als einziges Druckmittel verblieb den Europäer also bloß die Sanktionen gegen das Militärregime: Die EU-Staaten, die im Jahr 2011 noch für rund 300 Millionen Euro Waffen und Militärgüter an Ägypten geliefert hatten, halten sich nunmehr gemäß dem gängigen Verhaltenskodex für derartige Krisenherde zurück und legen sämtliche Waffenexporte auf Eis. Deutschland, neben Großbritannien und Spanien wichtigster Lieferant, hat allerdings auf die Eskalation der Gewalt schon längst reagiert, als die Bundesregierung die einschlägigen Genehmigungen stoppte. Die wie meistens zunächst ratlose Union wahrte damit zumindest den Anschein, etwas unternommen zu haben. Genau das machte beispielsweise den früheren Außenminister Tschechiens, Karl Schwarzenberg, schrecklich wütend: In einem „Presse“-Interview hielt er fest, dass die EU in Wirklichkeit – so ganz und gar nicht aristokratisch formuliert – „einen Dreck“ unternehme und daher „wenigstens das Maul halten“ solle.

Ein schwacher Trost für die EU mag es sein, dass  auch der Einfluss der Amerikaner momentan kaum größer ist, auch wenn die USA Ägypten ebenfalls finanziell sowie militärisch unterstützen – nach dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von 1979 flossen jährlich immerhin 1,3 Milliarden US-Dollar an die Mubarak-Regierung. Die Stimme des selbsternannten Weltpolizisten zählt freilich, wenngleich ihn die Petrodollar-Monarchen im konkreten Fall geschickt ausspielen könnten – weitaus mehr als jene des europäischen Bündnisses. Das hat nicht nur damit zu tun, dass militärische Einsätze der Amis, wie soeben in Syrien, stets eine gefürchtete Option sind, die für das Friedensprojekt EU gottlob nicht in Frage kommt. Barack Obamas machtpolitisches Gewicht ist eben ungleich höher als jenes von José Manuel Barroso, und US-Außenminister John Kerry macht sich eindeutig besser als die farblosen Catherine Ashton. Evident ist obendrein folgendes: Während der Einfluss von Deutschland, Großbritannien oder Frankreich auf internationaler Ebene einstmals eindeutig größer war – wenn sich ein Helmut Kohl, ein Francois Mitterand oder ein Tony Blair zu Wort meldete, hatte das zweifellos stets einen gewissen Stellenwert – , wird die Europäische Union heute weltweit als harm- und zahnloser Verein von 28 Individualisten empfunden, die sich nie und nimmer auf eine gemeinsame Position einigen können. Dieser Eindruck stimmt übrigens weitgehend mit der Realität überein.

Ägypten ist jedenfalls für Catherine Ashton, selbst wenn sie sich diesmal noch so beherzt ins Zeug legt, eine Mission Impossible. Die dortigen Militärs sind sauer, weil sie die ausländische Einmischung satt haben, die Übergangsregierung ist enttäuscht, weil sie von den Europäern ständig kritisiert wird, die Muslimbrüder wiederum sind erbost, weil die EU ihres Erachtens  nicht massiv genug angeprangert hätte, dass es sich um einen Militärputsch gehandelt  habe. Brüssel muss sich folglich mit sorgfältig ausformulierten  Appellen begnügen, dass in Ägypten möglichst bald wieder die Vernunft einzieht – mehr ist einfach nicht drinnen …
 

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